Down Syndrom: Unser drittes Kind wirbelte unser Leben durcheinander

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Mein Name ist Anne und ich möchte Euch heute von Fiona berichten. Fiona ist das berühmte ungeplante, völlig überraschende dritte Kind.

Unsere älteste Tochter wurde eingeschult und ich hatte für mich das Kinderthema abgeschlossen. Dann blieb meine Periode aus und ich ging zum Frauenarzt. Dort konnte man lange nichts Eindeutiges erkennen, es stand sogar im Raum, ob ich vorzeitig in die Wechseljahre gekommen sein könnte….

Mein Periode kam und kam nicht, ich fühlte mich zunehmend schwanger und in der 10. Schwangerschaftswoche zeigte der Test schließlich ein positives Ergebnis. Es war eine Überraschung für uns – aber eine sehr schöne.

Von Beginn an hatte ich ein seltsames Gefühl

Die Schwangerschaft verlief zunächst ohne Auffälligkeiten, wobei ich von Beginn das Gefühl hatte, dass es dieses Mal irgendwie anders ist. Ich konnte es aber nicht benennen oder begründen, das Gefühl blieb aber.

In der 22. SSW war ich dann zum 2. großen Screening in meiner Geburtsklinik. Da stellte die Ärztin fest, dass Fiona erweiterte Nierenbecken hat. Sie meinte aber auch, dass das gar nicht so ungewöhnlich sei und man es eben einfach engmaschig kontrollieren müsse. Sie sagte aber auch, dass es manchmal ein Softmarker für das Down Syndrom ist – sie könne aber keine weiteren Hinweise auf das Down Syndrom sehen.

Das Risiko von 1:6 war ein Schock

In der nächsten Kontrolluntersuchung stellte sich aber heraus, dass da doch etwas am Herzen ist und Fiona auch etwas zarter als üblich sei. Die Ärztin gab alle Werte ein und die Berechnungen ergaben, dass es ein Risiko von 1:6 für das Down Syndrom gibt.

Diese Nachricht war natürlich ein riesiger Schock. Ich weiß noch, dass ich wie in Trance meine anderen beiden Mädels von Schule und Kita abgeholt habe. Ich dachte immer: Down Syndrom? Wir? Das kann doch nicht sein…

Um Gewissheit zu bekommen, ließ ich eine Woche später eine Fruchtwasserspiegelung machen. Ich hatte große Angst vor der Untersuchung, aber ich wollte unbedingt Gewissheit.

Am 8. Geburtstag meiner Tochter Felia kam der Anruf des Arztes. Er bestätigte die Diagnose. Ich bin komplett zusammen gebrochen, habe stundenlang geweint und mein Kopf war voller Sorgen und Ängste. Mein Mann hat das Ganze ganz anders weggesteckt. Direkt nach der Diagnose ist der in den Garten, hat zwei Stunden stumm die Hecke geschnitten, dann war das Thema für ihn angenommen. Er hat die große Gabe, nicht lange mit Dingen zu hadern, sondern gewisse Dinge einfach anzunehmen.

Die Ärzte machten uns viel Mut

Am nächsten Tag hatten wir einen Termin beim Oberarzt, der uns sehr viel Mut gemacht hat. Und auch die Ärztin vom Ultraschall hat uns sehr unterstützt und uns immer wieder ermutigt. Ich bin sehr sehr dankbar, dass wir so tolle Ärzte hatten.

Ich bin oft gefragt worden, ob ich über einen Spätabbruch nachgedacht hätte. Das war wirklich nie eine Option. Ich konnte mein Baby im Bauch spüren, es hat kräftigt gestrampelt und hatte Schluckauf. Ich hatte bald einen gut sichtbaren Bauch – unser Kind war also nicht mehr abstrakt, sondern einfach schon ein Teil von uns. Immer, wenn es mir schlecht ging, war Fiona besonders aktiv in meinem Bauch – so als wollte sie sagen: „Hey Mama, wir schaffen das schon!“

Dennoch konnte ich die restliche Schwangerschaft nicht genießen, was mir heute total leid tut. Ich hatte viele Ängste und konnte die mitleidigen Blicke nicht mehr ertragen, wenn ich erzählte, dass unser Baby mit dem Down Syndrom auf die Welt kommen würde. Manche reagierten auch mit „Ach, Du Scheiße“, wenn sie davon erfuhren.

Dann wurde Fiona geboren

Im September 2020 kam Fiona zur Welt und ich habe sie sofort unglaublich geliebt. Sie musste wegen des Herzfehlers auf die Kinderkardiologie und ich bin jeden Tag von der Wöchnerinnenstation zu ihr und habe sie im Arm gehalten oder saß einfach nur da und habe ihr beim Schlafen zugesehen.

Nach einer Woche durften wir nach Hause. Es ist nicht immer leicht, wir haben viele Termine mit Fiona: Kinderkardiologe, Urologie, Endokrinologe, Kinderarzt, Frühförderstelle usw. Aber Fiona strahlt uns jeden Tag an und ich weiß, dass sie allen Stress wert ist. Ich bin in sehr glücklich, dass unsere Familie und unsere Freunde uns auch so toll unterstützen.

Ich habe erst gestern wieder zu meinem Mann gesagt, dass ich mir wegen der Trisomie 21 gar nicht soviel Gedanken mache sondern eher um das schwierige Thema der Inklusion. Für viele Menschen ist Down Syndrom eine Krankheit, ich habe jetzt schon Kämpfe mit Ämtern und Behörden.

Und dennoch bin ich mir ganz sicher, dass Fiona ihren Weg gehen wird. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie uns gezeigt hat, dass Liebe keine Chromosomen kennt und dass sie unser Leben so bereichert.

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9 comments

  1. Die kleine Fiona sieht absolut goldig aus und ich kann total verstehen, dass sie die Familie jeden Tag bereichert! Würde sie auch sofort ins Herz schliessen und eine Mama macht das natürlich erst recht. Viele Grüsse Fiona, auch an deine Eltern :-* du wirst deinen Weg schon gehen!

  2. Sehr schöner Bericht!
    Und die „besonderen“ Kinder geben einem einfach die Kraft, mit allem und jedem fertig zu werden. Auch ich habe ein besonderes Kind und allein seine strahlenden Augen und sein Lachen geben mir alles, um die anstehenden Herausforderungen zu schaffen. Doch wie auch im Bericht geschrieben, haben auch wir den größten Respekt vor dem Thema Inklusion. Aber auch das werden wir mit unserem kleinen Kämpfer an der Seite schaffen.

  3. Liebe Anne,
    danke für Deinen offenen Einblick in Euer Leben und den Start mit Eurer wunderbaren Fiona.
    Der Kampf mit den Behörden ist wirklich das schlimmste. Neben den ganzen Terminen und den Schwierigkeiten mit der Inkusion. Da fühle ich so sehr mit!Das hast Du so treffend auf den Punkt gebracht.
    Alles, alles Liebe für Fiona und Euch. Ich wünsche Euch und uns, dass zwischen den Kämpfen und Terminen Zeit zum Genießen unserer geliebten, besonderen Kindern bleibt.
    Deine Ka

  4. Die Menschen mit Down-Syndrom, die ich als Kinder oder Erwachsene kennengelernt habe, haben mein Leben sehr bereichert. Die Vorstellung, daß viele wegen dieser Diagnose abgetrieben werden, finde ich schrecklich. Ich wünsche Ihnen viel Freude, Kraft und die Unterstützung, die Sie brauchen.

  5. Es gibt ein wunderbares Buch für Eltern zu dem Thema. Mit tollen Zeichnungen und Darstellung der Gefühle nach der Diagnose. Es heißt: du bist da und du bist wunderschön. Für mich eine Liebeserklärung der Eltern an ihr Kind. Auch bei Frau TV habe es gerade ein wirklich gutes Interview mit einer Mutter deren Tochter das Down Syndrom hat. Und was ihr ihr Tochter für neue Eltern eröffnet. Es ist nicht leicht in der heutigen Gesellschaft mit einem Kind, das nicht der Norm entspricht. Das stimmt, aber ich möchte diese Kinder und Familien nicht missen. Euch alles Gute, Kraft und Optimismus

  6. vielen dank für das schöne interview. es ist schön zu lesen das es ( trotz des aufwandes den es mit sich zieht ) trotzdem ein baby das ein bisschen anderst ist, ein gewinn für die familie ist! mein mann und ich hatten nur abstrakt darüber geredet, was wir machen sollten wir in der schwangerschaft erfahren das unser kind behindert ist. für mich käme ein abbruch nicht infrage, mein mann konnte es sich nie vorstellen. wobei er mit behinderungen eigentlich nie berührung hatte, ich habe zwei jahre bei der lebenshilfe gearbeitet und somit schon einiges an einblick. vieles ist schwierig, aber das ist mehr den äußeren gegebenheiten geschuldet. die betroffenen eltern müssen sehr viel um hilfe kämpfen. und wie oben geschriebene, ist auch die inklusion oft nicht einfach, aber gibt es durchaus schon. ich habe mir dann auch immer gedacht, bei der geburt können auch komplikationen auftreten, oder wenn es da ist gibt es unfälle oder krankheiten die vorher nicht festgestellt werden konnten, dann gibt man das kind ja auch nicht weg…… aber das ist meine meinung! jeder hat da ja auch eine andere ausgangslage. und die kinder mit down syndrom schaffen ja nicht nur neue herausforderungen, sondern können durch ihre fröhliche natur auch sehr viel freude bringen.

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