Nein! Wir Mütter sind nicht immer an allem schuld!

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Neulich traf ich eine Bekannte beim Einkaufen. Meine kleinste Tochter saß im Kinderwagen und war äußerst schlecht gelaunt. Sie nölte, wollte nicht im Wagen bleiben und irgendwie war einfach alles blöd. Auf die Frage, wie es uns denn so gehen würde, sagte ich: "Ach eigentlich ganz gut, aber die Kleine ist gerade irgendwie schlecht drauf." Meine Bekannte nickte, sagte, sie kenne das und fragte: "Hast Du gerade schlimm Stress, so dass die Kleine Dich spiegelt?"

Ich weiß, meine Bekannte meinte das nicht böse, ganz sicher nicht. Sie wollte wahrscheinlich einfach nur helfen. Umso länger ich aber über diese Frage nachdenke, desto mehr ärgere ich mich über sie. Denn eigentlich heißt das mal wieder (überspitzt ausgedrückt): Du als Mutter bist wahrscheinlich schuld daran, dass das Kind schlecht drauf ist. 

Und dem möchte ich jetzt einfach mal ein lautes "NEIN, wir Mütter sind nicht an allem Schuld" entgegen rufen. 

Meine Tochter war schlecht drauf, weil ihr seit Wochen die Nase läuft und sie vielleicht einfach auch schon müde war. Und nicht, weil mir ein Abgabetermin im Nacken hängt. 

Ich bin da jetzt einfach mal so vehement, weil mir – wenn ich darüber nachdenke – ganz viele Szenen einfallen, in denen wir Mütter für alles verantwortlich gemacht werden. 

  • Fremdelt das Kind, liegt es wohl daran, dass die Mutter so schnell wieder arbeiten gegangen ist und das Kind dann umso mehr an der Mütter hängt, wenn sie da ist
  • Fremdelt das Kind, liegt es wohl daran, dass die Mutter sich entschieden hat, drei Jahre zu Hause zu bleiben und das Kind verzieht
  • Schreit das Baby am Anfang viel, ist die Mutter wohl unentspannt
  • Wirft sich das Kind wütend auf den Boden, liegt es wohl daran, dass die Mutter keine klaren Ansagen macht
  • Schläft das Kind nicht alleine ein, liegt es wohl daran, dass sie Mutter es nicht von Anfang an probiert hat
  • Isst das Kind nur ungern Gemüse, hätte die Mutter vielleicht früher mit Fingerfood anfangen sollen
  • Ist das Kind schlecht in der Schule, übt die Mutter wohl nicht genug Mathe mit ihm
  • Streiten sich die Geschwister, verteilt die Mutter vielleicht die Aufmerksamkeit nicht gerecht genug

Mich nervt das. Wie wäre es mit: 

  • Fremdelt das Kind, liegt es vielleicht daran, dass das Kind einfach etwas schüchtern ist
  • Wirft sich das Kind wütend auf den Boden, macht es das vielleicht, weil es in der Trotzphase ist und es einfach gerade zu der Entwicklung dazugehört
  • Schreit das Baby am Anfang viel, kann es vielleicht einfach nicht anders und ist ein High-Need-Baby
  • Schläft das Kind nicht alleine ein, ist es vielleicht einfach noch nicht so weit
  • Isst das Kind nur ungern Gemüse, wird es auch so groß werden und Geschmäcker entwickeln sich ja noch
  • Ist das Kind schlecht in der Schule, liegt seine Begabung vielleicht eher im Lesen als in Mathe
  • Streiten sich die Geschwister, liegt es vielleicht daran, dass sie sich einfach gerade doof finden

Jeder unterschreibt sofort, dass unsere Kinder eigene Charaktere sind. Wir beziehen sie früh mit ein, wollen ihnen nichts überstülpen und glauben, dass sie ihre eigene Meinung haben. Wenn es aber mal schlecht läuft, sind sie plötzlich ferngesteuerte Wesen, die nur unser Verhalten spiegeln?

Keine Frage: Natürlich hat es eine Auswirkung, wie wir als Eltern uns verhalten. Natürlich überträgt sich manchmal die Anspannung der Eltern auf die Kinder. Natürlich entwickeln sich Kinder aus einem liebevollen Umfeld anders als Kinder, die unterdrückt werden oder für die Eltern nie Zeit oder ein nettes Wort haben. Aber der absolute Großteil von uns gibt doch jeden Tag sein Bestes und unseren Kindern fehlt es an nicht Grundlegendem.

Also vielleicht haben die Kinder eben einfach auch mal einen miesen Tag, eine blöde Phase – ohne dass wir Eltern daran schuld sind.

Wobei – eigentlich wird die Verantwortung oft eher nur an die Mütter abgegeben. Jedenfalls hat mich noch nie jemand gefragt: "Ist die Kleine vielleicht schlecht drauf, weil der Papa gerade Stress im Job hat..?" 

 

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11 comments

  1. Mütter sind doch schuld
    allein schon deswegen, wenn Mütter denken, dass sie Vater und Mutter gleichzeitig für das Kind sind!!..

  2. Väter wollen auch Schuld sein!
    Hallo Katharina,

    Ich hoffe, dass die „Mütter-sind-an-allem-Schuld“-Diskussion besser wird, wenn Väter sich endlich mehr einbringen und es das normalste der Welt ist, dass beide alles tun. Das mindeste wäre dann, dass auch Väter an allem Schuld sind. Mal davon abgesehen, dass diese bekloppten Vorwürfe natürlich ohnehin nix wert sind.

    Ich hab hier mal aufgeschrieben, was wir dazu beitragen können.
    https://papamachtsachen.blog/2017/11/01/vaeter-lasst-uns-etwas-aendern/

    Liebe Grüße,
    Falk

  3. Ohhh wie ich es hasse. Haben
    Ohhh wie ich es hasse. Haben wir jedes mal wieder bei den Großeltern meines Mannes. Es werden dann noch noch die zwei Kinder der Cousine meines Mannes sehr herausgestellt. Die D. macht das ja so und so….. Da bekomme ich schon Herpes. Unsere Große hat eine Sprach Entwicklungsstörung. Warum weiß man nicht, sie ist ansonsten auf allen anderen Gebieten sehr fix und dadurch das wir früh gehandelt haben wird sie wohl mit Schuhleintritt austherapiert sein. Trotzdem ist es natürlich immer wieder Thema, und natürlich wird immer geschaut woran das denn liegen könnte. Das sie sehr früh trocken war, oder sehr früh ohne Stützräder schon Fahrrad fuhr, das wird z.b. gar nicht wahrgenommen. Und natürlich immer wenn mein Mann nicht dabei ist, kommen dann so Bemerkungen. Ich habe beim letzten mal meinen Mann alleine zum Besuch geschickt, ich bin im 8 Monat, da war die Ausrede nicht schwer zu finden.

  4. Danke
    Danke für diesen Beitrag, der mir aus der Seele spricht! Ich habe manchmal schon ein schlechtes Gewissen, wenn mir bei schlechter Laune meines Kindes nichs einfällt, warum ich Schuld sein könnte. 🙂

  5. Danke!
    Mein Kind (3) ist gerade etwas (sehr!) schwierig (und laut!), so dass dies auch Nachbarn und Bekannten auf dem Spielplatz und im Kindergarten auffällt. Daraufhin wurde ich gefragt, ob ich in der Schwangerschaft viel Stress gehabt hätte und darauf hingewiesen, dass so ein Verhalten des Kindes offensichtlich das Ergebnis einer schwierigen Schwangerschaft sei. 😀 Man kann ja so viel falsch machen als Mutter … 😉

  6. Du musst
    Wenn mir jemand einen Satz entgegen schleudert, der mit „Du musst (einfach) “ beginnt, empfinde ich das als übergriffig. Dazu hat einfach keiner das Recht. Ich sage meist „Ich muss gar nichts.“ Dann merken die Menschen, was sie getan haben und sind still.

  7. Oh ja
    Hallo, oh ja das kenne ich nur zu gut. Am allermeisten hasse ich den Satz: Oh, Du musst dem Kind einfach mehr Struktur geben, dann schläft es besser/ isst es besser/ trotzt weniger…. Da könnte ich aus der Haut fahren! Denn er impliziert ja, dass ich unfähig bin ganz banal einen Tag zu planen und alles besser liefe, wenn wir Punkt zwölf Mittag essen würden, Punkt sechs Abendessen auf dem Tisch steht! Grrrr!