Ihr Lieben, die Veränderung unserer Kinder fällt uns auf, wenn sie uns plötzlich merkwürdig beäugen, wenn sie uns kritisieren, uns fordern, uns in Frage stellen und uns mit einem „Das kapierst du eh nicht“ aus ihrem Gefühlsleben rauswerfen. Wenn sie mit Egal-Schulterzucken reagieren oder immerzu genervt sind – von unseren Aus- und Ansagen, von unserem Atem, von unserem Sein. Wir werden beobachtet, getestet, bewertet… und wir rutschen in eine Art Mamakummer.
Mamakummer: Bewertet, beäugt, kritisiert
Fühlt sich hier schon jemand von euch abgeholt und kennt das alles? Fühlt es sich für euch nicht auch manchmal wie Liebeskummer an? Fragt ihr euch dann nicht auch manchmal im Geheimen: Wo ist es hin, das kleine süße Tapse-Füßchen, dass sich bei Gewitter ängstlich an mich schmiegte, das sich von mir Gott und die Welt erklären ließ, das mich glorifizierte und sagte, es werde uns immer lieben und niemals ausziehen? Meint ihr, die werden dann so, damit uns der Abschied später leichter fällt?
Spaß beiseite. Wir wollen heut mal schauen, wie wir es schaffen können, das neue – sagen wir: distanzierte – Verhalten, das Gefühl des Aussortiertwerdens, das nicht mehr Teil-des-Gefühls-und-Schullebens-Sein-Sollen nicht persönlich zu nehmen. Ein erster Schritt ist sicherlich, zu hören, dass es anderen Eltern auch so geht, dass sie ähnlich fühlen wie ihr! Und ich sag euch das: Ich höre das von so so so vielen! Es geht nicht nur euch so.

Die Kinder, die grad noch begeistert auf Bäume kletterten und „Mama, Mama, schau mal“ riefen, die liegen jetzt. Und liegen. Hinter der Zimmertür. Und geben auf Fragen nur Geräusche von sich, statt Antworten. Wswillsdu? Sheeeesh. Und wenn wir uns darauf wenigstens verlassen könnten! Aber da ist ja so viel Unklarheit.
Denn an einem guten Tag kommen die dann ja doch plötzlich raus und fragen nach dem Sinn des Lebens und motzen über die Kackschule, kotzen über irgendeinen TikTok-Politik-Account und überraschen uns mit nem Kuss in der Öffentlichkeit. Hä?!?! Danach wieder wochenlange Funkstille, in der Berge von Geschirr verloren gehen. „Kannste mal runterbringen.“ Chill mal.
Alles so unberechenbar und jeder tag ist ne Wundertüte! Manchmal ist es ein Abstoßen und Anziehen – wie bei Magneten. Es ist undurchschaubar. Für unsere Kinder vermutlich selbst! Wie schwer muss das auch für sie sein! Oder? Wir wissen es ja nicht. Eigentlich dachten wir, die Babyphase sei vorbei, in der wir immer rätseln mussten, was die Kleinen wohl brauchen, was sie meinen könnten – nun ist sie wieder da. Mit Vollkaracho.
Wir tasten uns ran, wir lassen uns rausbitten, wir sorgen uns um ein diffuses Nichts. Oder ist da doch was? Gibt’s da grad ne Belastung von außen? Müssten wir eingreifen und helfen? Oder ist das alles nur eine Phase? In welchen Welten ist es grad unterwegs?
„Mein gerade noch so aufgewecktes Kind liegt sich fast wund, es hat noch Kontakt zu seinem Bettlacken und seinem Handy“, hieß es neulich im Freundeskreis. Und wenn es rausgeht, dann bauchfrei mit viel zu kurzen Sachen. In der Schule gibt´s ein Bauchfreiverbot – aber niemand hält sich dran. Am Elternsprechtag heißt es dann plötzlich, wenn es so weiterginge, würde es so grade noch für einen Hauptschulabschluss reichen. Das war doch das Kind mit den Einsen in der Grundschule!
Unsere Kinder im Muffel- und Monstermodus
Nennt es Muffel- oder Monstermodus, wie sehr hat sich alles verändert! Waren wir selbst so? Wir hatten ja keine Handys… fanden wir unsere Eltern auch so peinlich und ließen uns zwei Straßen weiter aus dem Auto aussteigen, damit man nicht zusammen gesehen wird? Haben wir Fragen auch sofort abgeblockt und dann erst recht nichts mehr erzählt? Als Negativspirale?

Plötzlich verhandeln wir mit Menschen, die einen Kopf größer sind als wir, räumen Unsicherheiten aus dem Weg statt Bauklötze und wagen den Seiltanz zwischen „Lass mich in Ruhe“ und „Ich brauch dich“. Wie lassen wir die Tür zu ihnen offen, wenn wir so oft vor den Kopf gestoßen werden? Wie schaffen wir es, versöhnlich zu bleiben statt „Das haste jetzt davon“ zu denken? Wie schaffen wir den Spagat zwischen Richtung weisen und respektieren, zwischen nicht übergriffig sein und sie trotzdem nicht gänzlich verlieren?
Welche Kämpfe sind wir bereit, zu kämpfen? Akzeptieren wir den Wutanfall des 13Jährigen vor Schulstart, weil wir bitten, den Pulli zu wechseln und dabei dann die Gelfrisur zerstört wird oder ist es uns die miese Stimmung nicht wert? Wo ziehen wir für uns selbst Grenzen? Ich mach´s gleich. „Nein jetzt.“ Weltuntergang.
Wie bleiben wir der Fels, der in der Brandung nicht schwankt? Wie bleiben wir optimistisch, wenn der Schulabschluss wackelt? Wie halten wir aus, wenn wir sehen, dass andere Eltern noch umarmt werden? Vielleicht, indem wir wissen, wer wir sind. Indem wir klare Werte und Haltungen haben, auf die wir uns zurückberufen können, wenn wir im Fokus der Kritik stehen. Und indem wir uns fragen: Ist die Situation grad (über-)lebensentscheidend oder nicht?! Und immer mit Herz und Empathie, so kitschig das klingt.
Ein Pulli, der nicht zur Hose passt, lohnt das Türeknallen am Morgen vielleicht einfach nicht. Da dürfen wir sie in ihrem Geschmack einfach ernstnehmen und drüber hinweglächeln. Sind Drogen im Spiel oder eine Radikalisierung im Netz, müssen wir hingegen in die Handlung kommen.

Und wenn wir auf ein versenktes Handy auf der Poolparty aber kein „Selbst schuld, schau halt, woher du die Kohle kriegst, um das zu ersetzen“ äußern, sondern ein „Fuck, das tut mir so leid für dich, ich weiß, wie wichtig dir das Gerät ist, lass uns mal schauen, ob wir das in Reis wieder gerettet kriegen“, dann kann das den nachhaltigen und dauerhaften Unterschied machen. Kein Bätschibätsch, sondern Mitgefühl.
Und daraus ergibt sich dann auch, dass es für schlechte Noten kein Fußballverbot gibt. Sondern ein „Tut mir so leid, bring deine Gefühle erstmal auf den Platz, tob dich aus und dann drück ich dir so die Daumen, dass das mit der Versetzung trotzdem noch klappt“. Am Ende geht´s da um die innere Haltung und ein: Ich bin immer für dich da. Darauf kannst du dich verlassen.
(Als Grundhaltung gemeint und nicht für jede konkrete Situation natürlich. Denn auf ein „Du hast Mundgeruch“ statt „Guten Morgen“ darf dann natürlich trotzdem das Frühstück gern auch einfach in einem anderen Raum eingenommen werden. Danach darf die Tür dann aber wieder geöffnet werden, um es beim nächsten Mal besser zu machen… wenn wir respektvoll mit ihnen umgehen, dürfen wir im Gegenzug auch Respekt erwarten, das ist ja klar und auch eine Grundhaltung, die sich lohnt, so jedenfalls meine Erfahrung. Habt ihr noch weitere?)