Liebeserklärung an Berlin: Eine Zeitreise in unsere Vergangenheit

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Die Landmama mit einer Stadtgeschichte? Jawohl! In NRW sind die Herbstferien nun (fast) schon wieder um und in der ersten Woche waren wir in unserer alten Heimat! In Berlin.

Wir wohnen jetzt seit dreieinhalb Jahren auf dem Land, für mich klingt das nicht sonderlich lang, für unsere Kinder ist es aber bereits das halbe Leben. Halb Städter, halb Ländler.

Was ist aus der Zeit hängen geblieben bei ihnen, aus der ersten Hälfte ihres Lebens, das fragte ich mich. Wir haben extra eine Ferienwohnung in unserem alten Kiez genommen, das war auch für uns so schön – wie heimkommen.

Eine Zeitreise. Schau mal, hier hab ich mit Dir Deinen ersten Babykurs besucht, ach und da haben wir manchmal Croissant gegessen, ach, und weißt Du noch, wie Du hier vom Gerüst gefallen bist?

Es war eine unglaubliche emotionale Achterbahn für mich, alles kam wieder hoch. Das alte Leben, die alten Gewohnheiten, die Überforderung, oft allein mit drei Babys/Kleinkindern unterwegs zu sein, die Freude, an den Plätzen, an denen ich viel Zeit verbrachte und tolle Spielplatzgespräche führte. Die Müdigkeit, die sich wie ein klebriger Schweißfilm auf die Haut gelegt hatte, damals, als ich noch frei Kinder wickelte und zwei davon stillte. Der Kaffeegeschmack, der das Gefühl gemildert hatte, Tag für Tag. Dazu aber auch der Gedanke: Oh Gott, war das schön damals!

Als sie noch auf den Arm wollten und kuscheln und verschmierte Babygesichter hatten und diesen einmaligen Kind-Geruch auf dem Kopf und die Schnuller im Mund und das Laufenlernen und das Umfallen und Wiederaufstehen. Alles vorbei. Alles Vergangenheit. Das wurde mit erst dort wieder richtig bewusst. Die Epoche Kleinkind ist beendet. Die Epoche Berlin Vergangenheit.

Ich musste schluchzen, als wir das Kiezkind am Helmholtzplatz betraten. Wie viele Stunden, Tage, Wochen hatte ich dort mit meinen Kindern verbracht. Es sah noch alles aus wie früher, draußen Kinderfahrzeuge, drinnen feuicht-warm mit dem Geruchmix aus Feuchttüchern, Sand und Kaffee. Nur meine Kinder sahen nicht mehr aus wie früher, sie hatten sich verändert. Sie krochen nicht mehr unbeholfen über den Boden, sondern gingen aufrecht mit tief hängender Hose durch den Laden. Die Zwillinge konnten sich nicht mal erinnern, riefen: "Voll cool, ein Indoor-Sandkasten." Und diese leckeren Franzbrötchen dort!

Ich ging in Tränen zur Kellnerin und sagte: "Au weia, ich habe hier sehr viele Jahre verbracht bei Euch und jetzt war ich drei Jahre nicht hier. Und die Arme wusste gar nicht, wie ihr geschah." Hach.

WAR das toll damals. Einfach in den Tag reinleben, die Kinder packen und mit dem Zwillingswagen samt Kiddyboard für die Große zum Kiezkind fahren. Menschen treffen, einfach sein, spielen, reagieren, trösten, quatschen. So erinnere ich mich. Doch es fühlte sich damals sicherlich anders an. Da gab es auch Gedanken wie: Werde ich je wieder einen Job haben? Werden die Kinder je groß werden? Wann kann ich endlich wieder durchschlafen? Aber im Nachhinein wirkt es auf mich einfach nur schön und erfüllend. Wie das halt so ist. Bei vielen, denke ich.

Unsere Jungs waren drei als wir wegzogen, sie erkannten kaum etwas wieder. Nicht einmal die Eingangstür unsreres alten Hauses: "Hier haben wir gewohnt? Was?"

Wir haben dann unsere alten Nachbarn besucht, es war wie früher, bis auf den einen Satz: "Es ist so ruhig geworden hier ohne Euch!" Unsere Kinder kannten sich nicht mehr. Sie hatten früher nachmittagelang zusammen gespielt. "Wie hieß der Nachbarsjunge?", fragten sie vorher. Die Erinnerung war vermeintlicch weg. Doch dann sahen sie sich und innerhalb von Sekunden verschwanden sie alle zusammen, zum Spielen. Sonst brauchen sie länger. Ob sie sich unterbewusst doch an ihn erinnerten?

Wir besuchten auch am Tag darauf Freunde und es war dasselbe. Wie heißen die Kinder? Wir hatten damals viel Zeit mit ihnen verbracht und wieder: Die Kinder sahen sich und da war sofort: Freundschaft. Also seien sie nie getrennt gewesen, dabei hatten sie grad noch nach dem Namen gefragt.

Wir gingen an der Schule vorbei, auf die unsere Kinder jetzt gehen würden, wären wir nicht weggezogen. Wir trafen Freunde, die wir öfter sehen würden, wenn wir nicht gegnagen wären. Wir besuchten Plätze und Orte und Läden, die unsere Nachbarschaft wären, wenn…

Und dann fuhren wir mit wohlig warmem Herzen zurück in unsere neue Heimat, auf's Land. Aufgetankt von der Vergangenheit. Und sahen die schönen Plätze, an denen wir uns jetzt täglich aufhalten und die lieben Freunde, die nun zu unserem Leben gehören und merkten, dass wir nichts verloren, sondern nur dazugewonnen haben.

 

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3 comments

  1. Oh Mann…
    …jetzt sitze ich hier und heule… Ich vermisse das Kleinkindleben auch so sehr. Damals habe ich vieles als sehr anstrengend empfunden, das weiß ich, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin. Aber in der Erinnerung bleiben sonnige Nachmittage auf dem Spielplatz, der Große buddelt, die Kleine zufrieden an der Brust. Auf dem Heimweg dann noch ein Eis an der Ecke. Überall befreundete Familien mit kleinen Kindern, keine Verabredungen, einfach ab zum Spielplatz, sind ja eh alle da. Heute ist vieles einfacher, die Kinder selbständiger, wir dadurch viel unabhängiger, aber die Kleinkindzeit ist so besonders und unwiederbringlich, dass ich ihr immer nachtrauern werde.

  2. Heimweh…
    Schluchz! sitze hier in Dubai und lese diesen Beitrag… Kietzkind & Co, war das schön früher. Das Kinder sind jetzt 12,9 und 5 und alle haben gefühlte Jahre ihres Lebens in Prenzlauer Berg verbracht. Ich vermisse Berlin! XXX Julia

  3. Schön 🙂 Hab ein Tränchen im
    Schön 🙂 Hab ein Tränchen im Auge. Vermisse Berlin auch…hätte es so gern mit meine Kleinen erlebt aber wie es so ist, leben wir in England. Hab Heimweh 🙁

    Nev