Dein Kind hat Angst vor der Klassenfahrt? Hier gibt´s Tipps von der Lehrerin

Klassenfahrt

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Ihr Lieben, neulich hatten wir hier eine Leserfrage zum Thema Klassenfahrt, es ging darum, ob man sein Kind dazu anhalten sollte, mit auf die Klassenfahrt zu fahren – auch wenn es Angst davor hat oder noch nie woanders geschlafen hat. Daraufhin hat sich Jasmin bei uns gemeldet, sie ist Grundschullehrerin und hat schon viele Klassenfahrten begleitet. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie man Kinder für Klassenfahrten stärken kann:

Liebe Jasmin, du bist Lehrerin. Erzähl mal ein bisschen was über dich…

Ich bin seit rund 20 Jahren Lehrerin und arbeite derzeit an einer 2-3 zügigen Grundschule im ländlichen Bereich. Davor war ich auch schon an Grundschulen in der Kleinstadt tätig. Für gewöhnlich fahren wir an meiner Grundschule im Frühjahr des 4. Schuljahres auf „große Fahrt“. Unsere Reiseziele sind immer maximal eine Stunde Busfahrt vom Heimatort entfernt. Das Reiseziel und auch der genaue Reisezeitpunkt stehen meist schon im 1. oder 2. Schuljahr fest, sodass Eltern und Kids sich lange darauf einstellen können.

Du hast eben schon die Klassenfahrten angesprochen. Immer wieder haben Kinder Bammel vor den Klassenfahrten. Zuerst mal: Warum sind Klassenfahrten toll und wichtig für die Klassengemeinschaft?

Ich finde, dass eine Klassenfahrt die Kinder noch einmal ganz anders zueinander bringt, die Klassengemeinschaft profitiert eigentlich immer davon. Es macht allen Spaß, vorher gemeinsam Pläne zu schmieden (wer teilt sich mit wem ein Zimmer, was müssen wir alles mitnehmen, was wollen wir machen, etc.). Vor Ort lernt man sich nochmal ganz anders kennen. Man teilt sich ein Zimmer mit Kindern, die man – vielleicht abgesehen von der besten Freundin oder dem besten Freund – vorher noch nicht so gut kannte und merkt dabei, dass man ganz gut zusammenpasst.

Es schweißt die Gruppe zusammen, wenn man gemeinsam so ein Abenteuer erlebt und geschafft hat. In den Wochen nach einer Klassenfahrt erlebe ich oftmals viel weniger Streitereien in der Klasse und einen stärkeren Zusammenhalt. Die Nachbereitung einer Klassenfahrt (z. B. das Erstellen einer Zeitung mit Fotos) sorgt dafür, dass alle Kids noch lange gemeinsam von diesem Erlebnis zehren.

Wenn mein Kind aber nun große Angst davor hat – welche ersten Schritte sollten Eltern dann machen?

Auf jeden Fall die Klassenlehrerin informieren! Ich möchte das als Lehrerin wirklich gerne im Voraus wissen und kann dann oft schon gemeinsam mit den Eltern oder dem Kind überlegen, wie wir das gemeinsam wuppen könnten. Ich glaube, dass es dem Kind auch besser geht, wenn es weiß, dass ich von seinem Heimweh und seiner Angst weiß.

Es kann auch helfen, dass die Eltern mit ihrem Kind schon im Voraus die Jugendherberge und den Ort besuchen. Dann hat das Kind ein Bild vor Augen, wo die Reise hingehen wird und die Angst vor dem „großen Unbekannten“ wird minimiert. 

Welche kleinen Dinge können helfen, um Kinder die Trennung besser zu überstehen?

Das ist wirklich sehr unterschiedlich. Grundsätzlich habe ich da schon sehr verschiedene Dinge erlebt, erlaubt ist da (zumindest bei mir) so gut wie alles. Je nachdem, was das Kind sich wünscht, kann das ein Familienfoto sein, ein Kuscheltier sowieso, ein Kuschelkissen, ein Kleidungsstück mit dem Geruch der Eltern, ein kleiner Schutzengel, das Nachtlicht aus dem eigenen Kinderzimmer, das gewohnte Einschlafhörspiel, usw. Ein täglicher Anruf zu Hause (z.B. von meinem Handy) wäre für mich in Einzelfällen auch in Ordnung. Es kann aber auch kontraproduktiv sein, am Telefon Mamas oder Papas Stimme zu hören. Da muss man gut abwägen.

Wie gehst du als Lehrerin damit um, wenn ein Kind auf Klassenfahrt schlimm Heimweh hat?

Zunächst einmal versuchen meine KollegInnen und ich ein so cooles Programm für die Kids zu planen, dass wenig Zeit für Heimweh aufkommen kann. Ein erfüllendes Tagesprogramm kann wahre Wunder wirken und super vom Heimweh ablenken. Auch abends muss man gut aufpassen, dass es noch ein bisschen was für die Kids zu tun gibt (Disco, Spieleabend, etc.), um nicht in ein „Heimweh-Loch“ zu fallen.

Die kritischste Phase ist meist das Zubettgehen. Da habe ich schon oft am Bett gesessen und Tränen getrocknet oder in den Arm genommen. Es haben auch schon manche „Heimweh-Mäuse“ im Etagenbett über mir geschlafen, manchmal sogar zu zweit mit der besten Freundin im Arm (in dem Fall waren es Mädels). Richtig toll finde ich es, wenn das gesamte Zimmer sich um das betroffene Kind kümmert und mit allen Mitteln versuch zu trösten. Sooo rührend, wie sich Kinder gegenseitig umeinander kümmern können.

Wann wäre für dich der Punkt erreicht, dass du das Kind abholen lässt?

Dass Kinder Heimweh haben und auch mal weinen, kommt auf JEDER Klassenfahrt vor. Oft versuchen bereits die Freunde (oder die ganze „Zimmer-Mannschaft“) das betroffene Kind zu trösten. Wir LehrerInnen reden gut zu, nehmen das Kind „an die Hand“, es darf bei uns Erwachsenen sein. Das hilft oft schon. Wenn ein Kind wirklich dauerhaft nur noch weint, es ihm vielleicht sogar schon deshalb schlecht geht (Bauchweh etc.), dann bespreche ich mich mit dem Kind. Wie könnte ich dir helfen? Was ist dein Wunsch? Möchtest du wirklich abgeholt werden? Manchmal binde ich auch die Eltern in diese Entscheidung mit ein. Ich rufe bei ihnen zu Hause an, schildere die Lage und frage, was sie ihrem Kind zutrauen.

Wie „schlimm“ ist es dann, wenn ein Kind es eben nicht schafft und abgeholt werden muss?

Grundsätzlich finde ich es überhaupt nicht „schlimm“, wenn ein Mitfahrer-Versuch doch irgendwann scheitert. Im Vorfeld bespreche ich aber mit allen, dass niemand dafür ausgelacht wird. Das ist mir sehr wichtig (und hat auch bislang gut geklappt). Ich glaube schon, dass Kinder im Nachhinein traurig darüber sind, wenn andere von Abenteuern erzählen, die sie selbst verpasst haben.

Und wie wachsen Kinder, wenn sie es schaffen?

Ich habe schon so viele stolze Kinder bei der Rückkehr aus dem Bus steigen sehen. Es macht einfach stolz und glücklich, wenn man das geschafft hat. Außerdem hat man eine ganze Menge zu erzählen. Grundsätzlich reifen alle Kids an einer Fahrt ohne die Eltern, egal ob mit oder ohne Heimweh. Es ist doch auch ein großer Schritt, sich von A-Z selbst organisieren zu müssen, Absprachen mit der Zimmergemeinschaft treffen zu müssen, Tischdienst zu haben etc.

Oft sind die Eltern ja selbst sehr unsicher und haben auch Bammel: Wie kannst du ihnen Mut machen und was willst du ihnen sagen?

Ihr Lieben, euer Kind ist keinesfalls das Einzige, welches noch niemals woanders übernachtet bzw. Heimweh hat! Wirklich nicht! Ich erlebe es immer wieder, dass Kinder auch im 4. Schuljahr noch nie alleine auswärts geschlafen haben (auch nicht bei den Großeltern). Schämt euch nicht dafür, sondern steht zu eurem Kind und seinen ganz individuellen Bedürfnissen. Und bitte bitte erzählt uns LehrerInnen davon rechtzeitig. Auch andere „Sorgen“ rund um euer Kind habt nicht nur ihr allein. So gibt es Kids, die kaum mehr als 5 Lebensmittel essen mögen, nachts noch eine „Klingelhose“ tragen, niemals ohne XY einschlafen können etc. Für alles findet sich eine Lösung, wenn man nur darüber spricht. Ich wünsche euch und euren Kids Mut! Ihr schafft das!

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5 comments

  1. Toller Umgang der Lehrerin 🙂 ich hoffe, dass dies bei unserer auch der Fall sein wird demnächst…
    Wie steht‘s um das Thema nachts einnässen/Windel tragen?? Hat jemand seitens Lehrperson und/oder betroffener Familie Erfahrungswerte, wie man es für das Kind so gut wie möglich gestalten kann? Beste Freundin weiß Bescheid. Lehrerin würden wir mit ins Boot holen. Im Zimmer werden noch mehr Mädels sein…sie hat jetzt schon Sorge viele Monate vorher. :/
    Ich bin dankbar für Tipps !

    1. Hallo Sina,
      unsere Lehrerinnen besprechen vor jeder Fahrt mit der ganzen Klasse, dass das eben vorkommen kann, weil Menschen unterschiedlich sind, und kein Grund ist, sich zu schämen oder andere zu verspotten. Genauso, wie Heimweh haben und ggf. weinen oder abgeholt werden müssen. Da hier jahrgangsübergreifend 1-3 unterrichtet wird, gibt es eigentlich auf jeder Fahrt Kinder, die das betrifft und es war nie ein Problem.
      Wir sind mit einem anderen „Problem“ betroffen, auch das wurde mit der Klasse vorher ohne große Aufregung und ohne Namen zu nennen besprochen und die Lehrerinnen haben mit unserem Kind besprochen, wie alle gut damit umgehen können.
      Insofern: Wenn es eurer Tochter jetzt schon Sorge macht, dann sucht jetzt schon das Gespräch mit der Lehrerin, die hat das mit Sicherheit schon erlebt und weiß, wie es gut funktionieren kann.

  2. So ein spannender Bericht 🙂 Wie gehen Lehrer denn zu solchen Events mit starker Nahrungsmittelallergie eines Kindes um? Unser Sohn ist noch in der Kita, aber die Klassenfahrten machen mir jetzt schon Sorgen. Er reagiert bereits auf leichte Spuren. Brot, Brötchen, Müsli, das „kontaminierte“ Buffet … oje oje. Wird er überhaupt mitfahren dürfen? Muss ggf. ein Elternteil mitfahren?

    1. Liebe Melinda! Vielleicht kann ich dir deine Angst etwas nehmen 😊.
      Heutzutage sind viele Jugendherbergen schon auf bestimmte Lebensmittelallergien eingestellt (zum Beispiel Erdnussallergie, Zöliakie).
      Ich kann nicht für alle Jugendherbergen sprechen, aber „unsere“ Jugendherberge hat das richtig gut im Griff. Für gewöhnlich setzen sich die Eltern rechtzeitig vor der Klassenfahrt mit dem Küchenteam der Jugendherberge in Verbindung und klären alle Besonderheiten. Es ist auch möglich, seinem Kind vorbereitete Speisen mit auf die Klassenfahrt zu geben. Diese werden dann vom Küchenteam (gekühlt) aufbewahrt und zu den Mahlzeiten ggf. erwärmt.
      Das Lehrerteam weiß ja in der Regel bereits von der Allergie, sollte aber bei der Planung mit ins Boot geholt werden 😉.
      Deinem Sohn wünsche ich irgendwann eine gute Klassenfahrt mit tollen Erlebnissen!

    2. Melina, hat euer Sohn Zöliakie? Unser Sohn hat Zöliakie und es war bisher auf keiner Klassenfahrt ein Problem. Ich war ebenfalls sehr besorgt immer vorher, aber es war alles gut. Und auch bei ihm hätte man es sofort gemerkt. Ich habe vorher immer in Absprache mit der Lehrkraft rechtzeitig in der Einrichtung angerufen und dann eine Woche vorher nochmal dran erinnert. Ich drücke die Daumen

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