Ihr Lieben, Josua hat sich nach der Veröffentlichung von Mias inklusivem Schulstart bei uns gemeldet und schrieb: Hey Katharina, hey Lisa, danke für diesen Beitrag und dass ihr so zu Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen, ihren Angehörigen und den dazugehörigen Themen beitragt. Das bedeutet mir als behindertem Menschen unglaublich viel. Und da dachten wir: Hey, stellen wir Josua doch hier auch einfach mal vor.
Lieber Josua, du bist 28 und kamst schon mit einer Behinderung zur Welt. Kannst du sagen, mit welcher?
Ja klar, ich bin seit meiner Geburt querschnittsgelähmt. Konkret heißt meine Behinderung Spina bifida.
Hast du später mal mit deinen Eltern darüber gesprochen, wann sie davon erfahren haben und wie das für sie war?
Ja, ich habe mit meinen Eltern darüber gesprochen, kann nicht sagen, wann sie davon erfahren haben. Meine Eltern (und ich) sind gläubig. Von daher kam für sie nicht in Frage, mich nicht zu bekommen, auch wenn es aus ärztlicher Sicht angesprochen wurde.
Wie hast du deine Kindheit im Rollstuhl empfunden? Hattest du eine Sonderstellung oder konntest du recht unauffällig groß werden?
Im Kindergarten und in der Grundschule war ich in meiner Gruppe/Klasse der einzige behinderte Mensch. Natürlich gab es die ein oder anderen Blicke, Kommentare und Sprüche. Ich bin in Mainz geboren, damals hatten wir vor unserem Garten einen Spielplatz.
Natürlich bin auch ich nur ein Mensch und hatte auch immer mal Phasen, in denen auch ich gern mit den Kindern im Sand gespielt hätte. Ich war aber nie richtig traurig, sauer oder Ähnliches, dass meine Kindheit so war, wie sie war, dass ich eben nicht alles machen und mit machenkonnte. Da haben meine Eltern einen großen Anteil dran, dass ich meine Kindheit so empfinden durfte.
Hast du auch Erfahrungen mit Ausgrenzung und Mobbing gemacht oder lief das ganz gut?
Ja, ich habe auch erfahren müssen, wie es ist, ausgegrenzt und gemobbt zu werden. Sowohl körperlich (physisch), als auch seelisch (psychisch). Die Folgen aus dieser Zeit spüre ich bis heute.
Was empfandest und empfindest du als die größten Hürden in deinem Leben, sind es eher die äußeren Bedingungen wie fehlende Aufzüge oder zugeparkte Bürgersteige oder sind es eher die menschlichen Dinge, also Hürden im Kopf?
Ich formuliere es immer gern so: „Lasst uns als Gesellschaft zusammenwachsen und aufeinander zugehen, sodass die zwischenmenschlichen Barrieren immer kleiner werden und verschwinden, sodass die sichtbaren Barrieren verschwinden.“
Für mich sind die größeren Hürden die zwischenmenschlichen Dinge, da ich der Meinung bin, dass oft das Verständnis, die Sichtbarkeit und die Akzeptanz für gewisse Dinge in unserer Gesellschaft fehlt. Wären die da, so glaube ich, so würden die Menschen anders handeln. Von der Politik angefangen.
Du liebst es, Paralympics im TV zu schauen, welche Interessen, Leidenschaften und Hobbys hast du noch?
Ich mache viel Sport. Ich bin mit dem Handbike unterwegs, spiele Basketball und Tischtennis. Basketball habe ich am regelmäßigsten aktiv während der Ausbildung im Internat gespielt.
Du warst im Internat? In was für einem? Und wie erinnerst du dich an die Zeit?
Ich war im Berufsbildungswerk Oberlinhaus in Potsdam. Dort habe ich eine 3jährige Ausbildung zum Kaufmann für Dialogmarketing absolviert und habe während dieser Zeit unter der Woche (manchmal auch am Wochenende) im Internat gelebt. Es war eine lehrreiche Zeit. Nicht nur fürs Berufsleben, sondern auch menschlich.
Zurück zum Sport. Da hast du noch so einiges an Erfahrungen gesammelt.
Ja, im Sportunterricht habe ich wahnsinnig gerne Leichtathletik gemacht, war auch von der Schule aus auf Wettkämpfen.
Wie können wir uns das vorstellen? Bei Leichathletik denkt man ja gleich auch an Dinge wie Hochsprung und Co.
Naja gut, Hochsprung war es nun nicht ganz. Aber auf dem Sportplatz habe auch ich meine Runden gedreht und auch meine Sprints zurückgelegt. Weitwurf und Kugelstoßen zählten auch dazu, waren aber nicht meine Stärken. Aber apropos Hochsprung im Rollstuhl: Habt ihr schon mal Rollstuhlrugby gesehen oder wie ein Rollstuhlfahrer im Skatepark unterwegs ist? Es ist so vieles möglich!
Du warst auch eine Zeitlang Hockey spielen und Reiten. Letzteres geht aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, wieso genau?
Mir wurden (mittlerweile) beide Hüften operiert. Als ich mit Reiten aufgehört habe, hatte ich zu dem Zeitpunkt nur eine Hüfte operiert und eine versteifte Wirbelsäule. Dadurch bin ich nicht mehr so beweglich.
Du setzt dich voller Enthusiasmus für Inklusion ein, wie machst du das und welche Erfolge konntest du da schon erzielen?
Ich habe mich vor ein paar Jahren gefragt: „Hey Josua, warum arrangierst du dich mit so vielen Dingen im Leben und warum gibst du dich mit so vielen Dingen zufrieden?“ Dann habe ich mir Gedanken gemacht, was diese Dinge sind und überlegt, welche Dinge mir fehlen. Dann habe ich überlegt, wie ich die Menschen erreiche und relativ schnell kamen mir die Medien wie Fernsehen und Radio in den Sinn.
Von einer Journalistin/Reporterin/Moderatorin, von der ich großer Fan bin und die ich vor ein paar Jahren treffen durfte, wurde ich ermutigt, auch auf Social Media etwas zum Thema Inklusion zu machen. Ich selbst habe mich da nie gesehen, habe aber gedacht, wenn jemand aus der Medienbranche mich da sieht, deren Content (egal in welchem Medium) und Meinung ich sehr schätze, dann versuche ich das doch einfach mal. Gesagt, getan. Das Feedback, welches ich bekomme, ist echt schön und dafür bin ich sehr dankbar.
Welche Erfolge? Ich bin dankbar, dass ich schon ein paar Mal im Fernsehen und Radio zu dem Thema sein durfte. Wenn Menschen auf mich zukommen und sich bei mir bedanken für diesen oder jenen Beitrag, dass ich ihnen den Blick für das Thema oder Ähnliches schärfen konnte, dann ist das für mich der größte Erfolg. Ich allein kann nicht die Welt verändern, aber wenn ich das Herz eines Menschen mit dem Thema erreiche und sich bei ihm etwas ändert, bedeutet mir das viel mehr. Ich bin auch immer wieder auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, mich zu engagieren, ob klein oder groß.
Wenn du ein paar Wünsche frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Meine Lieblingskünstlerin ist Mandy Capristo. Ich durfte sie schon das ein oder andere Mal treffen, auf einem Konzert von ihr war ich leider noch nie. Das wäre natürlich toll. In Bezug auf das Thema Inklusion: Ich erwarte von niemandem, dass er Aufzüge baut, Bürgersteige freihält oder sie absenkt (sie sind nicht nur zugeparkt, es fehlt auch vielerorts an abgesenkten Bordsteinen) oder Ähnlichem. Erwarten tue ich schon gar nichts. Wünschen würde ich mir allerdings, dass wir als Gesellschaft offener miteinander umgehen, aufeinander zugehen, miteinander reden und Fragen stellen.
Worauf freust du dich ganz besonders in der näheren oder ferneren Zukunft? Welche Sehnsüchte und Vorfreuden schlummern da noch in dir?
Wie ich schon erwähnt habe, bin ich ja gläubig. Von daher mache ich mir gar nicht so viele Gedanken um meine Zukunft, weil ich weiß, da ist ein Gott der hat einen guten Plan für mich und mit mir. Hatte ich schon Mandy Capristo erwähnt und dass ich gern mal ein Konzert von ihr sehen würde? Das ist definitiv eine Sehnsucht und eine Vorfreude zugleich, gleichwohl ich noch nicht weiß, wann es soweit sein wird. Vorfreude ist die schönste Freude. Möge sie ganz lange anhalten.
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Danke für den wichtigen Beitrag, ich glaube, Sichtbarkeit ist der Schlüssel zu mehr Akzeptanz (auch wenn es natürlich traurig ist, dass diese von Teilen der Gesellschaft eingefordert werden muss!). Tolle Arbeit, Josua! Alles Gute 🍀