Häusliche Gewalt: Wir leben jetzt im Frauenhaus

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****Triggerwarnung: Häusliche Gewalt***

Ihr Lieben, letzte Woche gab es eine Pressemitteilung, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ hat seine neusten Zahlen genannt: Mit rund 51.400 Kontakten ist die Zahl der Beratungen beim Hilfetelefon im Jahr 2020 erneut gestiegen. Mit einem Zuwachs von 15 Prozent ist dies der höchste Anstieg seit 2016. Dabei nahmen die Anfragen zu häuslicher Gewalt überproportional zu: Alle 22 Minuten fand im vergangenen Jahr eine Beratung dazu statt. 

Zahlen, die sprachlos und sehr betroffen machen. Denn hinter jeder Zahl steht ein Schicksal. Auch Karo hat jahrelang häusliche Gewalt erlebt. Bei uns erzählt sie davon und wie es ihr heute geht:

Liebe Karo, Der Vater deiner Kinder ist alkohol-und drogensüchtig. Seit wann hat er diese Probleme, wann ist dir das das erste Mal aufgefallen?

Ich habe meinen Mann 2014 kennengelernt, wir beide brachten Kinder mit in die Ehe. 2015 bin ich dann schwanger geworden. Ich war in der 16. Schwangerschaftswoche, als wir bei seiner Familie zu Besuch waren. Plötzlich fing mein Mann an zu krampfen. Wir riefen den Notarzt, der meinen Mann ins Krankenhaus brachte. Dort hatte er zwei weitere Krampfanfälle, woraufhin er ins Koma versetzt wurde. Als ich ihn auf der Intensivstation besuchen durfte, fragte mich der Arzt, ob ich wüsste, dass mein Mann Drogen nimmt. Ich war total schockiert, denn ich wusste davon nichts. Der Arzt sagte auch, dass die Kampfanfälle wohl von einer Überdosis Kokain verursacht worden wären. Ich war wirklich sprachlos, weil ich komplett ahnungslos gewesen war.

Mein Mann erholte sich, leider kam er durch diesen Krankenhaus-Aufenthalt nicht ins Nachdenken – im Gegenteil. 2018 kam der Alkohol dazu und dann ging es wirklich bergab. Ab diesem Zeitpunkt habe ich erfahren, was häusliche Gewalt bedeutet.

Wie regelmäßig hat er was konsumiert und wie hat er sich dadurch verändert?

Die Mengen kann ich nicht abschätzen, ich kann nur sagen, dass er sich sehr verändert hat. Sein Tagesablauf war komplett auf den Kopf gestellt, er war nachts wach, tagsüber wollte er schlafen, konnte aber oft nicht. Alles hat ihn gestört, egal ob es die Kinder waren oder ich. Er wurde zunehmend aggressiv und auch immer wieder handgreiflich.

Wie war es für dich und die Kinder, wenn er im Rausch war?

Schrecklich. Wenn er konsumiert hat, war es für uns alle sehr belastend. Wir haben uns dann nur in einem Zimmer leise aufgehalten, damit wir ihn nicht „stören“. Dort saßen wir, waren ganz ruhig und haben geweint. Leider muss ich sagen, dass die Kinder das alles nicht ohne psychische Folgen überstanden haben….

Wenn wir ihn im Rausch „gestört“ haben, hat er uns geschlagen. Einmal ging er im Wahn mit einem Hammer auf uns los. Da habe ich die Polizei gerufen. Ab diesem Zeitpunkt war auch das Jugendamt eingeschaltet. Er hat ab dann weniger getrunken, die Drogen aber nie weggelassen.

Habt Ihr über das Problem gesprochen?

Natürlich. Immer und immer wieder. Immer hat er gesagt, dass er sich ändern wird. Dann hat er einen Entzug gemacht, war vier Wochen clean und dann ging der Horror wieder von vorne los….

Du hast deinen Mann schließlich verlassen…

Ja, irgendwann ging es einfach nicht mehr und ich bin erstmal mit den Kindern ausgezogen. Das war im November 2020. Plötzlich stand er vor der Tür unserer neuen Wohnung und griff mich sofort an. Er war total im Rausch. Die Kinder haben alles mitangesehen und haben sich die Seele aus dem Leib geschrieen vor Angst. Als er weg war, wusste ich, dass das nie wieder passieren darf. Dass er uns sowas nie wieder antun darf. Ich habe die Polizei, das Jugendamt und einen Anwalt kontaktiert.  Der Anwalt hat sofort einen Antrag auf Gewaltschutz beantragt, der auch binnen 24 Stunden durch war. Zusätzlich hat das Jugendamt ein Schutzkonzept zum Schutz der Kinder erarbeitet.

Wie hat er auf die endgültige Trennung reagiert?

Sehr aggressiv. Er hat mich per Telefon, WhatsApp und auch mit ständigem Auftauchen an meiner Wohnung terrorisiert. Er hat bei uns im Ort herum erzählt, dass ich mit allen Männer ein Verhältnis hätte, was natürlich Schwachsinn ist. Er drohte mir mit Vergewaltigung. Das war alles zu krass.

Im Januar bin ich dann aufgrund des Stresses zusammen geklappt. Ich musste ein paar Tage ins Krankenhaus, war da aber auch die ganze Zeit mit dem Jugendamt in engem Kontakt. Die haben mir wirklich sehr geholfen. Das Jugendamt war dann der Meinung, dass wir in unserer Wohnung nicht mehr ausreichend geschützt sind. Deshalb sind wir nach meiner Entlassung in ein Frauenhaus gezogen. Dort lebe ich nun mit den Kindern. Im April wurde mein Mann zu 6 Monaten auf Bewährung verurteilt, außerdem zu 80 Sozialstunden und einer Geldstrafe.

Wie ist der Umgang geregelt worden? 

Er darf die Kinder nicht sehen. Und das ist auch gut so.

Wie geht es den Kindern?

Seit der Trennung geht es den Kindern sehr gut. Sie haben zwar durch den Umzug ihr gewohntes Umfeld verloren, aber schnell neuen Anschluss gefunden. Wir kommen alle endlich zur Ruhe. Sie fragen nie nach ihrem Vater, er ist für sie nicht präsent.

Was wünscht du dir für Euch?

Dass wir endlich eine Wohnung finden und wieder in unseren eigenen vier Wänden wohnen. Wir haben gerade eine Therapie begonnen und ich hoffe so, dass wir alles verarbeiten können. Mein größter Wunsch ist es, mit den Kindern in den Urlaub fahren zu können. Und was mir noch wichtig ist: Wenn eine Mama diesen Text liest, die in einer ähnlichen Situation steckt. Bitte lasst euch helfen, bitte ruft das Jugendamt an oder ein Frauenhaus. Lasst Euch nicht länger so schlecht behandeln. Niemand hat das verdient.

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