#happyfamily: Wie sehr uns der WhatsApp-Status anderer Familien stresst

Happy Family

Foto: Sabine Pohla

Ihr Lieben, wir kennen das vermutlich alle: Wir posten hier mal ein schönes Foto vom Urlaub, dort mal einen beruflichen Erfolg. Etliche zeigen aber auch viele private Einblicke in ihr Familienleben. Warum tun sie das? Und wissen sie, dass sie damit andere Mütter und Väter auch unter Druck setzen können? Wenn die Finanzen eben grade keinen Urlaub zulassen? Wenn die eigene Liebe grad zerbrochen ist, im Netz aber Knutschfotos in Dauerschleife zu finden sind?

Bianca Kellner-Zotz
Happy Family von Bianca Kellner-Zotz

Und merken sie, dass sie auch selbst dadurch in Stress geraten können, wenn sie ihr Leben quasi rund um die Uhr medial in Szene setzen? Dr. Bianca Kellner-Zotz, Zweifachmutter und Kommunikationswissenschaftlerin ist diesem Phänomen nun in einem ganzen Buch auf den Grund gegangen: Happy Family: Warum die Sucht nach Aufmerksamkeit Familien unter Druck setzt und wie wir uns davon befreien können.

Liebe Bianca, jede Familie wäre gern happy und hätte gern ein happy life. Die wenigsten sind aber wohl dauerhappy, auch wenn sie das in den sozialen Medien so darstellen. Inwiefern hältst du das für problematisch?

Wir leben immer stärker im Außen, machen uns zu abhängig davon, was andere von uns denken und ob sie unser Leben für gelungen halten. Dabei haben wir sehr unrealistische Idealbilder im Kopf, die uns die Medien Tag für Tag liefern. Das geht bei den Hochglanzanzeigen in Zeitschriften los und zieht sich bis in die Chats mit Freunden und Bekannten. Obwohl wir rational verstehen, dass Werbung und Posts nichts Reales sind, spielt uns unser Unterbewusstsein einen Streich. Wir vergleichen uns ständig und entwickeln daraus Defizit-Interpretationen, die uns unglücklich machen. Das Leben im Außen ist sehr anstrengend.

Hier die neue Küche, da strahlender Urlaubshimmel, dazu noch Geschwisterplüsch mit lachenden Kindern: Warum möchten Familien das so gern nach außen hin zeigen?

Oft sind es die Mütter, die das Familienleben inszenieren. Das liegt meines Erachtens daran, dass die Mütter zu wenig Wertschätzung bekommen. Sie leisten jeden Tag Hervorragendes und trotzdem bekommen sie für diesen Knochenjob viel zu wenig Anerkennung. Daran hat auch die Emanzipation nichts geändert. Eher im Gegenteil. Eine Mutter, die nicht berufstätig ist, muss sich verteidigen und kann tagtäglich lesen, dass sie entweder dumm oder faul ist. Aber auch Mütter, die Beruf und Familie gleichermaßen schultern, werden kritisiert, wenn sie beispielsweise keinen Kuchen zum Kindergartenfest beisteuern können. In unserer Leistungs- und Inszenierungsgesellschaft zählt nur, was sichtbar ist und nach Erfolg riecht. Füttern, Windeln wechseln, mit dem Kind an die frische Luft gehen und Memory spielen hat da wenig Aufmerksamkeitspotenzial.

Du sprichst auch von einer Sucht nach Aufmerksamkeit. Liegt die auch darin begründet, dass wir gewohnt sind, für gute Vorträge Applaus, für Arbeit Geld und für Getanes eben Rückmeldung zu bekommen? Möchten wir das für die Familienarbeit mit all der Inszenierung im Netz auch erreichen?  

So ist es. Das sind die Spielregeln des Kapitalismus und damit auch unserer Medien- bzw. Aufmerksamkeitsgesellschaft. Es sind nur die außergewöhnlichen, besonderen, exklusiven und visualisierten Inhalte, die in den Medien Zuschauer, Leser, Follower bekommen. Je mehr Klicks, desto höher der Gewinn. Das haben wir über Jahre hinweg gelernt, erst über das Privatfernsehen, dann über Internet und Social Media. Letztlich sind Likes heute eine neue Währung. Wir sind uns dessen oft nicht bewusst, aber wir integrieren diese neuen Spielregeln in unseren Alltag, weil wir glauben, das muss so sein. Dabei sind wir so abgelenkt, dass wir gar nicht mehr merken, wie viel Zeit und Nerven uns dieser Hype kostet.

Du schreibst: Der WhatsApp-Status ist ein Instrument interfamiliären Wettbewerbs. Erklär mal!

Dazu gibt es unzählige Beispiele. Die Mutter, die ihre Geige spielende Tochter postet. Oder den Sohn, der mit einem dicken Wälzer auf der Couch liegt. Botschaft: Meine Kinder sind gebildet, belesen, tun sich hervor. Urlaubsbilder lassen sich oft ganz ähnlich deuten, vor allem, wenn im Hintergrund weiße Strände und Palmen zu sehen sind oder der Strip von Las Vegas. Wenn man selbst im deutschen Regen sitzt, weil man sich eine Flugreise nicht leisten kann, erzeugen die Fotos Minderwertigkeitsgefühle. Innerhalb der Mittelschicht entsteht bisweilen ein Überbietungswettbewerb, zum Teil in ganz banalen Bereichen, etwa bei besonders originellen Geburtstagskuchen oder selbst (sprich von der Mutter) gebastelten Schultüten.

Du beleuchtest beide Seiten der Medaille: Die Rezipienten, die unter Stress gesetzt werden, wie sie sich selbst grad den teuren Ski-Urlaub nicht leisten können, aber auch die Urlauber selbst, die sich durch die mediale Selbstinszenierung kaum noch auf die Piste, als viel mehr auf den richtigen Filter fürs nächste Handyfoto konzentrieren…

Ja, beides macht uns unglücklich. Wir könnten uns das Leben viel leichter machen, wenn wir aus der Spirale aussteigen würden, die Familie wieder als privaten Rückzugsraum schützen würden. Gerade im Hinblick auf die nächste Generation halte ich das für sehr wichtig. Kinder, die lernen, dass ein gemeinsamer Ausflug nur mit Foto wertvoll ist, und dass alles, was sie tun – lesen, ein Instrument spielen, auf ein Klettergerüst steigen – eine Instagram-Story wert ist, entwickeln sich zu Narzissten. Ich habe kein WhatsApp-Profilbild und schreibe nichts in meinen Status – und mir fehlt gar nichts.

Wenn man sich so manche Motto-Hochzeit oder Kindergeburtstagsparty mit mehrstöckiger Motto-Torte so anschaut, scheint das Normale zum Spektakel geworden zu sein, dabei sagst du, lenkt das vom Wesentlichen ab – dem entspannten und ziellosen Zusammensein als Familie …

Der Fokus auf das durchinszenierte Event, den durchgeplanten Terminkalender, die lückenlose Bildungskarriere lässt ja keinen Raum mehr zum Atmen. Bevor Eltern anfangen, mit ihren Kindern ein Brettspiel aufzubauen, denken sie schon daran, wie lange das wohl dauern könnte. Deshalb gibt es jetzt eine 20-Minuten-Version von Monopoly. Wie wäre es, an einem Sonntag im Schlafanzug zu bleiben, Monopoly rauszuholen und einfach mal abzuwarten, wie es läuft? Wenn es Spaß macht, können drei Stunden regelrecht verfliegen. Wenn wir keine Lust mehr haben, hören wir auf und sehen weiter. Das kann auch bedeuten, dass die Eltern auf der Couch dösen und die Kinder sich mit Lego beschäftigen. Familie bedeutet nicht, zwanghaft „Quality Time“ einzuplanen, sondern sich der liebenden Gegenwart des Gegenübers bewusst sein zu dürfen. Die Terminpläne und Motto-Hochzeiten sind eine Erfindung der Aufmerksamkeitsregimes, aber Familie braucht keine Zuschauer.

Zu guter Letzt: Wie fühlt sich die Pressearbeit für dein Buch grad an, auch dieses Interview ist ja Teil einer medialen Inszenierung… 😉

Völlig richtig. Natürlich braucht auch eine Autorin die Aufmerksamkeit, um ihr Buch bekannt zu machen. Also gebe ich Interviews. Aber ich habe immer noch keinen Facebook- oder Instagram-Account, schon WhatsApp ist tatsächlich eine Überwindung für mich. Meine vielleicht wichtigste Botschaft: Wir alle sitzen im selben Boot, wir sind Teil dieser Gesellschaft und können uns nicht allem entziehen. Aber wir können sehr wohl entscheiden, wo wir eine Grenze ziehen wollen. Das Buch ist eine Sammlung vieler Beobachtungen aus den letzten Jahren. Wenn es den Familien hilft, ihr Alltagsleben zu reflektieren und vielleicht etwas Druck rauszunehmen, dann hat es sich gelohnt.

07064124c168405983cfe16a52f663bf

Du magst vielleicht auch


16 comments

  1. Ach ja , was bin ich froh , das wir hier sehr entspannt ganze Sonntage im Schlafanzug rumgammeln .
    Habe weder Facebook noch Instagram und vermisse auch nichts.
    Dieser ganze Selbstdarstellungsdrang ist mir sowas von suspekt.
    Bin auch ohne Handy und Internet groß geworden und habe es überlebt 😉

  2. Mir wird aus der Seele gesprochen! Wir versuchen, social media nicht Teil unseres Lebens werden zu lassen und Events einfach nur für uns zu feiern und zu genießen. Wenn man aber ständig auf Instagram oder Youtube bombardiert wird mit shiny Motto-1.-Geburtstagen oder der nächsten Influencerin die mit ihren Kindern in ein sonniges Land auswandert, dann nagt das. Als ob man vielleicht irgendwas verpasst, wenn man sein Leben entschleunigt lebt. Dieses Interview ist da wirklich Balsam, danke dafür!

  3. Der wichtigste Satz ist der Hinweis auf mangelnde Anerkennung der Kinderbetreuung und-Erziehung durch die Mütter. Aber ob diese sich einen Gefallen damit tun, wenn sie ihren „Knochenjob“ als heile Welt präsentieren, vermag ich zu bezweifeln. Viele Menschen haben Schwierigkeiten „Subjekt“ zu sein. Sie machen sich selbst zum „Objekt“, weil sie sich nur so fühlen können. Das ist ein zunehmendes Problem unserer Zeit und hat fast immer mit innerer Leere oder mangelndem Urvertrauen zu tun. Aber wie fast alle hier geschrieben haben, man kann den Stecker ziehen, niemand ist dem ausgeliefert, jedes „Subjekt wischt, tippt und postet“ mit der eigenen Hand! Man muss nur den Mut zur digitalen Diät haben. Wie sagte Hawkin so schön: „Du kannst nicht fallen, der Kreis ist geschlossen! „

  4. Gerade wenn es um das Thema „Druck ausüben“ geht, würde ich mich freuen, wenn der Begriff „Mutter“ reichen würde. Warum ist es relevant, ob jemand eine „Zweifach- oder Dreichfachmutter“ oder wie auch gerne formuliert wird „sogar Vierfachmutter“ist, wenn es im Textinhalt nicht um das Thema Geschwister etc. geht?

    1. Jaa, ich bin auch über den Begriff Zweifachmama gestolpert und finde es auch absolut unnötig das zu erwähnen! Nicht nur in diesem Artikel. Manchmal ist es auch falsch- ihr schreibt 5fach Mama, dabei hat die Mama eine Patchworkfamilie.

  5. Ich finde WhatsApp und Instagram praktisch. Bei Erstem ist man sehr schnell in Kontakt mit anderen und bei Zweitem kann man sich sehr viel Inspiration holen. Vor allem im Bereich Garten, Pflanzen, Kochen, Heimwerken und Basteln. Viele Privatpersonen zeigen dort auch ihre weniger perfekten Sachen. Ich finde man muss wie überall, einfach filtern. Im Supermarkt gibt es ja auch viele Dinge, die ich nicht brauche, für unnötig halte oder die ungesund sind. An denen gehe ich vorbei und nehme nur das, was mir gefällt. Genauso halte ich es mit den Medien. Es tangiert mich nicht negativ, wenn Leute ein perfektes Bild von sich verbreiten wollen. Ich schmunzle ein wenig und das wars. 😉

  6. bei instagram und facebook bin ich schon lange nicht mehr. zum einen hat gerade bei instagram es irgendwann sehr anstrengend gemacht das alles anzuschauen. aber meine lösung war: app löschen, account löschen.
    gepostet habe ich selbst nie, ich würde mich oder und oder zuhause nicht da zur schau stellen.
    bei whatts app poste ich auch nichts im status, wem ich was schicken möchte haben wir chats ( zum beispiel unterschiedliche mit den unterschiedlichen zweigen der familien und freunde an die man dann gezielt relevante infos oder schicken kann).
    wenn freunde und familie bei whatts app status posten schaue ich die manchmal gerne, mann weiße dann was bei ihnen los ist oder sie machen. nerven mich aber welche kann man die auch ganz einfach stumm schalten oder bitten das man aus dem verteiler genommen wird.
    ich finde man hat es viel selbst in der hand und muss sich durch so moment aufnahmen auch nicht unter druck gesetzt fühlen.
    also ich hab mich auch zu anfang unter druck gesetzt gefühlt, aber irgendwann gemerkt das es ja deren leben ist. und ich habe meins und das ist das wichtige. und alles toll ist es bei kaum jemand, auch wenn so bildausschnitte das glauben machen wollen.

  7. Instagram… brauche ich auch alles nicht. Und die Lernplattformen gibt es für jedes Bundesland und die sind sichere Kommunikationswege und man erreicht jeden Fachlehrer, Mitschüler, Eltern… WhatsApp Status und Kontaktbild schaue ich mir meist garnicht an. Und mich erstaunt immer was Eltern in der Gruppe so fragen, mein Sohn hat immer erzählt wir haben uns erstmal unterhalten, viele Andere nicht ( mein Kind redet halt nicht über Schule…). Auch das war ein Grund ich will nicht ÜBER die Klasse/ mein Kind reden ich rede MIT ihm.
    Und das ganz Paradoxe ist, BEVOR ich dann in der Mittelstufe doch in der WhatsApp Gruppe eingestiegen bin, habe ich (ohne Online Chat/ Netzwerke) auf persönlichem Wege mehr Klatsch mitbekommen als mit WhatsApp, war informierter“ als die WhatsAppEltern.. Also genau das was mich an diesen Gruppen so nervt.

  8. Hallo, ich nutze beim Status in WhatsApp die Funktion, nur teilen mit… und da wähle ich mit Bedacht. Bei den Statusmeldungen, die ich sehe, freue ich mich von Herzen und habe darüber schon den einen oder anderen Ausflugstipp „generiert“. Daher finde ich den Status auf WhatsApp völlig okay. WhatsApp Gruppen für die Trainingsgruppen der Kinder sind auch fein, für Schule oder Kita gab bzw. gibt es so etwas nicht. Das läuft bei uns generell über die Lernplattform des Bundeslandes. Das finde ich um einiges bequemer, als diese zahlreichen Zettel. Er lässt einen in Verbindung bleiben. Instagram oder Facebook nutze ich nicht.

  9. Danke für den Artikel, er tut so gut.
    Ich bin froh über Newsletter oder einige Blogseiten. Denn es ist deutlich schwerer ohne facebook informiert zu bleiben. Oder ohne Whatsapp in Schule oder Kiga trotzdem Teil der Gruppe zu sein.

    1. Sonja
      Doch es gibt verschiedene Wege Teil der Gruppe zu sein. Mein Sohn oder ich waren immer informiert und eingebunden. Im Gegenteil es hat da keine Kommentare zu gegeben, da es nicht aus Bequemlichkeit war und ich trotzdem in allen Belangen ansprechbar war. Es trauen sich aber wenige Eltern einen anderen Weg zu wählen weil ja jemand dann negativ über einen denken könnte? Oder man schlicht keinen anderen mehr kennt.
      Und Thema “ informiert sein“ es gibt auch Online Nachrichten und Online Abo der örtlichen Zeitungen. Und mit Freunden, anderen Eltern spreche ich normal über Handy oder persönlich. Die Kontaktdaten tauschen geht auch ohne Gruppendruck.

      1. P.S.
        Teil einer Gruppe/ Gemeinschaft ist man wenn man kommuniziert und Zeit zusammen verbringt ( Garteneinsätze/ Weihnachtskarten Kita mit Glühwein zum Abschluss…). Das geht auch ohne alles im Netz zu verbreiten. Da kommt mir allerdings mein Alter zu Gute, ich bin noch ohne Handy, Internet und Gruppenzwang (selbst bei Reha/ Kur!?!) groß geworden. War super!

  10. Also ich kann das nachvollziehen, was gemeint ist, aber kann definitiv sagen dass es bei mir anders ist. Ich freu mich, Einblicke in das Leben meiner Freunde zu bekommen. Und weiß selbst, dass deren Kinder nicht den ganzen Tag fröhlich lächelnd Ostereier bemalen wie auf dem Schappschuss. Und wenn die Hyazinthen bei der Kollegin schöner blühen als meine, kann ich es ihr von Herzen gönnen.
    Bei Instagram bin ich nicht, allein die Vorstellung, von Leuten (und Müttern!) umgeben zu sein, die ihr Leben der Präsentation perfekter Bilder widmen, schreckt mich ab.

    1. Mir geht es ganz ähnlich. Ich freue mich auch im tristen Alltag über die Urlaubsfotos meiner Freundinnen und Bekannten. Gerade in den Zeiten, in denen Treffen nicht so ohne Weiteres zu bewerkstelligen sind, bleibt man so ein wenig informiert über das Leben der Freunde und Bekannten.
      Bei Instagram und Facebook bin ich selbst nicht, kenne auch viele liebe Leute, die sich WhatsApp verweigern. Ja, da muss ich leider sagen, mit denen, wo ein unkomplizierter Austausch über WA möglich ist, ist der Kontakt auch enger, und spontaner. Jeder vernunftbegabte Mensch weiß doch, dass nie nur Glitzer und Lachen ist. Bei mir nicht und bei den anderen auch nicht….

  11. Nein nur wenn man drauf einsteigt. Fotos kommen bei mir generell nicht auf WhatsApp, schon garnicht Kinderfotos. Und in Kita und Grundschulzeit war ich generell nicht in den jeweiligen Gruppen. Alles was ansteht geht da über die Erzieherin bzw Schule direkt. Und auch sonst ist die Schulgruppe für Privates tabu genauso wie für ellenlange Berichte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert