Interview: Die Krebs-Diagnose meines Mannes riss uns den Boden unter den Füßen weg

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Liebe Madeleine, Dein Mann hat vor einigen Monaten die Diagnose Darmkrebs bekommen. Erzählst Du uns, welche Symptome es gab und wie der Krebs festgestellt wurde?

Im Nachhinein kann ich sagen: Es gab viele Symptome, die wir lange nicht sehen wollten. Mein Mann hatte Blut im Stuhl.  Wir dachten damals, es wäre der Stress auf der Arbeit. Mein Mann war sehr unglücklich in seinem Job und fraß all den Kummer in sich hinein. In einem langen Gespräch nahm ich ihm den Druck, alleine für unsere Einnahmen zuständig zu sein und stärkte ihm den Rücken, endlich eine berufliche Veränderung zu wagen. Das tat er auch – und ich dachte, es geht nun bergauf. 

Doch dann kamen Nervenschmerzen in den Waden und Fußsohlen dazu, außerdem konnte mein Mann nur noch unter Schmerzen auf die Toilette gehen. Und dennoch sagte mein Mann: "Das geht wieder weg." Er nahm Schmerztabletten, aber ich schickte ihn irgendwann zur Hausärztin, die nichts feststellen konnte – ihn aber an einen Spezialisten überwies.

Ende Juli letzten Jahres wurde unser großer Sohn fünf, zwei Tage später hatte er solche Schmerzen, dass er von der Arbeit ins Krankenhaus fuhr. Der Arzt, der ihn dort untersuchte, machte sofort ein ernstes Gesicht und ordnete an, dass mein Mann im Krankenhaus bleiben muß. Die Koloskopie wurde am Tag drauf gemacht, nach wenigen Stunden dann das Ergebnis: Rektum Karzinom.

Wie war der Moment der Diagnose für dich?

In dieser Sekunde hab ich einfach nur "Nein" gedacht und es hat sich angefühlt, als ob ich mich außerhalb meines Körpers befinden würde. Mir blieb die Luft weg und ich musste mich richtig darauf konzentrieren zu atmen. Wir hatten an diesem Tag tatsächlich den Kindergeburtstag meines Sohnes nachgefeiert – das heißt, ich stand inmitten von Kindern und Familie, als die Diagnose kam. Ich hab den Geburtstag wie in Trance durchgezogen und als alle weg waren, hab ich nur noch geweint. 

Habt Ihr Freunde/Bekannte und auch die Kinder eingeweiht?

Ja, wir haben der Familie schnell alles erzählt, für meine Schwiegermutter brach eine Welt zusammen. Und auch den Kindern haben wir von der Diagnose erzählt, natürlich kindgerecht. Es zu verschweigen wäre ja gar nicht gegangen, weil sie gesehen haben, wie ich geweint habe. 

Ich habe es auch meiner Chefin erzählt, die sehr betroffen und verständnisvoll war. Unseren Freunden haben wir es nach und nach gesagt – es hat mir gut getan, darüber zu sprechen. Außerdem habe ich direkt Kochbücher über krebsfreundliche Ernährung und Darmkrebs-Ratgeber bestellt. So hatte ich das Gefühl, etwas tun zu können. 

Welche Therapie musste Dein Mann machen?

Mein Mann bekam einen Port gesetzt, über den die Chemo lief. Jeden Morgen musste er in die Praxis und danach zur Bestrahlung. Das ging über 8 Wochen so, in dieser Zeit war er sehr schlapp und müde. Glücklicherweise gab es keine Methastasen, das heißt, die Chemo war eine leichte – er hat seine Haare nicht verloren. 

Im November wurde er operiert, was für mich sehr nervenaufreibend war. Ich habe ihn danach auf der Intensivstation gesehen, er hatte einen riesen Schnitt am Bauch. Er fing unter den Rippen an, am Bauchnabel vorbei, bis zum Schambereich. Er hatte zwei Drainageschläuche für Wundwasser, einen am Bauch und einen am Po, wo sein Schließmuskel war. Wie er da lag, völlig fertig und voller Schläuche – das war hart zu sehen….

Wie hat die Krankheit Eure Beziehung verändert?

Seit der Diagnose leben wir bewusster und lassen auch öfter einfach mal Fünfe gerade sein. Wir wissen zudem, dass wir uns absolut aufeinander verlassen können. Wir machen demnächst eine Familienkur – ich hoffe, dass wir dort das Geschehene verarbeiten können. Ich glaube, diese Kur wird mir gut tun, denn ich habe mich selbst sehr lange komplett hinten angestellt und nur funktioniert. 

Was hast Du in den letzten Monaten über dich selbst gelernt?

Dass ich gut in Krisensituationen funktioniere, obwohl ich wirklich Angst hatte. Ich glaube, der Krebs wird immer ein Teil unseres Lebens bleiben. 

Gibt es eine Prognose wie es für deinen Mann weitergeht?

Mein Mann steigt jetzt erstmal wieder in den Job ein, mal sehen, wie er das gesundheitlich schafft. Und natürlich muss er ganz regelmäßig zur ärztlichen Kontrolle. 

Die nächsten Untersuchungen sind im August. Was tust Du, wenn das Kopfkino wieder mal angeht?

Ja, um die nächsten Kontrolltermine herum steht auch noch die Einschulung unseres Großen an. Ich hoffe einfach, dass wir die Einschulung trotzdem alle genießen können. Wenn ich die Ängste hoch kommen, versuche ich sie einfach wegzuschieben. Sonst ist das alles zu belastend.

Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Ich wünsche mir einfach, dass bei meinem Mann nichts mehr nachkommt. Sein Vater ist mit 50 an Krebs verstorben und ich will, dass mein Mann seine Kinder so lange wie möglich aufwachsen sieht. Ja, ich wünsche mir einfach, dass wir gesund bleiben. 

 

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1 comment

  1. Dein Interview…
    …hat mich sehr betroffen gemacht.. Ich wünsche Euch ganz ganz viel Kraft, liebe Menschen um Euch, die Euch unterstützen aber auch Zuversicht, dass Dein Mann gesund bleibt und Ihr beide Eure Kinder aufwachsen seht. Alles Gute Euch!!!

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