Katharina Nachtsheim über die Mutterschaft früher und heute. # Teil 1 unserer Serie „Wir lieben Elternsein“

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Katharina Nachtsheim ist 32, Journalistin, schreibt sonntags die Kolumne „Nachtsheims Nestgeflüster“ in der Bild am Sonntag, hat eine dreijährige Tochter und ist in der 42. Woche (!) schwanger mit einem kleinen Sohn („Nu komma raus da, Kleena“). Wir sind glücklich, sie für den Auftakt unserer Serie gewonnen zu haben. Vielen Dank, liebe Katharina, eine wunderschöne Geburt wünschen wir Dir und hier ist er, der Text:

Mein Vater war zwei Tage alt, da packte meine Oma das Nötigste in eine Tasche und floh aus ihrem Haus in Polen. Tagelang lief sie mit dem Säugling durch die Februar-Kälte bis sie in Dresden ankam und dort die Bombennacht miterlebte. Meine Oma erzählte, viele Frauen hätten damals einfach ihre Kinder in den Schnee gelegt, weil sie zu entkräftet waren, sie zu stillen – sie selbst habe aber nicht eine Sekunde daran gedacht.

Die Mutter meiner Freundin Anja wurde gezeugt, als ihr Vater zwei Wochen Heimaturlaub hatte. Als er aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause kam, war sie bereits sechs Jahre alt. In diesen sechs Jahren hatten die Frauen der Familie ganz allein den Bauernhof bewirtschaftet, dabei gehungert, gefroren – aber durchgehalten.

In einem Slum bei Kapstadt traf ich Mary, sie war 19 und hatte zwei Kinder. Eins war durch eine Vergewaltigung ihres Onkels entstanden, das Zweite hatte einen Vater, der lieber den ganzen Tag trank und abends um sich schlug, als sich einen Job zu suchen. Mary hatte ganz andere Probleme, als ich sie mit 19 hatte – und je haben werde. Sie sagte immer: Ich muss für meine Kinder stark sein.

Was ich mit diesen drei Geschichten sagen will? Dass mir das Gejammer auf die Nerven geht, wie anstrengend es hier und heute ist, Kinder zu haben. Wo wären unsere Eltern, wenn unsere Großeltern so gedacht hätten? Wo wären wir, wenn unsere Eltern keinen Bock auf Kinder gehabt hätten? Wenn wir mal ein bisschen in uns gehen, dann müssen wir doch demütig feststellen, dass es Generationen vor uns gab, die ganz andere Probleme zu bewältigen hatten. Dass es in unserer Generation Frauen gibt, die ihre Kinder vor Elend, Hunger und Gewalt beschützen müssen.

Unser größtes Problem ist es, dass wir es nicht schaffen, unser Ego einzufangen. Ja, Kinder zu haben, bedeutet, seine eigenen Bedürfnisse zurück zustecken. Ja, wahrscheinlich leidet die Karriere erstmal, vielleicht ist ein paar Jahre kein Urlaub drin. Ja, die hippen Partys finden ohne uns statt, wir sind oft müde und erschöpft. Daran können wir nichts ändern. Wir könnten es aber ganz einfach akzeptieren, dass wir eine zeitlang nicht mehr alles auf einmal haben können. Wir haben verlernt zu verzichten und genau deshalb jammern wir.

Im Zen-Buddhismus gibt es den simplen Satz „Tue, was Du tust.“ Das bedeutet: Wenn Du kochst, koche – und spiele nicht nebenbei mit dem Handy herum. Wenn Du arbeitest, dann arbeite und träum dich nicht in den Urlaub. Wenn Du eben ein Kind hast, dann hast Du eben ein Kind. Mit allen Höhen und Tiefen, Sorgen und Freuden. Ich bin ganz sicher keine Heilige, ich bin auch genervt und müde und ungerecht. Was dann hilft? Dankbar sein, dass wir hier und jetzt leben. Dass unsere Kinder gesund sind und dass wir Freunde und Familie haben, die in Notsituationen für uns einstehen. Dass wir nicht hungern, dass wir frei unsere Meinung sagen dürfen. Und dass Kinder erziehen, bedeutet, die Zukunft der Welt mit zugestalten. Und das ist doch eine wunderbare Aufgabe!

Was es mit dieser Serie auf sich hat.

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17 comments

  1. Wunderbar geschrieben
    Sehr schön geschrieben…und du hast so recht! Wir sollten dankbarer sein für das was wir haben. Denn wenn wir dankbarer sind, dann sind wir glücklicher und sehen die Welt mit anderen Augen.

  2. Unqualifiziert
    Peinlich, schimerig, übel, widerlich, dumm, unfair, selbstgefällig. Diese Worte stehen im vorherigen Eintrag. Und genau so empfinde ich diesen vorherigen Eintrag auch. Warum stellt sich die Autorin mit so einer unsachlichen, unqualifizierten und aggressiven Schreibweise nur so ins Abseits? Dahinter gehen die – zugegeben vorhandenen, wenn auch wenigen – guten Argumente total unter. Aber die Positionierung der Autorin, die so deutlich gegen die „übelsten Konservativen Kräfte“ spricht, macht es deutlich: Aus ihr sprechen die „übelsten linken Kräfte“, die mindestens genauso schädlich sind.

  3. Nein!
    Dieser Text ist eine peinliche, schmierige Ranschmeiße an die übelsten Konservativen Kräfte die uns alle wieder zurück an den Herd wünschen. Bravo, wohl von der CSU bezahlt! Nur weil früher etwas NOCH SCHLECHTER war, sollen wir das Maul halten und nicht sagen, was uns schwer fällt und wovon wir träumen? Und ja, vielleciht träume ich davon, auch mal wieder auszugehen. Es ist widerlich, wenn nun eine Katharina kommt, und mir vorschreiben will, dass ich gefälligst brav und still sein soll.

    Mit der GLEICHEN logik könnte man nämlich auch sagen: Ihr wollt einen Mindestlohn, Ihr Postboten? Seid doch froh, dass Ihr überhaupt einen Lohn habt, nach dem Krieg gabs gar nix. Ihr wollt Rechte, Ihr Schwulen? Seid froh, dass Ihr nicht eingeknastet werdet, wie damals. Ihr wollt einen Betriebsrat? Opa hatte damals keinen in der Wehrmacht, na und!

    Also ich habe selten etwas so Dummes und Unfaires gelesen wie diesen selbstgefälligen Blogeintrag und bitte, liebe Mit-Mütter, geht der Autorin nicht auf den Leim.

  4. Naja …
    Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Daran zu denken, dass es Menschen gab und immer noch gibt, denen es schlechter geht wegen Krieg, Gewalt oder Hunger lässt zwar die Größe und Gewichtung eigener Probleme neu gewichten, aber davon verschwinden sie nicht.

  5. Ja, es wird viel gejammert!
    Ja, es wird viel gejammert! Aber es ist nicht Lösung, die eigene Situation mit der anderer zu vergleichen, um das Jammern zu stoppen. Keine Frage, dass die Kriegsgeneration unvorstellbar schlimme Dinge erleben mussten, aber für mich kann das doch kein ‚Trost‘ sein, so nach dem Motto: Es gibt viele Menschen, denen es schlechter geht, also empfinde ich Dankbarkeit!
    Eltern zu sein kann die schönste Aufgabe sein, aber es ist sicherlich auch eine der fordernsten!
    Wer Trost darin sucht, dass es anderen schlechter geht oder ging, der kann zu seinen Kindern, die am Esstisch maulen, auch sagen: ‚Sei dankbar für deine Mahlzeit, Kinder in Afrika verhungern.‘
    Ich kenne kein Kind, dass anschließend fröhlich alles aufgegessen hätte.

  6. Danke!!!
    Gerade sitze ich hier in der Küche und schäme mich gewaltig!!! Ich habe sogar Tränen in den Augen, liebe Katharina!!! Weil ich so oft denke wie anstrengend es mit meinen beiden Rackern ist…ich wünsche mich so oft ganz weit weg…und vergesse dabei so oft dankbar zu sein!!!!
    Hab ganz lieben Dank für deinen schönen Text!!! Und ich wünsche dir eine schöne Geburt und starke Nerven für die Zukunft;o)
    Liebe Grüße,
    Kirsten

  7. So ist es.
    Vor allem bleibt doch bei all dem Meckern überhaupt keine Luft mehr, um zu erkennen was für ein wunderbares Geschenk unsere Kinder sind!

  8. Jammern befreit!
    Ja, es ist der Wahnsinn, was Mütter bereit sind zu leisten. Wie sie ihre Kinder durchbringen. Wie sie ALLES geben, um ihrem Nachwuchs die besten Voraussetzungen zu bieten, dass deren Leben einen erfolgreichen Start hat.

    Ich bin auch so eine Mama, ich tue wirklich mein Bestes, ich stehe hinter meinen Kindern, kämpfe wie eine Löwin für sie.
    Aber ich bin auch noch ich selber. Und es hilft nichts, ich bin auch manchmal neidisch auf kinderlose Paare, die mal eben abends spontan weggehen, die mal ein Wochenende nach Italien fahren, einfach so.
    Manchmal ist es sehr frustrierend, Mama zu sein. Besonders, weil man erst in 20 Jahren sagen kann, ob man den Karren komplett in den Dreck gefahren hat oder ob man seinen Job ganz gut gemacht hat und die Kinder ohne größere Macken aus ihrer Kindheit hervorgegangen sind… 😉

    Und wenn ich dann so frustriert bin, dann jammere ich auch ganz gern mal rum. Und dann ist es mir kurz mal ganz gleich, dass meine Uroma bei Kriegsende mit meiner 6jährigen Oma über die grüne Grenze aus dem Sudetenland geflüchtet ist (wovor ich große Achtung habe und überaus dankbar bin), dann will ich einfach jammern und mein Los beklagen und schimpfen und ein bißchen Schultergeklopfe und Lob hören, ein „Du machst das gut!“ und ein „Das wird schon wieder“, und dann geht das Leben wieder weiter und es ist alles wieder gut. Jammern befreit manchmal, zumindest mich, ich bin doch kein Roboter, Menno….

    Dennoch würde ich den Artikel oben sofort unterschreiben, Kinder sind eine wunderschöne Aufgabe und ein besonderes Geschenk!! Und ich danke Gott fast jeden Tag dafür, dass ich sie habe. In diesem Sinne, danke für die Gedankenanstöße!! 🙂

  9. Dankbarkeit
    Mir begegnet vil Mitleid, als Alleinerziehende hätte ich’s besonders schwer. Nun bin zwar nicht im Krieg oder ähnliches, finde den Energieabfall schon auch mühsam. Dennoch betone ich immer: ich WUSSTE was auf mich zu kommt! Dauerhaft gibt’s da nichts zu meckern!! Der Artikel zeigt die Jammergesellschaft die ja nicht nur bei den Kindern motzt!!! Wie schön ist das denn, hätte man uns oder andern Generationen, gezeigt Kinder seien nicht Willkommen??!! Meinen Kind habe ich vom SSTest an, meine Freude vermittelt und den kleinen Menschen Willkommen geheissen. 🙂

    In Brasilien meinte mail ein Taxifahrer, ob ich Kinder hätte? Damals 23 war mir das zu früh. Er meinte: „Es gibt zwei wichtige Dinge im Leben. Kinder zu haben und ein Buch schreiben.“

    Mein Kind hat mich nur zum positiven verändert. Jetzt bin ich vollends Frau und darf Dehmut üben mit einem Kind voller Wunder der Entwicklung, Gedankengänge,…dieser bedingungslosen Liebe!

    Lass uns ja zum Leben sagen wie ein Kind.
    Alles Gute für die Geburt & weitere Berichte!

  10. Danke
    Mädels, danke für diese Serie und dir Katharina, danke für diesen tollen Auftackt. Tue was du tust. BÄM!
    Ich wünsche dir eine entspannte Geburt.

  11. Genau
    Ganz toller Text! Genau so ist es doch!!! Mich regt dieses ewige Gejammer auch wahnsinnig auf! Wir haben es so gut und so einfach in Deutschland. Alles nur Luxusprobleme.

  12. Wunderbar
    Ich habe Gänsehaut bekommen. Du hast so recht.
    Das ganz eigene Leben, was man vorher hatte, gibt es nicht mehr. Es gibt im engeren Sinne nicht mehr das Ich allein. Die Gedanken kreisen immer um das Kind. Das Muttersein lässt Gefühle frei, von denen man keine Ahnung hatte, dass man sie haben könnte. Diese unmittelbare und bedingungslose Mutterliebe konnte ich mir vorher nicht vorstellen. Sie ist mit keinem anderen Gefühl vergleichbar!
    Es würde was fehlen im Leben!

  13. Klasse!
    Klasse Text! Ich bin auch so ne Jammertante. Weil ich immer alles ganz perfekt haben will. Weil mich der Alltag mit Baby und Kleinkind schafft. Weil ich meinen Beruf vermisse. Und vielleicht auch, weil ich nicht weiß, wie es ist, zu hungern, zu flüchten, zu frieren. Zum Glück.

  14. So ist es
    Toller Text! Genau ist es.

    Eine wunderschöne Geburt und eine Tolle erste Zeit mit zwei Kleinen!