Von der Kunst, keine perfekte Mutter zu sein

kluever portraet

Ihr Lieben, wir finden ja, es kann gar nicht oft genug gesagt werden: Mütter müssen nicht perfekt sein. Niemand muss perfekt sein. Unsere Männer nicht, unsere KInder nicht, unsere Nachbarn nicht – kein Mensch muss perfekt sein.

Trotzdem fällt es auch heute noch vielen schwer, sich einzugestehen, dass nicht alle Bereiche des Lebens gleichgut angepackt werden können. Ich kann zum Beispiel nicht basteln. Oder vielleicht könnte ich das sogar, aber es macht mir keinen Spaß.

Und als ich gestern am Telefon einer Redakteurskollegin erzählte, dass ich bestimmt viele Stärken hätte, dass Hausarbeit aber nun mal nicht dazu gehöre und ich da gänzlich untalentiert sei, da lachte sie ein Lachen, das mir zeigte: Wer ehrlich ist, entlastet auch andere.

Und genau das macht auch Nathalie Klüver vom Blog Ganz normale Mama. Ihr jüngstes Buch heißt darum: Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein (Affiliate Link). Wie man das schafft? Das haben wir die Autorin selbst mal gefragt…

Liebe Nathalie, du hast nicht nur gerade ein drittes Kind bekommen, sondern auch noch ein neues Buch geschrieben: Die Kunst, keine perfekte Mutter zu sein, heißt es. Was daran ist eine Kunst?

Die meisten von uns neigen dazu, Dinge so gut wie möglich erledigen zu wollen und dabei möglichst auch besser zu sein als andere. Das hat ja auch einen Vorteil: Ohne Wettbewerb und Besserseinwollen kein Fortschritt. Aber diese Einstellung sollte man der Wirtschaft und der Technik lassen – und im Privaten das Ganze gelassener angehen. Unser Familienleben ist doch kein Technologiekonzern, der im Jahrestakt neue Handys rausbringen muss, um der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein!

Ist es ein Problem, das sich Mütter heute zu sehr miteinander vergleichen oder woher kommt der Perfektionswahn?

Die Anzahl der Mütter, mit denen man sich vergleichen kann ist größer geworden als noch zu Zeiten unserer Mütter. Schuld daran: das Internet. Wie immer Fluch und Segen zugleich. Früher war da die eigene Mutter, die Tanten und ein paar Frauen aus dem Dorf oder Stadtteil. Heute redet einem die halbe Welt in die Erziehung hinein. Dazu kommen die sozialen Medien, in denen es meistens ums Gefallen und Darstellen geht. Die Instagramprofile mit den meisten Followern sind meistens die mit den pastellfarbenen, niedlichen Kinderzimmern, in denen irgendwie nie Legosteine und herausgerissene Puppenhaare herumliegen – und wenn dann adrett drapiert, wie es Kinder nie machen würden. Machen wir uns doch nichts vor: Eine Einhorn-Fondant-Torte  bekommt mehr Likes als ein schnöder Marmorkuchen. Und die süßen Kinderklamotten sehen mit Karottenbreiflecken und Matschspritzern nunmal nur noch halb so schick aus. Auch wenn wir uns sagen, das ist nicht die Wirklichkeit – das stellt etwas mit uns an, und zwar nicht nur unterbewusst.

Wie schaffst du es als Mutter, dich von der Meinung anderer frei zu machen? Oder tappst du auch noch manchmal in die Vergleichsfalle?

Ich mag sie ja auch gerne anschauen, die Bilder von den cleanen, schicken Kinderzimmern! Und dann schaue ich in unser Kinderzimmer, wenn ich überhaupt die Tür aufbekomme, sehe die Kuscheltiere auf dem Fußboden, die ausgekippten Eisenbahnschienen und das verteilte Bonbonpapier auf den verbliebenen Quadratzentimetern – und verspüre dann schon diesen Impuls „Alles raus, neu dekorieren, wir brauchen mehr Pastell!“ Geht mir genauso, wenn ich unser Esszimmer anschaue und über die Malsachen stolpere, die meine Kinder auf dem Weg ins Esszimmer verstreut haben. Aber dann ist auch gut. Es ist mit der Ordnung wie mit der Erziehung: Man kann es nie allen recht machen. Man kann nicht allen gefallen. Und deshalb sollte man es gar nicht versuchen. Das ist Energieverschwendung. Wir sollten unsere Energie lieber darauf konzentrieren, unseren eigenen Weg zu gehen. Auch wenn der mit Legosteinen und Wachsmalern gepflastert ist.

Merkst du da einen Unterschied vom ersten Kind (noch unsicher) zum dritten Kind (deinen Weg als Mama schon gefunden)?

Allerdings!  Man sieht es an der Menge der Erziehungsratgeber, die ich gelesen habe. Beim ersten Kind: Die gesamte Regalreihe Erziehung aus der Bibliothek. Und alle Ausgaben der Eltern.Und was sonst so rumlag. Beim zweiten Kind: nur noch den guten alten Remo Largo – die Babyjahre. Beim dritten Kind: keins. Ich denke nicht mehr über Schübe nach, ich rechne nicht nach, in welcher Woche jetzt welcher Schub anstehen müsste. Ich rechne nicht nach, wann mein Baby krabbeln, greifen, robben sollte. Sondern ich lasse alles auf mich zukommen und bin deutlich entspannter. Hab ich beim ersten Kind noch jede andere Babymutter gefragt, wie alt denn ihr Baby ist und dann nachgerechnet und mit meinem verglichen, denke ich nicht mehr über so was nach. 

In deinem Buch beschreibst du Muttersein auch als Gesundheitsrisiko. Liegt das auch daran, dass wir eierlegende Wollmilchsäue sein müssen, die nicht nur gut aussehen, sondern auch noch Karriere machen, den Haushalt sauber halten, gute Liebhaberinnen und Erzieherinnen ihrer Kinder sein sollen?

Und natürlich noch Chauffeurinnen auf dem Weg vom Reiten zum Harfenunterricht! Man könnte das fast als Nachteil der Emanzipation sehen: Früher hatten wir Haushalt und Kinder. Heute ist noch die Karriere dazugekommen. Und bei immer mehr Frauen sogar noch die Pflege der eigenen Eltern. Dieses verdichtete Leben kommt auch daher, dass wir immer später unsere Kinder bekommen. Und zwar in der Phase, in der wir gleichzeitig auch noch Karriere machen, ein Haus bauen und uns nebenher noch selbstverwirklichen wollen. Soziologen nennen das Rushhour des Lebens: Das sind die Jahre zwischen 30 und 45, in denen wir das alles unter einen Hut bringen wollen. Und durch die gestiegene Mobilität immer häufiger ohne die Hilfe der Großeltern. Früher lebten Oma und Opa eine Straße weiter und Oma hat sowieso nicht gearbeitet und konnte immer einspringen.

Warum bleibt denn wohl auch heute noch so viel an den Müttern hängen?

Es ist schon ein Phänomen: Vor der Geburt des ersten Kindes nehmen sich 60 Prozent aller Paare vor, zu gleichen Teilen arbeiten zu gehen und die Kinder zu versorgen, hat das Familienministerium rausgefunden. Doch dieser Vorsatz scheint irgendwie mit der Plazenta im Kreißsaal zu bleiben. Gerade 14 Prozent aller Paare gelingt das nämlich. Das hat viele Gründe: die mangelnde Vereinbarkeit. Die Tatsache, dass viele Männer die Besserverdiener sind und man auf das Einkommen nicht verzichten will. Aber auch die Tatsache, dass viele Frauen gar nicht wieder Vollzeit arbeiten wollen und deshalb den Spagat Teilzeit, Haushalt und Kind meistern. So geht es mir: Ich möchte gar nicht mehr als 5 Stunden am Tag arbeiten, denn ich mag die Nachmittage mit meinen Kindern.

Du zeigst in deinem Buch auch viele Wege raus aus der mütterlichen Erschöpfungsfalle. Was machst denn zum Beispiel du ganz persönlich, wenn du denkst: jetzt geht nichts mehr?

Ich bin da auch kein perfektes Beispiel. Ich bin ja Freiberuflerin und dadurch eigentlich ständig am Arbeiten. Aber ich bin mittlerweile besser darin, zu erkennen, wenn es zu viel wird. Und habe gelernt „nein“ zu sagen. Klappt auch nicht immer, aber ich bin wirklich besser geworden. Ich lege in stressigen Zeiten immer wieder ganz bewusste Pausen ein. Trinke in Ruhe einen Kaffee. Dusche ausgiebig. Verzieh mich mit dem Handy aufs Klo und verteile Herzen bei Instagram, einfach nur zum Abschalten. Und ich habe gelernt, Dinge einfach liegen zu lassen. Dann wird die Wäsche halt nicht in die Schränke eingeräumt und wir bedienen uns am nächsten Morgen aus dem Wäschekorb. Wenn man das ein paar Tage durchzieht, ist der Wäschekorb auch leer.

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