Wo sind all die großen Gefühle hin? Habe ich mich verloren?

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Ich heiße Juliane und bin 34 Jahre alt. Ich habe drei Kinder, bin glücklich verheiratet und berufstätig. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, wirklich. Wir haben keine finanziellen Sorgen, die Kinder sind gesund, mein Mann und ich verstehen uns nach 11 gemeinsamen Jahren wirklich noch gut. Und doch fehlt mir was. Und das sind diese großen Emotionen.

Lasst mich das genauer erklären: Neulich war ich bei mit den Kindern bei meiner Mutter zu Besuch. Sie räumt gerade den Keller aus und da fielen mir meine alten Tagebücher in die Hände. Ich setzte mich auf den staubigen Kellerboden und tauchte für zwei Stunden ganz tief in meine eigene Vergangenheit ein.

Ich kann es nicht anders beschreiben, als: Es haute mich um. Es haute mich komplett um, wie leidenschaftlich und tief ich mit 14/15/16 Jahren gefühlt habe. Jeder Streit mit Freundinnen sorgte für schlaflose Nächte. Die Art, wie ich über Jungs schrieb, so ausführlich, so genau, so ausufernd. Die Diskussionen mit meinen Eltern, meine Gedanken zur Schule, meine Träume – all das steht da und ist so lebendig beschrieben, dass mein heutiges Leben mir einfach nur langweilig vor kommt.

Früher habe ich in meinen Emotionen gebadet, alles genau erlebt und gespürt – heute bin ich so rational, kühl und auch oft einfach im Funktionier-Modus. Neulich zum Beispiel bekam ich die Bestätigung, dass ich eine Weiterbildung mit Auszeichnung abgeschlossen hatte. Ich las das, freute mich kurz und ging die Kinder baden. Früher feierte ich eine gute Note und freute mich wirklich von Herzen.

Oder: Eine Mutter eines Kitafreundes meines Sohnes und ich haben in den letzten Jahren viel Zeit zusammen verbracht. Wir hatten uns richtig gerne, waren Freunde. Dann wurde ihr Mann nach Süddeutschland versetzt und der Kontakt bracht ab – obwohl wir uns natürlich versprochen hatten, dass dies nicht passiert. Als ich realisierte, dass meine einstige Vertraute nun einfach aus meinem Leben verschwunden ist, dachte ich: „Ja, so ist das leider. Lebensabschnittsgefährtinnen eben.“

In meinem Tagebuch dagegen heulte ich 24 Seiten darüber, als meine Freundin Hanna in der 10.Klasse ein Jahr in die USA ging. Wir schrieben uns Briefe, vermissten uns, die Trennung schien mir unerträglich.

Natürlich gab es auch in jüngerer Vergangenheit emotionale Highlights – die Geburten der Kinder zum Beispiel. Oder die Einschulung des Ältesten. Wobei wir da schon beim Problem sind. Alle emotionalen Highlights standen im Zusammenhang mit den Kindern. Was mich selbst betrifft, bin ich irgendwie fast…abgestumpft.

Ich mache mir viel zu wenig Gedanken darum, wie ICH mich fühle, wie ICH Dinge sehe, was ICH vermissen, was ICH toll finde, was ICH noch erleben will.

Mein Tagebuch von damals ist schrecklich egoistisch, wenn man es nüchtern beobachtet. Ich beschäftigte mich fast ausschließlich mit mir selbst, meinen Gefühlen, meinen Wünschen, meinem Leben. Alles dramatisch, alles emotional – so wie das eben als Teenager ist.

Und natürlich weiß ich, dass auch das nicht „gesund“ wäre, würde ich mit 34 genauso nur um mich selbst kreisen wie damals. Aber ich frage mich schon: Wo sind all diese tiefen Gefühle hin? Wo ist Lust, Vermissen, Verzweiflung, Freude, Trauer, Wut – wo ist das alles hin und wann?

Warum ist momentan alles so seicht, so gleich, so ohne große Tiefe? Nochmal: Ich bin nicht unglücklich, aber so richtig richtig glücklich aus tiefstem Herzen wohl auch nicht.

Ich würde so gerne wissen: Wie geht es anderen Frauen in meinem Alter und meinen Lebensumständen? Könnt Ihr nachvollziehen, was ich versuche zu beschreiben? Oder haltet Ihr mich jetzt für überzogen? Ich freue mich auf Austausch.

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23 comments

  1. Liebe Juliane, mit großem Interesse habe ich deinen Artikel hier auf dem Blog gelesen. Du schreibst sehr emotional über deine „gedankliche“ Vergangenheit und ich lese darin einen gefühlsbetonten Zwiespalt aus deiner (selbstformulierten) egoistischen Jugendzeit und deiner heutigen Selbstfindung bezüglich deiner Persönlichkeit. Im Leben, selbst mit einem*r Partner*in und Kindern, sollte immer genug Platz bleiben um auch genügend Zeit für sich selbst zu finden. Eine gewisse Selbstsüchtigkeit sollte kein schlechtes Gewissen auf den Plan rufen – deshalb investiere ruhig etwas Zeit in dein eigenes Leben und lasse dabei solch einen Satz…

    „Ich mache mir viel zu wenig Gedanken darum, wie ICH mich fühle, wie ICH Dinge sehe, was ICH vermissen, was ICH toll finde, was ICH noch erleben will.“

    …hinter dir. Hast du dich einmal gefragt, warum du selbst so „zurücksteckst“? Ich finde es wichtig seine Persönlichkeit zu entfalten und sich selbst mal in den Vordergrund zu stellen. Nenne es meinetwegen „Auszeit vom Alltag“ – solche Tage braucht jede*r, einfach um wieder Kraft zu tanken.

    Mit dem Blick ins Tagebuch, sprichst du einen bedeutsamen Punkt an, der mir direkt den Anstoß gab auch mal wieder in meine frühen Anfänge meiner Tagebuchschreiberei zu schauen. Im Jahre 2001 habe ich damit begonnen meine Gedanken in einem Tagebuch niederzuschreiben und verliere mich heute gerne dabei zu lesen, wie ich mich damals gefühlt habe, welche Träume ich hatte und hoffte diese irgendwann erfüllen zu können. Dies zu lesen ist für mich teilweise eine regelrechte Achterbahnfahrt meiner Gefühle – so empfindsam, leidenschaftlich, viele „Wunschgedanken“, aber auch aufwühlend, bewegend und entschlossen.

    Meine Tagebucheinträge drehten sich zumeist um meine Familie, die alltägliche „Tretmühle“ (auch Leben genannt…!) oder erste heimliche Gefühlsregungen zu Jungs – zusammen mit der ersten Liebe, Trennungen und vielen Liebeseskapaden mit zu vielen Boys. Meine immer stärker werdende Weiblichkeit, verbunden mit „Irrungen & Wirrungen“ im Sinne von „…wie kann das sein?“. Diese (femininen) Gedanken füllten täglich einige Seiten meines Tagebuches aus und heute kommen mir stellenweise die Tränen wenn ich meine Entwicklung so niedergeschrieben verfolge.

    Ich finde es toll heute diese Möglichkeit zu haben, in diese Zeit zurückblicken zu können und mögliche Veränderungen zu sehen – und einen „Wandel“, in so vielen Dingen, kann ich heute in mir sehen und zudem sind einige Träume wahr geworden: ich bin als Frau in meinem Leben (seit Jahren!!!) angekommen, ich habe mich in einen Mann verliebt, habe eine wundervoll-unterstützende Familie und vertrauensvolle Freunde*innen. Es ist so schön heute so positive Dinge in mein Tagebuch schreiben zu können – ja, auch heute führe ich täglich Tagebuch!

    Ok, zurück zu Julianes Abschlußfragen a la:

    „Aber ich frage mich schon: Wo sind all diese tiefen Gefühle hin? Wo ist Lust, Vermissen, Verzweiflung, Freude, Trauer, Wut – wo ist das alles hin und wann? “

    Ich denke im Leben kommt irgendwann der Punkt wo sich eine gewisse Routine eingespielt hat. Man führt sein tägliches Leben, hat einen Partner*in den man liebt und vielleicht Kinder um die man sich liebevolle kümmert – alles davon benötigt Zeit und irgendwie läuft dabei immer alles seinen gewohnten Trott. Fragt euch doch mal selber, wie viel „experimentiert“ man in solch einer Lebenssituation? Sollte man Risiken eingehen, wenn doch alles super läuft? Warum dann nach Veränderungen oder Herausforderungen suchen?
    Auf gewisse Weise liebe ich den Status Quo, weil man seine Routinen kennt und weiß wie der Alltag funktioniert. Abenteuerlich ist das natürlich nicht und manches Mal tut eine gute Portion Spontanität gut – da ist es dann super, wenn der liebe Schatz direkt mal mit neuen Ideen enthusiastisch das Leben oder die Beziehung forciert.

  2. Ich kann es gut nach vollziehen… Unsere Brziehung ist gut wir funktionieren, ich erfreue micb an und mit den kindern… Aber mir fehlt das Gefühl des neuen, die Aufregung, das kribbeln, die vorfreude auf etwas… Es ist quasi ein richtiger hunger darauf

  3. Genau so geht es mir auch. Mir ist es auch ganz extrem beim Reisen aufgefallen, früher hat mich so viel wahnsinnig beeindruckt, ich wollte noch so viele Orte entdecken, das Gefühl ist im Moment irgendwie komplett weg. Man steht jetzt an einem schönen Ort, findet es auch schön, aber doch viel oberflächlicher als früher. Habe mich auch schon häufiger gefragt wann und warum ich so abgestumpft bin, wo die Sachen sind, für die man brennt. Vielleicht liegt es tatsächlich daran, dass man als berufstätige Mutter von drei Kindern ständig so viele Erwartungen von außen bedient, dass für die eigenen, ganz tief innen liegenden Bedürfnisse gerade gar kein Platz ist… Bin gespannt, ob sich das vielleicht noch einmal ändert wenn man wieder etwas mehr Zeit für sich hat…

  4. Puh, es ist nicht lange her, da fühlte ich mich noch genauso. Ich hab gedacht mein „ich“ ist weg. Ich war beruflich erfolgreich, als Mama durchorganisiert und präsent, als Hausfrau fleißig und bemüht, alles wie bei Pinterest aussehen zu lassen, als Ehefrau aber unnahbar & sehr emotionslos – als „ich“ einfach nicht mehr da. Alles spitzte sich zu, ich war traurig, frustriert, hilflos, ausgelaugt, bekam Rücken & Bauchschmerzen durch all diesen Stress & suchte mir einen Coach der aufräumt. Das ist jetzt 8 Monate her & ich bin wieder da!!! Ich hab keinen Druck mehr von Außen, perfekt abzuliefern, die perfect mom zu sein, gab die Erwartungen an alle heruntergeschraubt. Ich höre hin, wenn Kind oder Mann mit etwas hadern, ich höre Musik, tanze beim putzen, knutsche mit meinem Mann & spüre endlich wieder mein „ich“.

    1. Hallo Marcy, das finde ich sehr spannend. kannst du mir sagen wo du so einen coach gefunden hast? ist das jemand der sich mit beziehungen auseinandersetzt oder nach was muss man suchen? ich würde mich mit dem Thema gerne mal beschäftigen…

      1. Ich bin gerade durch Zufall auf diesen Artikel gestoßen und durchlebe gerade die gleiche abgestumpfte Gefühlswelt und mache mir viele Gedanken darüber, warum das so ist und wie man dem Ganzen entkommen bzw. entgegenwirken kann.
        Mich würde das Thema mit dem Coach auch interessieren. Wer ist dafür geeignet? Auf was muss man achten?

  5. Wir werden erwachsen. Und Erwachsensein bedeutet leider angepasst zu sein, Geld zu verdienen und Verantwortung zu übernehmen. Das lässt unser Leben grau werden und stumpft leider die meisten von uns ab. Extreme Höhen und Tiefen in der Gefühlswelt würden unter Erwachsenen anecken. Trotzdem nie das Kind in einem verlieren. Wenn Regenbögen einen zum Lächeln bringen, man Marienkäfer bestaunen kann und sich über die schönen, kleinen Dinge im Leben freuen kann, dann ist immer noch das Mädchen bzw. der Junge in einem.

  6. Ich kann mich so gut wiedererkennen in diesem Beitrag (wie ja auch die meisten Kommentatorinen vor mir). Als ich meine Doktorarbeitsprüfung mit einer sehr guten Note bestanden hatte – bin ich „zur Belohnung“ in ein Klamottengeschäft und habe meiner damals 1-jährigen Tochter ein Steiff-Outfit gekauft, welches ich mir sonst nie gegönnt hätte 😉 Ein paar Jahre zuvor hätte ich wohl dauergrinsend eine Nacht in der Disco durchgetanzt…
    Rein medizinisch betrachtet sind bei Jugendlichen die Bahnen im Gehirn zwischen Amygdala/Hippocampus (= Bereiche für Gefühle) und Frontalhirn (= Bereich des rationalen Denkens) weniger ausgebildet als bei Erwachsenen. Das heißt die Gefühle werden ungefilterter direkt wahr genommen – das ist ja genau das, was du beschreibst (und hilft vielleicht auch die Pubertät der eigenen Kinder entspannter zu durchstehen – sie können einfach nichts für ihr Verhalten 😉 ). Zudem verändert sich das Gehirn nachweislich während der Schwangerschaft nochmals – die Bereiche für „soziales“ (z.B. Wahrnehmung der Gefühle anderer usw.) werden deutlich prominenter, was möglicherweise erklärt, warum wir uns mehr auf andere konzentrieren. (Für mitlesende Medizinier: ja, das ist jetzt sehr vereinfacht dargestellt, erklärt aber den Kern der Sache)
    Insgesamt ist das vermutlich ganz gut so. Was hätten wir als Jugendliche wohl mit einem kleinen Wesen gemacht, das uns zum vierten Mal in der Nacht aus dem Schlaf reißt, schreit, Hunger hat und den ganzen Schlafsack vollgepinkelt hat, weil mal wieder die Windel ausgelaufen ist? Vermutlich hätten wir es nicht verliebt angeschaut, geherzt und geduldig alle Spuren beseitigt, wohl wissend, dass 2 Stunden später das Spiel von vorne los geht. Die Natur hat das schon ganz gut eingerichtet.
    Aber auch ich bin traurig, dass man nicht mehr so intensiv fühlt wie früher. Mir hilft es manchmal Musik aus der Jugendzeit zu hören. Die Musik ist für mich am engsten mit Gefühlen verknüpft – für andere sind es vielleicht Gerüche oder ähnliches. Aber zu Narcotic (von Liquido – nicht die neue weichgespülte Version) durch das Haus zu hüpfen (am Besten noch zusammen mit meinem Mann), lässt mich doch ein bisschen die Gefühlswelt von damals nochmal spüren.
    Wenn die Gefühle bewusster erlebt werden, müssen wir vielleicht auch bewusst versuchen uns Freiraum für Gefühle zu schaffen und bewusst Dinge tun, die uns gut tun (wie ja hier auch schon angeklungen ist).
    Und wenn ich mir manche „älteren Damen“ anschaue, hoffe ich dass die Konzentration auf mich und meine Gefühle/Bedürfnisse später wieder zunimmt, wenn die Kinder aus dem Haus sind 🙂

  7. Liebe Juliane, genau die gleichen Gedanken habe ich mir auch vor kurzem gemacht!
    Ich bin 39 und habe von meinem 11. Lebensjahr bis etwa Mitte/Ende 20 viel Tagebuch geschrieben. Auch ich habe den Eindruck, dass ich früher Gefühle viel intensiver erlebt habe, und dass mein emotionales Erleben im Hier und Jetzt im Vergleich dazu ganz schön abgeflacht und fast etwas schal geworden ist. Wenn ich denke, was für eine Euphorie ich früher bei tollen Liedern im Radio oder Kinofilmen empfunden habe, die mich begeistert haben. Oder wie unglaublich glücklich ich beim Reiten oder Skifahren war. Mit dem Skifahren ist es inzwischen eher so, dass ich mir denke, „Ja, macht schon Spaß, aber die ganze Ausrüstungsschlacht nervt tierisch und hoffentlich verletze ich mich nicht“. An die Stelle der großen Gefühle ist eine oft eher sachliche, rationale Haltung getreten.

    Als positiven Kontrast dazu stelle ich gleichzeitig fest, dass ich mich viel mehr – wie hier auch schon jemand geschrieben hat – über kleine Dinge freuen kann. Über schöne Hortensien in einem fremden Garten oder den extraleckeren Keks, den ich im Café zu meinem Cappuccino bekomme. Zuletzt habe ich festgestellt, dass ich mich auch sehr über kleine nette Begegnungen mit Fremden freue. Kürzlich hat mein Sohn aus dem Kinderwagen heraus dem Fahrer eines Müllautos zugewinkt und der Fahrer hat nicht nur zurückgewinkt, sondern extra für ihn gehupt. Seit ich meinen Sohn habe, haben solche schönen Situationen mit Fremden massiv zugenommen und ich genieße das sehr, mich mit anderen – gerade auch, wenn ich sie nicht kenne – so verbunden zu fühlen.

    Ich habe auch die Feststellung gemacht, dass meine positiven Gefühle in Situationen stärker sind, in denen ich in irgendeiner Form was neues mache oder vom gewohnten Pfad ausschere. So war für mich vor einiger Zeit die Freude und Begeisterung beim Ankommen an einem komplett neuen Urlaubsziel deutlich intensiver als beim Ankommen an einem Ort, der sehr schön ist, aber wo wir schon mehrmals waren.
    Mit meinem Sohn war ich lange sehr unsicher und bin fast nur in der Nachbarschaft spazieren gegangen. Ich habe mich riesig gefreut und war stolz auf mich, als ich mit ihm dann mal einen Ausflug in die Innenstadt mit Picknick im Stadtpark gemacht habe.
    Es tut mir auch gut, ab und zu spontane Dinge zu machen, die mir ansonsten zu aufwändig, zu kurzfristig oder zu sonstwas wären. Ich glaube, dass sich z.B. Freude nicht selten dann einstellt, wenn man gar nicht so unbedingt damit rechnet.

    Als Fazit für mich persönlich kann ich sagen, dass bei mir ein sehr „routinierter“ und eingefahrener Alltag und eine eher ängstliche Haltung dazu führen, dass sich stärkere positive Gefühle eher nicht einstellen. Mir gezielt „Mini-Abenteuer“ zu suchen oder spontan zu sein, kann dem aber entgegen wirken. Und davon abgesehen genieße ich tatsächlich die kleinen Freuden des Alltags sehr und bin froh, dafür ein Auge und ein Gespür zu haben.

    1. Wow! Was ein toller Bericht. Ich sitze hier und denke darüber nach. Sehr intensiv. Und ja, ich bestätige Deine Denkweise. In allen Punkten. Ich war auch solch eine emotionale Tagebuch Schreiberin in meinen Teenager Jahren. Ich habe alles immer sehr intensiv erlebt. Nach tollen Parties oder Urlauben war ich immer wehmütig, weil die Zeit vorbei war. Jetzt, ich bin fast 41 u seit 6 Jahren alleinerziehend, versuche ich immer solch ein hoch emotionales Gefühl noch einmal zu erleben. Es gelingt mir nicht mehr. Warum ist das so? Vielleicht liegt es an bereits gesammelten Erfahrungen. Als Teenie war das für uns alles neu. Küsse, Sex, Leidenschaft, Freunde, erste Wohnung… was auch immer. Es war alles neu. Jetzt kennen wir all dies schon. Ich denke, dass Erfahrungen uns daher einfach „abstumpfen“ lassen. Und die Empathen, die wir offenbar sind, suchen einfach diese „alten“ Gefühle, die für uns wie eine Droge sind…
      Danke fürs Nachdenken 🙂

  8. Ich denke, es ist einfach ganz typisch für die Pubertät, dass die Emotionen einen überrollen.
    Wenn man älter wird, wird man rationaler.
    Ist für mich wie mit den Beziehungen.Das anfängliche Bauchkribbeln, die Schmetterlinge und die rosarote Brille weichen einer tieferen, ehrlicheren Zneigung, wenn man langjährig zusammen ist. Das ist im Alltag dann zwar manchmal langweilig, aber unterm Strich wohl dennoch mehr wert als das oberflächliche Wolke 7 High.
    Ich würde es daher andersrum sehen. In meiner Teeniezeit war ich aufgrund des Hormoncocktails der mich durchflutete, in einer ständigen emotionalen Achterbahnfahrt. Jetzt, mit Mitte 30, bin ich ruhiger. Finde ich auch okay.

    1. Hallihallo, wow ich bin gleich zweimal erstaunt. Zuerst, dass ich mich in diesem Text total wiederfinde und als zweites, die Tatsache, dass du/ihr und ich ein komplett unterschiedliches Leben führen. Ich bin 32, Single und habe keine Kinder und habe auch oft diese abgestumpften/abgeklärten Gefühlsregungen bei positiven als auch negativen Ereignissen. An alle die jetzt denken, der Grund für meinen Gefühlszustand sei, weil ich eben nicht verheiratet und kinderlos bin – das ist völliger Quatsch, ich bin zufrieden mit meinem Leben und könnte mir auch grad keine Kinder vorstellen. Und die Tatsache, dass sich offensichtlich auch viele Mütter so fühlen, bestätigt das.
      Ich glaube es liegt – wie einige Vorkommenatorinnen vor mir schrieben – daran, sich selbst wieder zu finden. Falls jemand weiß, wie das funktioniert, meldet euch bei mir 🤣

  9. Danke für diesen Artikel, ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen und finde es auch mutig, sie aufzuschreiben und anderen zugänglich zu machen, denn ich denke, es gibt so etwas wie einen „Glücksmaximierung-Erwartungsdruck“ – von innen wie von außen.
    Seit ich Mutter bin, ist mein Endlichkeitsbewusstsein sehr stark ausgeprägt und die Kombination aus „wir haben so wenig Zeit“ und “wir müssen das Beste rausholen“ stimmt mich manchmal ganz melancholisch. Der Alltag lässt kaum Raum, mal die Beine baumeln und die Gedanken schweifen zu lassen, was zumindest bei mir selbst immer dabei geholfen hat, mich und das Leben zu fühlen.
    Ich weiß nicht, wie eine Lösung aussehen könnte. Vielleicht hat das Glück in dieser Lebensphase einfach eine andere Gestalt und man wird später viel wohlwollender darauf zurückblicken (so wie heute auf die Zeiten der emotionalen Achterbahn, in denen wir uns wiederum zumindest manchmal nach mehr Sicherheit und Eindeutigkeit gesehnt haben….).
    Und vielleicht müssen wir mal alleine ans Meer fahren, tief einatmen und auf die Wellen schauen, das könnte auch dabei helfen, sich mit sich und den eigenen Gefühlen zu verbinden…

  10. Hallo Juliane,
    Oh, dazu gäbe es so viel zu sagen. Erstmal: nimm es nicht so schwer. Gefühle kann man nur einladen, nicht erzwingen. Das ist ein Satz, der mir in meiner Therapie sehr geholfen hat. Dazu braucht es Zeit und Raum. Und davon hatte man in der Jugend so viel! Das ist halt leider einfach als Mutter mit vielen Pflichten nicht mehr so. Außerdem ist das erste und zweite Erleben halt intensiver als das zehnte. Das heißt aber nicht, dass Du intensive Erlebnisse nicht mehr haben kannst. Ich denke, der Weg ist, Dir und Deinen Gefühlen Zeit und Raum zu verschaffen und Anregungen durch neue Erlebnisse.ich hab mal gelesen, das Glücksempfinden macht in der Rush Hour des Lebens einen Bogen nach unten. Also bis in die Zwanziger ist es hoch, dann kommt die Lebensphase, in der man alles wuppen muss, da geht es nach unter. Im Alter steigt es aber wieder an, wenn mWn wieder mehr Zeit für die Freude hat. Das ist doch ein kleiner Trost.

  11. Ich kann es Wort für Wort nachvollziehen. Ich frage mich auch öfter, ob ich abgestumpft bin und wo meine großen Emotionen hin sind. Und ich bin richtig, richtig erleichtert über diesen Blog-Artikel, denn ich denke oft, dass es nur mir so geht. Meine engste Freundin (die übrigens vielleicht auch bald weit wegzieht…) hat oft ganz nah am Wasser gebaut und sie hat auch nach vielen Jahren Mamasein so viel Empathie auch für die ganz kleinen „Leiden“ ihrer Kinder. Ich hab das weinen irgendwie überwiegend verlernt (und bedauere das wirklich) und wenn meine Kinder mit dem 37.000 Kratzer des Sommers ankommen, gehe ich viel zu oft eher kühl-genervt drüber weg. Und auch ich war früher das Gegenteil, meine Emotionen waren mein Leben, ich war auch Tagebuch-schreibwütig, dazu Briefe, Mails, Telefonate, jedes Treffen mit Freunden – alles drehte sich um Gefühle, die ich auch immer gut zeigen konnte. Und natürlich oft um meine, aber auch die der anderen konnte ich besser thematisieren und hatte selten Angst vor Emotionen der anderen. Heute bin ich auch da vorsichtiger und – leider – dadurch oberflächlicher. Und natürlich bin ich ein Stück weit auch froh, dass ich mich nicht mehr von allem so völlig mitreißsen lasse und dass es auch gut und wichtig ist, geerdet zu sein und sich selbst zurücknehmen zu können. Aber mir fehlt der Tiefgang. Ich will so gerne mal wieder richtig Freude oder auch Traurigkeit spüren, nicht nur so was wie „war nett“ oder „ja, schade“.

  12. Hallo Juliane, ich kann dich absolut verstehen. Auch ich habe diese aufregenden Tagebücher aus der Teenie-Zeit in meiner Erinnerungskiste und ich musste wirklich schmunzeln über dein „Eintauchen in die Vergangenheit“. Ich bin 36, habe 2 süße Kinder (2 1/4 Jahre und 9 Monate)und bin mit meinen Mann zusammen seit wir beide 18 waren. Natürlich ist unser Leben heute nicht mehr so aufregend wie mit 18. Aber ich bin unheimlich dankbar für alles und würde mich als glücklich bezeichnen. Mir helfen diese Reisen in die Vergangenheit mein Leben mit etwas Abstand zu sehen und mich wieder mehr darüber zu freuen, was ich habe. Früher hat man mal im guten alten Fotoalbum geblättert, schade, dass man das heute nicht mehr so macht. Wir machen das recht regelmäßig(Fotos auf dem PC/Handy, Fotobücher geben noch mal ein ganz anderes Gefühl) und es tut gut finde ich. All die Erinnerungen an schöne Zeiten und die Gefühle noch mal spüren. Und was mir auch hilft:immer ein Projekt haben. Klar Kinder, Hochzeit, Haus, das war sowieso aufregend, da erinnert man sich gerne dran und da waren auch große Gefühle. Und damit es weiter auch spannend bleibt, suche ich mir meistens schon ein neues Projekt, bevor das Vorherige abgeschlossen ist. Meine Familie kennt das und fragte mich 1 Tag nach der Geburt meiner Tochter, was als nächstes kommt :-)als Teenie kommen die Ereignisse von selbst, mit Mitte 30 hab ich das Gefühl ich muss mich selbst anstrengen-und das tue ich auch. Und meistens ist mein Mann mit von der Partie, gemeinsame Projekte finde ich sehr wichtig.Überleg mal, vielleicht fällt dir/euch was Spannendes ein-man sollte nie ohne Träume sein. Und ganz wichtig: wenn etwas Schönes passiert, man Erfolg hat, etwas geschafft hat: auf jeden Fall feiern! Das Gehirn braucht das, die Seele speichert es. Als Teenie haben wir alle unsern 18ten groß gefeiert, waren so stolz zB auf Führerschein, Auto, Schulabschluss, Volljährigkeit. Und dieses Feiern mit Freunden und Familie finde ich ganz wichtig. Auch wenn ich oft denke, wieviel Arbeit und Zeit es ist, Gäste einzuladen und zu feiern, es lohnt sich, das sollte man nicht vernachlässigen. Gefühle stumpfen ab, wenn man sie nicht fordert, das Gehirn gewöhnt sich dran, es ist ein Computer, der programmiert werden muss. Alles Gute!

  13. Also ich spreche niemandem seine Gefühle ab aber mit einem gewissen Weitblick des Älter werdens und der Tatsache dass man Mama ist und Kinder hat schätzt man doch auch die Kleinigkeiten von großer Bedeutung. Die friedlich schlafenden Kinder, die 5 Minuten ohne dass die Jungs übereinander herfallen. Überhaupt gesunde Kinder zu haben, in Zeiten von Pandemie den Luxus des eigenen Lebensraumes, Kontakt zur Familie, Freunden & Menschen überhaupt. Ich glaube das ließe sich endlos weiterführen, aber das Leben besteht ja nicht nur aus Konfetti & Feuerwerk…

    1. Ist es vllt Hormonell bedingt? Nimmst du zum bespiel die Pille oder andere hormonelle Verhütungsmittel?
      Hab nicht alle Kommentare gelesen, aber bei mir kann ich sagen: die großen Gefühle kommen wieder, wenn ich die Pille nicht nehme.
      Leider bin ich den Schwankungen dann so unterworfen, dass ich momentan lieber seicht durchs Leben dümpele und gut funktionierem kann. Aber das wird auch nur eine zeitlang so gehen.

  14. Liebe Juliane,
    eigentlich kommentiere ich eher weniger, doch deine Geschichte kommt mir nur allzu bekannt vor. Ich werde im August 30 und bin Mama von 2 Buben. Was soll ich sagen, bei mir lief es ähnlich. Ich hab mich immer auf große Projekte wie den Umbau unserer 1. Wohnung, dann die Geburt des 1. Sohnes und gleichzeitigem Studium, unsere Hochzeit, Hauskauf und die Geburt des 2. Sohnes und jetzt eigentlich den Umbau des Hauses sehr gefreut. Ohne irgendwelche Arbeiten dieser Art hab ich mich auch eher „verloren“ gefühlt. Ich bin mit meinem Mann 13 Jahre zusammen und kurz nach der Geburt von Bub 2, kam dann der große Knall. Wir haben uns zu wohl in unserer Lebenskiste gefühlt. Oder besser gesagt, ich hab mich wohl gefühlt, mich zufrieden gegeben, manche Dinge abgehagt, für die ich früher so leidenschaftlich war, alles was du erklärst sind ja irgendwie nur „Luxusprobleme“, die ich nur zu gut kenne. Genau wie du es auch beschreibst. Leider ist es mir nicht wirklich selber aufgefallen, ja, jetzt im nachhinein fällt mir auch auf, dass ich so lau war in vielen Dingen. Ich hab es leider auf die harte Tour lernen müssen. Mein Mann war scheinbar sehr unzufrieden und möchte sich eventuell trennen. Seit fast 7 Monaten kämpfe ich für unser Leben. Aber nicht für diese Kiste davor, sondern für was noch viel besseres. Klar soll man dankbar und zufrieden sein, mit dem was man hat und wenn alles auch irgendwie rund läuft, aber ich glaube man darf trotzdem von mehr träumen und auf mehr hoffen, mehr vom Leben erwarten. In meinem Fall, mehr von Gott für mein Leben erwarten. Dadurch wird man, glaube ich, wieder leidenschaftlicher. Man kann für eine noch bessere Ehe, eine noch bessere Bindung zu den Kindern, neue Hobbies usw. arbeiten. „Lebe mutig, offen, geradeaus“ stammt aus einem Lied von Jennifer und Martin Pepper. Und genau das wünsche ich dir. Sei mutig, probier Neues, vielleicht auch total verrückte Sachen aus. Mit deiner Familie, aber auch für dich alleine 😉 Ich hoffe, dass du deine Leidenschaft wieder findest…

  15. Ach, und was ich noch ganz wichtig finde ist, die gefühlten Emotionen ehrlich mitzuteilen. Wie oft passiert es uns, wenn wir gefragt werden „Wie geht es dir?“, dass zu dir dann sagen “ danke gut „. Erstelle zu antworten ich bin genervt, ich bin frustriert, ich bin verärgert… oder auch zu sagen ich freue mich ich bin entspannt oder ich finde es lustig dass…!
    Das haben wir in unserer Gesellschaft verlernt, offen und ehrlich unsere Gefühle mitzuteilen! Auch hier ist Bewusstsein gefragt und der Mut auch mal unangenehme Antworten zu geben . Oftmals ist es erstaunlich, was man bei solchen ehrlichen Antworten für Reaktionen von gegenüber bekommt. Also auch hier der Rat immer die eigenen Emotionen wirklich zu fühlen, in sich rein zu hören und das empfundene offen mitzuteilen.

  16. Ich befinde mich quasi in der gleichen Situation und kann deine Wort mehr als gut nachempfinden.
    Ich würde es so sehen, das wir oftmals unsere eigenen Emotionen einfach zurück stellen, weil keine Teit dafür da ist, sie zuzulassen. Zeit, Gewohnheit, Verantwortung und fehlende Ruhephasen hindern uns daran, tiefe Gefühle zu empfinden und diese bei Bedarf auch auszuleben.
    Ich denke das Achtsamkeit da helfen kann und der Wille, sich Zeit für sich selber zu nehmen um solche Emotionen wieder fühlen zu können und auch das Recht dazu diese auszuleben. Ich versuche das im Moment auf jeden Fall, weil sonst stumpfen wir irgendwann ab und das darf nicht sein!

    1. Hallo Juliane, fühle mich durch deinen Text in vielerlei Hinsicht angesprochen. Es ist schon komisch, wenn man selber bemerkt, dass man Situationen die einen vor Jahren noch tief berührt haben, jetzt relativ gefühlskalt zur Kenntnis nimmt. Ich selber drehe mich häufig selber nur noch im Kreis. Das ständige Funktionieren über Jahre hinweg, hat eben auch seine Spuren hinterlassen. Umso wichtiger ist es glaube ich, dass man sich selber Auszeiten nimmt, in denen man wirklich mal rein gar nichts tut. Oder genau das tut, auf was man gerade Lust verspürt. Sich einer Sache wirklich ganz und gar hingeben. Ein Bild malen oder eine tolle Wanderung unternehmen. Ich glaube das gedankliche Loslassen ist wichtig. Nur dann ist man in der Lage, seinen Emotionen den nötigen Freiraum zu geben, um sich zu entfalten. In den vergangenen Jahren als Mutter zweier Kinder habe ich gelernt immer zu funktionieren, alles unter Kontrolle zu haben. Aber ich bin auch häufig an Grenzen gestoßen und habe mich gefragt, muss das jetzt wirklich sein? Coronabedingt wurde von uns Eltern noch mehr gefordert, aber ich konnte die Zeit auch nutzen und wirklich mal wieder in mich zu gehen. Mich zu fragen, was will ich eigentlich genau? Mit welchen Menschen möchte ich in Zukunft meine wenige Zeit verbringen? Wir haben viel Zeit in der Natur verbracht und konnten dies bis jetzt auch fortführen. In einer Woche geht es in den Urlaub. In den vergangenen Jahren haben wir häufig Pauschalreisen gebucht. In diesem Jahr haben wir uns zu Beginn des Jahres bewusst für eine Ferienwohnung in einem kleinen Dorf in Italien entschieden. Ich hoffe wir können dort unsere Seele baumeln lassen und uns mal wieder spüren. In diesem Sinne wünsche ich dir einen wunderschönen Sommer, voller bunter Gefühle!

  17. Das finde ich mal einen superspannenden Artikel und freue mich sehr, heute Abende die Kommentare zu lesen! Danke!
    Ich kann spontan gar nichts dazu sagen…werd aber heute im Laufe des Tages darüber nachdenken!

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