Bundeswehr-Postkarten: „Auf in den Krieg?“ Teen-Time Jugendkolumne

Bundeswehr-Postkarten

Ihr Lieben, ich kam grad zurück von der Messe „Leben und Tod“ (oder wie mein Mann sagt: „Mord und Totschlag“), als in unserer Familien-WhatsApp-Gruppe plötzlich ein Foto mit zwei Bundeswehr-Postkarten reinflatterte. Im Hintergrund Tarnfarben, darauf ein riesengroßer Schriftzug HARMANN und darunter das Bundeswehr-Logo.

Hatten die tatsächlich jede einzelne Postkarte individualisiert? Ich war irritiert und tippte drei Grusel-Emojis in die Tastatur. Zwei Minuten später schrieb ich: „Sag mal, sowas hat doch unsere Große nicht bekommen oder ist das nur dem männlichen Menschenmaterial vorbehalten in unserem Land?“

Bundeswehr-Postkarten: „Auf in den Krieg?“

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Ja, ich schrieb „Menschenmaterial“, weil es sich im ersten Moment exakt so anfühlte, als sollten wir jetzt unsere Jungs nun als Kanonenfutter hergeben. „Ist aber keine Einberufung“ hieß es dann. „Die werden erstmal nur angefüttert. Einladung zum Talent Scout der Bundeswehr.“

Talent Scout? Im Ernst? Mir wurde richtig ein bisschen schlecht, gebe ich zu. Und das hatte im Rückblick drei Gründe. Zunächst einmal erschreckte mich das Martialische der Karte und ich dachte echt kurz: Fuck, kommt jetzt der Krieg? Müssen wir jetzt wirklich vorsorgen?

Man will das Weltgeschehen ja manchmal einfach nicht wahrhaben, besonders, wenn man wie ich in den 80er Jahren geboren ist und bis heute in absoluter Friedlichkeit leben durfte. Mit welcher Zukunft haben denn unsere Kinder bitte zu rechnen? Ich schaffe es sonst unfassbar gut, optimistisch zu bleiben, aber in den Moment war das Gefühl einfach nur eins: beklemmend.

Des Weiteren fand ich, die sich wirklich sonst kaum je um Datenschutz kümmert und damit sehr unkompliziert umgeht, es irgendwie merkwürdig, dass da dick und fett die Namen unserer Jungs auf der Karte standen, als wäre längst klar, dass sie sich demnächst mit Feldwebeln und KommandantInnen würden rumschlagen müssen. Ich fragte mich auch: Wo haben die denn unsere Adresse her? Aus dem Melderegister? Dann ist das doch hier etwas absolut Offizielles. Himmel, hilf!

Zum Dritten schaltete sich bei mir sofort der Mutterinstinkt ein: Will hier grad der Staat nach meinen Kindern greifen? Verliere ich grad sowohl Einfluss und Kontrolle? Es fühlte sich wirklich an wie ein Krake, der nach ihnen greift und vor dem ich sie nicht schützen kann. Ja, ich bin irgendwie pazifistisch geprägt, ihr merkt das schon. Und ich bin kein Fan von unnatürlich hergestellten Hierarchien, von Zucht und Ordnung, von Drill, von Machtgefällen, die leider auch ausgenutzt werden können. (Alles Vorurteile und Klischees, ich WEIß, trotzdem ist das leider mein Gefühl dazu.)

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Ich zeigte euch schließlich die Postkarten bei Instagram und viele schrieben: „Oh Gott, gruselig.“, „Ich krieg Gänsehaut“, „Das hatten wir heute auch im Briefkasten.“ Das Thema bewegt. Ein Kollege schickte mir dann das Foto einer Döner-Verpackung aus Köln, auf der stand: „Mach, was wirklich zählt. DURCHBEISSEN. Weil du es kannst.“ Auch hier das Logo der Bundeswehr und der QR-Code für weitere Infos.

Eine weitere Leserin schrieb mir, sie wären am Tag zuvor in einer Eisdiele gewesen und die Becher waren ebenfalls mit BundesWEHRbung (das Wortspiel muss sein!) bedruckt gewesen. Das Eis habe ihr danach nicht mehr geschmeckt. Dann doch lieber ne Waffel, oder?!

Es gab aber natürlich auch die Stimmen unter euch, die sagten: Naja, wie sollen sie denn sonst auf sich aufmerksam machen? Wie soll Deutschland wieder rüstungsfähig werden, wenn sich keiner drum kümmert. Und damit haben sie natürlich recht! Mir wäre es trotzdem einfach insgesamt viel lieber, wenn wir uns weiter um Rüstung gar nicht kümmern müssten… naiv vielleicht, aber wir hatten nun einmal das Glück, das Thema in unserem Leben bislang schleifen lassen zu können.

Ich schaute also zurück zu Hause auf die Rückseite der Karte und war wieder etwas beruhigter. Es klang alles weniger schlimm als gedacht. Dort stand: „Du willst wissen, welche Chancen und Perspektiven die Bundeswehr für dich bietet? Entdecke über 50 Ausbildungsberufe und Studiengänge – sowie mehr als 1.000 verschiedene Jobs in Uniform oder in zivil. Alle Infos findest du auf bundeswehrkarriere.de

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Darunter ein ellenlanger Datenschutzhinweis, der so beginnt: „Gemäß Paragraf 36 Abs. 2 Bundesmeldegesetz (BMG) haben Sie einer Datenübermittlung für Paragraf 58c Soldatengesetz (SG) nicht widersprochen. Die kommunalen Meldebehördenübermitteln jährlich Name, Vorname, Anschrift aller Personenmit deutscher Staatsangehörigkeit, die im nächsten Jahr volljährig werden. (…)

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Die Postkarte haben also nicht nur männliche Jugendliche bekommen, sondern auch alle anderen. Alle eben, die nächstes Jahr 18 werden. Alle, die etwa in der Ukraine wohl wirklich in diesem Alter in den Krieg müssen. Mir bricht es das Herz, wenn ich an sie und ihre Familien denke. Dann lieber eine Postkarte mit ner Einladung, die wir gekonnt ignorieren und danach unseren stinknormalen Alltag weiterleben können… was bin ich froh, dass unsere Kinder einfach in Frieden jugendlich sein dürfen.

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