„Du hast dir den Weg in unsere Arme erkämpft“- Séverines Brief an ihr Kind

severine

Meine kleine Bohne, ich will dir eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte über dich, mich und deinen Papa. Vor allem möchte ich Dir nun die Geschichte erzählen, wie du dir deinen Weg in unsere Arme erkämpft hast.

Vor nun etwa 4 Jahren haben sich dein Papa und ich entschieden: “Wir wollen ein Kind, wir wollen Eltern werden!" Und so begann unser Abenteuer. Ein paar Monate brauchte es schon, doch dann hatte ich am 08.12.2014 einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Ich war mir von Anfang sicher, dass du bei uns bleiben würdest und legte deinem Papa einen Schnuller in den Adventskalender. Als er das sah, hat er sich unfassbar gefreut.

Beim ersten Ultraschall sah ich dich dann das erste Mal. Du warst noch ganz klein, aber unsere Liebe zu dir und das Glück, das wir spürten, war bereits riesengroß. Bei der 2. Untersuchung warst du schon etwas grösser, aber alles schien gut. Ausser, dass meine Frauenärztin deine Harnblase etwas auffällig gross fand und mich zur Sicherheit noch zu einer Spezialistin im Krankenhaus schickte. Nur zur Kontrolle, keine Panik, sagte sie. Ganz sorglos ging ich alleine zu diesem Termin, ich hatte mir keinen Kopf gemacht.

Ich traf auf eine wirklich tolle Ärztin. Sie stellte fest, dass deine Harnblase übermässig vergrössert und deine Nieren stark belastet waren. Und deine kleinen Füsse anders geformt waren, sie nannten es Klumpfüsse. Und plötzlich war ich voller Sorge. Wir haben noch für den selben Tag einen Termin für eine Plazentapunktion vereinbart und Proben an ein Labor geschickt, um zu untersuchen ob eine genetische Erkrankung Ursache für die beiden Diagnosen sein könnte. Zudem wurde ich von noch von anderen Spezialisten untersucht, aber der Befund änderte sich nicht, deine Blase blieb zu gross. Die Fachärzte hatten den Verdacht, dass deine Harnröhre geschlossen oder verengt ist, dein Urin dadurch nicht abfliessen kann und sich dadurch bis zu den Nieren zurückstaut. Wir haben versucht rauszufinden, ob da noch mehr dahinter stecken könnte. Wir wussten mittlerweile, dass keine genetische Erkrankung gefunden wurde, aber die Kombination aus beiden Diagnosen lies die Ärzte zweifeln. Sie konnten uns nicht sagen, ob du gesund zur Welt kommen wirst, wie stark deine Nieren beschädigt sein werden und ob du die Zeit der Schwangerschaft und Geburt überleben wirst.

Wir mussten eine Entscheidung treffen. Und wir haben uns entschieden. Wir haben von Anfang an an dich geglaubt, mein Engel, und das wird auch immer so sein. Ja, wir hatten Angst, Dich zu verlieren. Aber wir hatten von Beginn auch großes Vertrauen. Das Vertrauen, dass alles gut wird und du gesund wirst! Es folgten viele Untersuchungen. Alle 2 Wochen war ich im Krankenhaus zum Ultraschall. Meistens war deine Blase sehr gross und gefüllt. Bis auf das eine Mal. Während des Ultraschalls hat sich deine Blase geleert. Ich dachte nicht, dass ich mal so glücklich, so voller Hoffnung sein kann, nur weil mein wenn Kind pinkelt…

Kurz vor der Geburt wechselte ich in die Klinik, in der du zur Welt kommen solltest, gleich neben der Kinderklinik. Deine Geburt rückte immer näher und die Ärzte wollten klären, ob du schon etwas früher zur Welt kommen solltest, da deine Werte wieder schlechter wurden und sie (und wir natürlich auch) wissen wollten was dir fehlt, wie es dir geht. Gemeinsam legten wir den 24.07.2015 fest. Und dann kam es doch anders als geplant. Tolpatschig wie deine Mama machmal ist, hat sie es geschafft mit dem Stuhl rückwärts umzufallen. Auch wenn ich weich gelandet bin ging ich zur Sicherheit ins Krankenhaus.. Bei der Nachkontrolle blieb dein Herz kurz stehen, darüber war ich so erschrocken, dass ich kurz darauf leichte Wehen bekam. Dein Papa und ich fuhren zurück ins Krankenhaus, dort wurde die Geburt dann eingeleitet. Das war der 22.07.2015.

Nach etwa 57 Stunden Wehen (inklusive einer PDA nach 50 Stunden) und einem erneuten Herzstillstand lagst du dann am 25.07.2015 um 04:55 in meinen Armen. Ich habe dich einfach nur voller Liebe und Stolz bestaunt.

Glücklich und total stolz hat dich auch dein Papa auf seiner Brust getragen und dich mit der Hebamme gewogen, gemessen und geschaut, ob es dir gut geht. Und (was für viele nichts besonderes ist, für uns aber in dem Moment das grösste Geschenk) du hast als erstes Papa in hohem Bogen angepinkelt. Du bist so ein tapferer Junge. Du hast mühsame Untersuchungen durchgestanden und eine Fußoperation. Du bist jetzt zwei Jahre alt und kannst normal laufen. Und bis auf einen leichten Reflux in die linke Niere, ein ganz leicht erweitertes Nierenbecken und eine etwas grössere Harnblase hat sich alles erholt und du wirst ohne Einschränkungen leben können. Mein Engel, ich hatte auch ein bisschen Angst davor Mama zu werden, ich wusste nicht, wie das geht, denn ich selbst hatte nie eine richtige Mutter. Aber weisst du was? Die Liebe und all die Gefühle, die zum Mama sein dazu gehören, die lernt man nicht, die sind einfach da – in allen kleinen und grossen Momenten. Sie waren da, als ich stark sein musste für uns beide, sie sind da, wenn deine kleine Hand nach meiner greift, wenn du dich an mich kuschelst, wenn du "Mama" sagst.

Ich werde nicht immer alles richtig machen, aber ich werde alles geben um dir ein sicherer Hafen zu sein und ich werde dich begleiten auf all deinen Abenteuern. Danke, dass du mich mit allem was du bist und noch sein wirst, zu einer stolzen und liebenden Mama machst!

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6 comments

  1. Ähnliche Geschichte
    Dieser Beitrag, liebe Séverine, hat sehr viele Emotionen in mir ausgelöst, da wir eine sehr ähnliche Geschichte hatten. In der 20. Woche wurden bei unserer Kleinen damals Klumpfüße, eine singuläre Nabelschnurarterie und erweiterte Nierenbecken festgestellt. Es begann eine fast unerträgliche zweite Schwangerschaftshälfte voll mit Sorgen und Ängsten. Leider konnte ich – anders als du – meist keine Hoffnung schöpfen.

    Belohnt wurden wir Gott sei Dank mit einer gesunden Tochter, die inzwischen ganz ganz tolle Füße hat und wild umhertobt.

    Erstaunlich ist doch, dass die Auffälligkeiten sich so sehr ähneln. Ich habe bisher noch niemanden in der Kombination einer auffälligen Niere und Klumpfüßen kennengelernt.

    Viele Grüße
    Tanja

    1. Liebe Tanja
      Berührt mich auch gerade… habe mich – und tue es noch Heute – oft so alleine gefühlt mit meinen Ängsten, Sorgen, Fragen. Mir hätte in der Zeit ein Austausch mit andern betroffenen Eltern sicherlich gut getan. Ja ich hatte sehr viel Hoffnung, musste ich um zu überleben. Aber es gab auch ganz fest die andere Seite. Die Seite mit einer riesen Angst, einer unglaublichen Ohnmacht. Die Geschichte ist auch nur ein Ausschnitt aus dieser Zeit der Schwangerschaft. Ich hatte viel Ablenkung durch zusätzliche emotionale Belastungen zu der Zeit und so konnte und durfte ich (aus meiner damaligen „ich muss stark sein“-Sicht) der Angst gar nicht so viel Raum lassen.
      Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
      Ev. lässt sich ja ein Kontakt herstellen….fände ein Austausch spannend, gerade weil wir beide Kinder haben mit den ganz speziellen Füsschen und vielleicht auch ab und an Mal Fragen so von Mama zu Mama. 🙂 Bin auf Facebook mit diesem Beitrag auf der Seite von Stadt, Land, Mama sicher zu finden!
      Viele Grüsse, Séverine

  2. Wir denken an euch!
    Liebe Claudia
    Vielen Dank für die lieben Worte!

    WOW ihr habt auch grade eine Geschichte/einen Brocken zu meistern! Ich denke an euch und hoffe fest mit euch mit. Die kleinsten können schon so, so stark sein und ich glaube fest, dass dein Kleiner auch ganz fest stark ist.

    Hui ja die Gefühle intensivieren sich allerdings und es ist wunderbar so intensiv zu fühlen. Mama zu sein ist (für mich) auch wirklich die schönste Aufgabe, das schönste Gefühl.

    Ich drücke euch unbekannterweise ganz doll und wünsche euch ganz viel Kraft und Mut für alles was noch auf euch zukommt. 🙂 Und das ihr euch bald in eurem Nest einkuscheln könnt.

    Liebe Theresa

    Vielen Dank auch dir für die lieben Worte!
    Es sind die Kinder die uns stark machen (so geht es mir zumindest!) 🙂

    Alles liebe!

  3. Ich drücke die Daumen
    Liebe Claudia,
    euch drücke ich ganz fest die Daumen, dass ihr euch ganz bald zuhause einkuscheln und euch genießen könnt!
    Auch für euch von Herzen alles alles Liebe!
    Wahnsinn, was es für starke Frauen gibt!!!

  4. Wie wundervoll
    Ich freue mich sooo sehr, dass alles gut gegangen ist!!
    Von Herzen alles Liebe für euch!!!

  5. Ein riesen großes dickes
    Ein riesen großes dickes Dankeschön an Stadt-Mama Katharina! Wie tapfer ihr die Zeit der Schwangerschaft mit all ihrer Unsicherheit, ihren Zweifeln und Hoffnungen durchgestanden habt, finde ich beeindruckend. Und ich freue mich, dass ihr mit eurem Glauben an euren Spatz und an euch selbst mit dieser tollen positiven Entwicklung belohnt wurdet. Ich kann einiges es recht gut nachvollziehen, unser Kleiner liegt seit seiner Geburt vor vier Wochen und einer Hirnblutung immer noch im Krankenhaus, aber wir glauben an ihn und er ist auf dem Weg der Besserung, evtl. geht es sogar bald nach Hause. Aber alle Gefühle, positiv wie negativ, scheinen auch als Mama zu intensivieren, das hab ich mir vorher nie so vorgestellt und es ist einfach mit das Schönste, Mama zu sein und auch so zu fühlen 🙂 Danke dir für diesen tollen Beitrag!
    Viele Grüße,
    Claudia