Nach Omas Tod entwickelte Luisa eine Angststörung

Angststörung

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Ihr Lieben, wir wissen oft nicht, was Trauer mit Kindern macht. Die einen möchten viel reden oder weinen öfter, andere verschließen sich, manche entwickeln eine Angststörung, wieder andere werden aggressiv. Als Meikes Mutter – und damit Luisas geliebte Oma – stirbt, entwickelt die 9-Jährige heftige Ängste. Wie die Familie damit umgeht, erzählt Meike hier.

Liebe Meike, heute geht es um deine Tochter. Erzähl mal ein bisschen, was für ein Kind deine Tochter ist…

Luisa ist eine „ganz normale“ 9-Jährige. Sie geht in die dritte Klasse, ist eine gute Schülerin, hat viele Freunde und viele Hobbys. Sie ist kontaktfreudig und immer in Bewegung. Sie ist allerdings auch sensibel und hat zum Beispiel oft schlechte Träume.    

Nun sind bei deiner Tochter Angststörungen aufgetreten. Wann hast du das das erste Mal bemerkt?

Meine Mutter ist im Sommer letzten Jahres verstorben. Sie hatte neun Monate zuvor eine Krebs-Diagnose bekommen, und es war dann schnell klar, dass die verbleibende Zeit begrenzt war. Sie hat ganz in der Nähe gewohnt, wir haben sie meist täglich gesehen. Außerdem hat sie uns viel unterstützt, war einmal die Woche nach der Schule hier (ich habe dann lange gearbeitet) und hat auch am Wochenende auf die Kinder aufgepasst, wenn mein Mann und ich etwas vorhatten. Sie war also für unsere Kinder eine wichtige Bezugsperson.

Nach dem Tod wirkte es so, als trauere Luisa nur wenig, was mir da schon merkwürdig vorkam. Ein Jahr vorher war meine Tante gestorben und um die hatte Luisa ganz viel geweint und ihr auch noch lange Zeit Briefe geschrieben usw.. Nach dem Tod meiner Mutter hatte Luisa das dann nicht. Klar war sie traurig, aber diese „große Trauer“ (die ich erwartet hatte) blieb bei ihr aus. Ich denke, dass Luisa ihre Trauer zurückgehalten hat, weil es mir nicht gut ging. 

Wie hat sie sich dann verändert?

Im Spätsommer ging es dann los, dass Luisa ständig müde war, sie sagte sogar Spiel-Verabredungen ab. Außerdem war sie motzig und stritt sich oft mit uns. Es ging dann damit weiter, dass sie es oft irgendwie allen recht machen wollte und sich immer viel entschuldigt hat. Außerdem konnte sie sich schlecht entscheiden (Eine Frage wie „Zum Mittagessen Nudeln oder Suppe?“ war dann oft schon zu viel).

Es gab zu der Zeit aber auch Streit in der Klasse mit zwei eigentlich guten Freundinnen, worunter sie auch sehr gelitten hat. Im Spätherbst kam sie dann irgendwann mal von der Schule und weinte bitterlich. Sie wäre immer so müde und kaputt und könnte gar nichts mehr machen. Ich bin daraufhin mit ihr zum Kinderarzt gefahren und habe das Blut checken lassen. Ich wollte körperliche Ursachen ausschließen.

Der Ärztin habe ich vorher erzählt, dass Luisa diese Müdigkeit nun schon so lange hat. Sie wusste auch über den Tod meiner Mutter und den Streit mit den Freundinnen Bescheid. Im Gespräch mit der Ärztin äußerte Luisa sich dann gar nicht zum Tod von Oma, sondern da ging es eher in Richtung „Kummer wegen Freundinnen“.

Wie ging es dann weiter, wann stand die Angststörung im Raum?

Noch später im Herbst (im November oder eventuell schon Anfang Dezember) fing sie dann an, tausend Mal am Tag „Ich habe Dich lieb“ zu sagen. Außerdem äußerte sie ab da auch manchmal Verlustängste. 

Nach den Weihnachtsferien ist sie dann am ersten Tag wie immer zur Schule gegangen, nachmittags war eine Freundin zum Spielen da, die beiden sind zusammen zum Hobby gegangen. Am Dienstagmorgen war ihr dann schlecht und sie hatte Bauchschmerzen. Ich war ganz klar der Meinung, dass sie keine Lust auf Schule hatte (Ferien sind ja viel gemütlicher ;-)).

Mein Mann hat sie dann zur Schule gefahren, und sie hat es nicht geschafft, aus dem Auto auszusteigen und in die Schule zu gehen. Sie war richtig panisch, hat geweint und immer wieder gesagt, dass sie das nicht kann. Am Mittwoch dann das Gleiche noch mal. Sie wollte eigentlich zur Schule, aber es ging einfach nicht. Am Donnerstag haben wir es immerhin auf das Schulgelände geschafft, Freitag in den Klassenraum. Mehr war aber nicht möglich. Auch ihre Hobbys würde sie absagen, wenn wir nicht mitgingen (und vor Ort blieben!). 

Wie ging es ihr und euch damit?

Wenn sie es nicht in die Schule schafft, weint sie viel und macht sich Vorwürfe, hält sich für das blödeste und dümmste Kind. Sie schreibt dann Briefe und entschuldigt sich bei uns. 

Diese Woche war sie am Montag und Dienstag in der Schule. Wir waren zu den Pausen da und so ging es einigermaßen. Mittwoch hätte keiner von uns zur letzten Pause kommen können (wir arbeiten ja auch noch). Das hatten wir ihr gesagt, und das hat sie scheinbar so aus der Fassung gebracht, dass sie Mittwochmorgen wieder total neben sich stand und es nicht geschafft hat, in der Schule zu bleiben (sie saß sogar schon im Klassenraum und ist dann doch wieder raus zu meinem Mann – und dann mit nach Hause).

Luisa weiß, dass das alles damit zusammenhängt, „dass Oma nicht mehr da ist.“ Sie kann das sehr klar sagen. Sie sagt, sie hat Angst, dass mein Mann oder ich sterben und deswegen will sie nicht, dass wir weggehen. „Wenn jemand stirbt, ist es als wenn mir einer ein Stück vom Herz rausreißt“. Sie weiß also selber sehr gut, wovor sie Angst hat. 

Wie geht es ihr ganz aktuell?

Wenn man nichts davon weiß, wirkt sie wie jedes andere Kind auch. Man merkt ihr nicht an, dass etwas nicht stimmt. Wir haben es bis Ende Januar nun so eingerichtet, dass wir sie morgens zur Schule bringen können und dann auch etwas Zeit haben, dort zu bleiben. Auch zu den Pausen können wir dort sein. 
Zu den Hobbys werden wir sie erstmal begleiten. Wir denken, dass es gut ist, wenn sie weiterhin den Hobbys nachgehen kann – vielleicht schöpft sie dadurch wieder mehr Mut.

Wie ist diese Situation für dich als Mutter? Wie versuchst du, ihr zu helfen?

Wir kuscheln viel zu Hause und versuchen, ihr Geborgenheit zu geben. Sie soll wissen, dass wir hinter ihr stehen und für sie da sind und dass es okay ist, wenn man ein Problem hat und dass wir das gemeinsam wieder in den Griff bekommen.

Es ist aber echt sehr schwer. Wir sehen ja, wie sie leidet und wollen ihr natürlich helfen. Wir merken auch, dass sie unsere Anwesenheit gerade echt braucht und dass ihr das Kraft gibt. Da wir aber beide arbeiten (mein Mann Vollzeit, ich Teilzeit), können wir diese „24-Sunden-Betreuung“ nicht wochenlang aufrechterhalten. Diese Ungewissheit macht uns schon Angst.  

Habt ihr euch schon externe Hilfe geholt? 

Der erste Gang war zur Kinderärtin, die uns dann an die Kinder- und Jugendpsychatrie verwiesen hat. Dort haben wir zum Glück sehr zeitnah einen Termin bekommen. Wir sind sehr gespannt darauf und unsere Hoffnung, dass Luisa dort geholfen werden kann, ist groß. 

Wie reagiert euer Umfeld?

Der Klassenlehrer ist verständnisvoll. In Luisas Freundeskreis läuft bislang alles wie bisher. Luisa hat sich zum Beispiel heute auch zum Spielen verabredet. Es muss dann eben alles bei uns stattfinden, damit sie in für sie sicherer Umgebung und einer von uns in der Nähe ist. Ansonsten wissen es noch nicht so viele aus dem Umfeld, da wir ja noch „ganz frisch“ mit dem Problem umgehen müssen. 

Was ist deine größte Angst vor den nächsten Wochen?

Die größte Sorge ist, dass Luisa es wirklich dauerhaft nicht schafft, in die Schule zu gehen. Davon hängt so viel ab. Der Kontakt zu den Kindern tut ihr gut, das Spielen auf dem Schulhof, das Lachen und einfach mit den Freundinnen zusammensein. Sie kommt auch laut den Lehrern weiterhin gut mit, was den Schulstoff angeht. Den müssten wir ja sonst zu Hause halbwegs nachholen, was ihr (und mir) keinen Spaß macht. 

Was wünscht du dir für die nächsten Wochen?

Ich wünsche mir, dass Luisa diese Ängste schnellstmöglich überwinden und wieder ein normales Kinder-Leben führen kann.

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2 comments

  1. Eine Frage: wurde bei der Blutuntersuchung auch auf Zöliakie getestet? Die Symptome können wie bei einer Angststörung sein. Wir hatten auch schon einen Termin beim Kinderpsychologen wegen starker Ängste, unsere Tochter wollte nicht mehr zur Schule gehen und auch sonst nirgendwo mehr alleine bleiben. Nur zu Hause mit uns fühlte sie sich sicher. Dazu kam eine permanente Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit, woraufhin unser Kinderarzt glücklicherweise eine Blutuntersuchung angeordnete. Dabei wurde Zöliakie entdeckt. Seitdem sie sich glutenfrei ernährt, ist sie wieder ganz die alte. Energie, Selbstvertrauen und Lebensfreude sind zurück. Nur so als Hinweis, dass manchmal eben doch etwas organisches dahinter stecken kann 😉

  2. Das kommt mir alles sehr bekannt vor. Auch bei uns ist meine Mutti sehr plötzlich über Nacht im Oktober 2021 gestorben. Ich bekam einen Anruf von meinem Vater und musste noch in der Nacht los, um ihm bei zu stehen. Mein Mann blieb mit unseren Kindern zu Hause. Nach 3 Tagen kam ich mit meinem Vati zu uns zurück und ab dann konnten wir alles gemeinsam geplant machen. Meine Eltern leben 2 Stunden entfernt. So ziemlich seit diesem Tag bleibt meine Tochter nicht 1 Minute alleine zu Hause. Sie geht wahnsinnig ungern zu Freundinnen und möchte ihrem Hobby nur noch nachgehen, wenn wir dabei sind. Was glücklicherweise auch geht, da ich im selben Verein Mitglied bin. Sie war auch 8, als meine Mutter starb. Wir richten es immer so ein, dass jmd. sie zur Schule bringt oder holt. Wir haben zum Glück noch einen älteren Sohn, der das auch oft mit übernimmt, da ihre Schulen nebeneinander sind. Mit ihm bleibt sie am Nachmittag auch mal zu Hause, wenn wir noch arbeiten. Wir telefonieren dann immer kurz, wenn sie angekommen sind. Leider ist unser Hort nicht sehr verständnisvoll, dass sie deswegen nicht alle Aktivitäten mit machen kann, wenn wir es dann nicht hin bekommen , sie ab zu holen. Sie verstehen nicht, dass sie nicht alleine gehen kann. Es wird langsam besser, sie geht jetzt auch mal mit zu neuen Freundinnen, wenn sie eine Telefonuhr mit hat und so jederzeit mit uns in Kontakt treten kann. Aber am liebsten lädt sie zu uns ein. Sie hat es auch schon geschafft, alleine beim Opa zu übernachten und bei den anderen Großeltern, da hat sie erst viel geweint, aber es haben alle viel Verständnis und gehen ganz liebevoll mit ihr um. Wir reden viel über Oma und so, wie es auch mit und meinem Vati immer besser geht mit der Situation, so löst sich alles auch bei ihr. Wir sind zuversichtlich. Ich wünsche Euch ganz viel Kraft!

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