Suizid: Als ich mich trennte, nahm sich mein Mann das Leben

Suizid

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Ihr Lieben, dieser Beitrag thematisiert Suizid – bitte lest dieses Interview nur, wenn ihr euch dazu in der Lage fühlt und es euch nicht triggert. Solltest du oder ein Bekannter/Familienangehöriger Suizidgedanken haben, kannst du dich 24 Stunden am Tag kostenlos an die TelefonSeelsorge (0800 1110111) wenden oder ans Infotelefon der Deutschen Depressionshilfe (0800 / 33 44 533).

Der Mann unserer Leserin Sarina hat sich vor einem Jahr das Leben genommen. Mit uns spricht sie über diese schwere Zeit und wie es ihr und den gemeinsamen zwei Kindern geht. Danke für deine Offenheit!

Liebe Sarina, der Vater deiner Kinder hat Suizid begangen. Lass uns mal zeitlich weiter zurückgehen. Wie lange wart ihr zusammen und wie würdest du eure Beziehung beschreiben?

Wir waren knapp 8 Jahre zusammen. Wir kannten uns schon länger über die Arbeit, doch als sich etwa zur gleichen Zeit seine Exfrau von ihm trennte und mein damaliger Freund sich von mir, schweißte uns das zusammen und wir lernten uns lieben.

Ich war zunächst sehr zurückhaltend und zweifelnd, da er 17 Jahre älter war als ich und schon zwei Töchter hatte und ich noch Kinder haben wollte. Er betonte aber, dass er mit mir auch noch Kinder haben wollte, trotz seiner 50 Jahre. Zunächst war unsere Beziehung leider geprägt von einem furchtbaren Rosenkrieg und emotional starker Belastung, die ihn immer wieder an den Rand der Verzweiflung brachte. Aber zusammen haben wir das durchgestanden.

Hinzu kam, dass unser Kinderwunsch sich nicht so einfach erfüllen ließ und wir uns an eine Kinderwunschklinik wenden mussten. Als es dann nach mehreren Versuchen endlich klappte und dann noch im Doppelpack, waren wir sehr glücklich. Wie waren beide selbstständig, genossen das Leben und freuten uns auf unsere Kinder.

Doch dann änderte sich etwas…

Ja, als die Kinder geboren wurden, wurde recht schnell klar, dass er sehr überfordert war mit der Vaterrolle von Zwillingen. Da er ein ADS hatte und es ihm an sich schon schwerfiel, sein eigenes Leben zu regeln, brachte ihn unser süßes Doppelpack immer wieder sehr an seine Grenzen. Ich fühlte mich schon früh von ihm alleingelassen. Er zog sich immer mehr in seine Arbeit zurück und ich hatte mit meiner Selbstständigkeit, den Zwillingen, dem Haushalt und allem Drumherum sehr viel um die Ohren.

Wir führten viele Gespräche, überlegten, was wir wie ändern könnten und ich bat ihn mehrfach, eine Paartherapie zu machen, was er zunächst ablehnte. Als die Kinder zwei Jahre alt waren, begannen wir dann aber doch eine Paartherapie. Im Zuge dessen wurde das Ausmaß seiner depressiven Symptomatik immer deutlicher. Er begann nach viel Bitten meinerseits irgendwann Medikamente auszuprobieren und ging auch in eine Einzeltherapie. So richtig wollte er das aber nicht und warf mir vor, er würde das für nur mich tun…

Wie ging es weiter?

Er veränderte sich in seinem Wesen extrem. Nach außen hin war er immer noch der witzige, humorvolle, starke und herzliche Mann. Zu Hause rastete er immer wieder aus, machte mir Vorwürfe, zog sich zurück, lag nur noch auf dem Sofa und blieb bei seiner Arbeit. Für mich zeichnete sich immer mehr ab, dass ich so nicht mehr leben kann und möchte. Im Sommer 2022 sagte ich ihm in einer Paarsitzung, nachdem wir schon zuvor häufig darüber gesprochen hatten, dass ich mich trennen möchte. Wir klärten in der Sitzung ab, ob er klarkommen würde die nächsten Stunden und wo er Hilfe bekommen könnte. Er versicherte der Beraterin und mir, sich nichts anzutun.

Doch an dieses Versprechen hielt er sich nicht, richtig?

Genau. Abends um 19 Uhr, als ich die Kinder ins Bett brachte, bekam ich einen Anruf, dass er mit Überdosis Tabletten und Alkohol ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Er hatte noch rechtzeitig seinen besten Freund informiert, der ihn gefunden hatte. Danach bin ich in meiner Entscheidung nochmal eingeknickt und habe seinem Bitten, es nochmal zu versuchen, eine Chance gegeben. 

Wie hat dieser zweite Anlauf geklappt?

Ich merkte schnell, dass er es einfach nicht schaffte, sein Verhalten zu verändern und auch nach wie vor nicht bereit war, in eine Klinik zu gehen, worum ich ihn seit 2 Jahren bat. Also trennte ich mich im Oktober erneut und diesmal mit klarer Absicht.

Wie hat er darauf reagiert?

Er war am Boden zerstört, versicherte mir und auch der Therapeutin aber immer wieder, dass er sich nichts antun werde. Wir wohnten dann weiter zusammen, er wollte erstmal sehen, wie es jetzt weitergehen kann. Wir überlegten, was für die Kinder das Beste sein würde und wollten eine friedliche und gute Lösung für alle finden. Dann hatte er Geburtstag, den wir gemeinsam verbrachten.

Wir beide gingen frühstücken und verbrachten nachmittags den Tag mit unseren Zwillingen. Abends ging er noch zu seinem besten Freund. Am nächsten Tag, eine Woche nach meiner Trennung, fragte er mich morgens, ob wir noch eine Chance hätten, wenn er jetzt in die Klinik ging. Ich verneinte dies, er brach weinend zusammen, ging nach oben und ich machte mich auf den Weg zur Arbeit.

Von der Arbeit aus rief ich ihn zwischendurch an und er sagte mir, er müsse jetzt auch arbeiten, ich solle ihn in Ruhe lassen, wir würden uns ja abends sehen. Ich telefonierte noch mit einer Freundin, weil ich zweifelte, ob ich richtig gehandelt hatte, aber wir waren uns einig, dass ich selbst krank werden würde, wenn ich ihn weiter mit auffangen würde.

Um 16.45 Uhr erhielt ich dann einen Anruf der Kita, wann wir die Kinder abholen würden, sie seien immer noch da. Es war sein Nachmittag und er hatte sie nicht abgeholt.

Was hat dieser Anruf bei dir ausgelöst?

Mir war sofort klar, dass er sich etwas angetan hatte. Ich rief die Mutter der besten Freundin meiner Kinder an und bat sie, die beiden zu holen. Dann fuhr ich nach Hause und habe in den 30 Minuten Fahrtweg einen Freund und seine Kollegin zu seinem Arbeitsplatz geschickt, um nachzusehen. Zwischendurch organisierte ich mir noch zwei Freundinnen nach Hause, weil mir klar war, dass ich Hilfe brauchen würde.

Zu Hause angekommen wartete ich ewig und es wurde immer klarer, dass es wohl nicht gut gegangen ist, da unser Freund mich sonst längst kontaktiert hätte. Ca. eine Stunde später kam er die Straße entlang, kam rein, fragte wo die Mädels seien und schüttelte nur den Kopf. Ich war so froh, dass meine Freundinnen da waren. Kurz darauf kam die Kripo und wieder eine halbe Stunde später auch zwei Seelsorger. Er hatte sich in seiner Praxis erhängt, also ein sehr sicherer, aber auch aggressiver Tod.

Wie hast du diesen Abend überstanden?

Ich musste dann unsere Töchter noch abholen und habe sie tatsächlich noch gut mit einer Freundin ins Bett gebracht, ohne, dass sie etwas merkten. Am Abend kam noch meine Schwester, noch eine weitere Freundin und ich war warm gebettet in liebevolle Menschen. Plötzlich standen auch noch seine großen Töchter vor der Tür und wollten bei mir sein. Zwischendurch informierte ich noch seine Familie und Freunde. Im Nachhinein weiß ich nicht, wie ich das alles geschafft habe. Ich war im Funktionsmodus und bin es tatsächlich auch nach fast einem Jahr immer noch. 

Kannst du beschreiben, welche Emotionen du durchlebt hast und noch durchlebst?

Im ersten Moment habe ich nur geschrien. „Das hat er nicht wirklich gemacht?“ Dann bin ich weinend zusammengebrochen. Diese Fassungslosigkeit, diese Endgültigkeit, diese Verzweiflung. Recht schnell kam aber auch Wut, die auch nach wie vor häufig da ist. Er hat mir einen Haufen an Chaos in seinem Leben hinterlassen. Unser Haus zugemüllt in Keller und Garage, weil er aufgrund seines ADS im Chaos versank. Dazu seine Praxis, die ich auflösen musste, sein Büro, in das man nicht treten konnte, weil er alles nur noch hineingeworfen hatte.

Ich habe aber auch Momente, in denen ich ihm verzeihen kann. Er konnte einfach nicht mehr. Im Zuge des Aufräumens haben wir Vieles gefunden, was darauf hindeutete, dass er sein Leben lang schon sehr depressiv war. Er hat eigentlich sein ganzes Leben geschauspielert und in ihm drin sah es ganz anders aus. Ich habe Momente davon sehen dürfen, aber was muss es für eine immense Anstrengung gewesen sein, dies alles ständig zu verdecken und sich zu verstellen?!

Wie hast du den Kindern gesagt, dass ihr Vater nicht mehr lebt?

Die Kinder habe ich am kommenden Tag in die Kita gebracht, den Morgen mit Organisationen, Weinen und Informieren von Familie und Freunden verbracht. Als ich sie am Nachmittag abgeholt habe, haben meine Schwester und ich uns mit ihnen hingesetzt und ihnen gesagt, dass ihr Papa gestorben ist und dass das heißt, dass er nie wieder kommt.

Ich habe ihnen erklärt, dass Papa Depressionen hatte, er deswegen häufig so müde und erschöpft war und manchmal so launisch und nicht berechenbar und dass er daran verstorben sei. Insgesamt habe ich im weiteren Verlauf viele themenspezifische Kinderbücher mit ihnen gelesen, in denen die Themen Tod und Verlust eines Elternteils gut aufgegriffen wurden. Vor wenigen Wochen habe ich ihnen mithilfe eines Buches noch genauer erklärt, wie ihr Vater gestorben ist.

Meine eine Tochter hatte immer wieder genau nachgefragt und es wurde deutlich, dass sie spürte, dass da noch mehr ist als „nur“ Depression. Es war ein schrecklicher Moment, aber zur Zeit verstehen sie noch nicht in ganzem Ausmaß, was Erhängen heißt. Diese genaueren Fragen werden mich in ein paar Jahren erwarten. Glücklicherweise bin ich vom Fach und kann, auch wenn es bei den eigenen Kindern und mit der eigenen Trauer etwas anderes ist, meine Kinder gut begleiten.

Gab es Gedanken nach dem Motto: „Wenn ich mich nicht getrennt hätte, dann könnte er noch leben“? Das ist natürlich Quatsch, aber hast du das mal gedacht?

Ganz zu Anfang habe ich sehr mit mir gehadert, ob ich ihm noch die Chance mit der Klinik hätte geben sollen. Aber relativ schnell konnte ich mir klar sagen, dass das auch nicht geholfen hätte. Wie ich im Nachhinein erfahren habe, hat er seinem Therapeuten nicht von seinem Suizidversuch erzählt. Und wer so unehrlich in der Therapie ist, will nicht wirklich etwas verändern. Er hätte auch eine stationäre Therapie nur gemacht, um mich zu halten und dann hätte sie auch nicht geholfen.

Zudem sehe ich, dass er einfach keine Kraft mehr für sein „Lebensschauspiel“ hatte und es seine Entscheidung war und nur er dafür die Verantwortung trägt. Seine große Tochter sagte sogar zu mir, dass er ohne mich früher verstorben wäre und das glaube ich mittlerweile auch. Diesen Scheidungskrieg hätte er ohne mich an seiner Seite glaube ich nicht geschafft. Also sage ich mir, dass er durch mich noch einige schöne Jahre hatte und bin ihm unendlich dankbar für unsere wunderbaren Töchter.

Wie ist euer Umfeld mit dir nach dem Suizid umgegangen?

Mein Umfeld ist das Beste, was mir passieren konnte. Ich bin und werde nach wie vor so liebevoll aufgefangen und unterstützt, dass ich es mir nicht besser vorstellen könnte. Studenten aus der Kita boten mir sofort an, meine Töchter nachmittags länger zu betreuen, wenn ich noch arbeiten bin. Unsere „Tagesmutter“, die die beiden ab und zu seit der Geburt betreute, stand einen Tag nach seinem Tod vor der Tür und sagte mir, dass sie ab jetzt wöchentlich ehrenamtlich kommt.

Meine Familie war sofort da und half mir die ersten Wochen mit dem Gröbsten. Eine Freundin nimmt meine Beiden auch schonmal für eine Nacht und meine Schwester ebenfalls mal für ein Wochenende. Eine weitere Freundin kommt einmal wöchentlich abends, damit ich zum Chor gehen kann. Zudem hat sie uns im Haus geholfen auszumisten und hilft an allen Ecken und Enden. Und meine Schwester hat in dem Jahr fast alle ihre Urlaube mit uns verbracht und ist immer für uns da. Genauso wie meine Eltern und meine andere Schwester, die leider weiter weg wohnen, aber auch alles Mögliche machen, um für uns da zu sein. 

Auch unsere Kita, eine Elterninitiative, ist unglaublich. Die Eltern stellten mir Essen vor die Tür, holten meine Kinder mal mit ab, kommen jetzt zum monatlichen Elternabend zu mir nach Hause, damit ich keinen Babysitter zahlen muss. Die Liste der Hilfsbereitschaft ist wirklich lang und ich bin unendlich dankbar dafür! Ich muss dazu sagen, dass ich aber auch sehr offen und direkt mit allem bin. Ich denke, das macht es meinem Umfeld auch leichter.

Wie geht es dir heute, ein Jahr nach dem Suizid? 

Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Letzte Woche war ich mit meinen Töchtern und meiner Schwester im Urlaub in der Sonne. Das hat uns unendlich gutgetan. Ansonsten steht in den nächsten Wochen sein Geburtstag und ein Tag später sein Todestag vor der Tür. Das lastet auf mir und auch die Kinder sind wieder etwas mehr in ihren Trauerpfützen unterwegs.

Nach wie vor habe ich viele Altlasten von ihm, die ich noch loswerden möchte und habe das Gefühl, nicht richtig zur Ruhe kommen zu können. Andererseits geht es uns so ganz gut. Unser neues Familienlied ist „Feuerwerk“ von Vincent Weiss und so leben wir jetzt unser Leben. Ich versuche, möglichst viele schöne Momente mit den Kindern zu schaffen, fahre viel weg, unternehme tolle Dinge und wir feiern unser Leben. Das würde ihm gefallen!

Was hast du durch all das Erlebte gelernt?

Was ich am meisten in den letzten Monaten gelernt habe, ist Hilfe annehmen. Es fiel mir zu Beginn etwas schwer, aber ich habe gespürt, wie gern mir alle helfen wollen und so fühlt es sich mittlerweile an, dass es für alle eine Win-Win-Siuation ist. Auch Helfen ist ja ein schönes Gefühl.

Zudem habe ich gemerkt, dass der Austausch mit Gleichgesinnten mir unheimlich guttut und dass die Gefühle, Gedanken und alles was damit zusammenhängt, wenn man Suizidhinterbliebene ist, nur jemand nachvollziehen kann, der es selbst erlebt hat.

Ansonsten hat sich einfach nur bestätigt, dass das Allerwichtigste im Leben ein tolles soziales Netzwerk ist, weil mit einem solchen alles zu schaffen ist. Und ich bin nochmal dankbarer für meine Unabhängigkeit geworden. Hätte ich nicht meine eigene Selbstständigkeit und die finanzielle Sicherheit, wäre auch alles deutlich schwieriger gewesen.

Und zu guter Letzt: Ich liebe mein und unser Leben und werde es hoffentlich schaffen, mit meiner positiven Lebenseinstellung meinen Töchtern eine gute Resilienz für ihr Leben mitzugeben.

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11 comments

  1. Liebe Sabine,
    Das klingt alles sehr schwer. Ich wünsche Dir, dass Du es weiterhin gut verarbeiten kannst. Mein Noch-Mann ist depressiv. Ich bin mit ihm sehr unglücklich, da er untreu war und es nicht aufarbeitet. Aber ich habe Angst, dass er sich das Leben nimmt, wenn ich mich trenne. Wir haben drei Kinder, sie sind schon ziemlich groß, aber ich habe Angst, dass sie mich in diesem Fall beschuldigen würden. Viele Ratschläge aus Psychologie und Küchenpsychologie scheinen mir das Problem nicht zu lösen. Ja, ich muss mich nicht für ihn aufopfern. Ja, ich bin nicht für seine Entscheidungen verantwortlich. Ja, ich muss auf meine eigene Gesundheit aufpassen. Aber wenn es passiert, ist es trotzdem schlimm. Bei Bekannten von Bekannten wurde daraufhin der Sohn suicidal. Das will ich auf keinen Fall! Hat jemand einen Rat?
    Liebe Grüße,
    Viola

    1. Liebe Viola,

      Ja, es ist schlimm. Aber es ist auch schlimm, dass es dir im Alltag schlecht geht. Ich weiß in welcher schwierigen Situation du bist. Man weiß nie was kommt, aber ich weiß einfach, dass egal was das Leben für mich bereit hält, ich werde es meistern. Ich wünsche dir, dass auch du diese Zuversicht hast.
      Einen Rat hab ich leider nicht richtig. Sorge für dich und nimm dich wichtig. Jeder trifft seine eigenen Entscheidungen. Du für dich, dein Mann für sich und alle Anderen auch für sich. Niemand geht in deinen Schuhen! Ich wünsche dir unendlich viel Kraft!
      Alles Liebe
      Sarina

  2. Es tut mir sehr leid, was dir passiert ist. Ohne dir zu nahe treten zu wollen: ich glaube nicht, dass man Kindern vor der Volljährigkeit mitteilen sollte, dass ihr Vater sich umgebracht hat. Ich weiß, was es mit meinem damals 17-jährigen Bruder und mir gemacht hat, als ein Familienmitglied sich umgebracht hat. Das ist kaum zu überleben. Ich würde das absolut nur bei Volljährigkeit und vielleicht – vielleicht nicht einmal dann sagen. Ehrlichkeit hin oder her – daran können Kinder zerbrechen und sie werden sich dann vielleicht ewig fragen, ob sie schuld waren.

    Wäre es mein Kind, würde ich auf jeden Fall eine Unfallversion erzählen, solange wie möglich.

    1. Sehe ich komplett anders. Ein Freund meiner Eltern hat sich erschossen, nachdem er eine Bank ausgeraubt hat und kurz davor war, von der Polizei gestellt zu werden. Ich war 14 als das passiert ist, die Tochter der Freunde meiner Eltern 12. Ihr haben sie die Wahrheit gesagt, mir etwas von einem Unfall erzählt. Ich habe durch Freunde und die Presse die Wahrheit herausgefunden und war tief enttäuscht und verletzt von meinen Eltern, dass sie mich belogen haben. Ich habe, gensu wie alle anderen Freunde und Familienmitglieder, die Wahrheit verdient. Es hat mein Vertrauen in meine Eltern erschüttert, dass sie mich bei so etwas belogen haben und ich war sehr wütend auf sie,,weil sie nicht den Arsch in der Hose hatten, mir die Wahrheit zu sagen. Kinder sind nicht dumm und haben feine Antennen, sie spüren, wenn man sie belügt und sie haben Aufrichtigkeit verdient. Sie können mit der Wahrheit umgehen und sie verkraften, man muss Kinder nicht extrem in Watte packen. Sie verstehen mehr, als du glaubst.

    2. Ich danke dir für deinen Hinweis, muss dir aber leider widersprechen. Es ist fachlich erwiesen, dass Ehrlichkeit extrem wichtig ist und da ich selbst vom Fach bin, weiß ich, dass Kinder das sehr gut verkraften können. Sie haben noch nicht die Vorstellung und Bilder wie wir Erwachsenen. Meine Tochter hat gespürt, dass da mehr ist als ‚Depression‘ und hat immer wieder gefragt. Wie soll sie mir vertrauen, wenn ich sie anlüge? Ehrlichkeit ist enorm wichtig für Kinder, gerade um eben auch das Schuldthema zu besprechen. Kinder fühlen sich häufig sogar bei natürlichem Tod schuldig, weshalb der Austausch und das Reden immer total wichtig ist. Wenn es dich mehr interessiert, schau dir gern z.B. das Buch ‚Leben ohne Mama Maus an‘. Neben dem Teil für Kinder ist auch eine sehr gute Handlungsanweisung für Erwachsene dabei.
      Alles Gute dir.

      1. Hallo Sarina!
        Ich bin auf diesen Artikel aufmerksam geworden, weil ich in der selben Situation bin.
        Mein Partner hat sich Ende Juni, einen Tag vor dem 2. Geburtstag unserer Tochter, das Leben genommen. Eine Woche zuvor habe ich mich getrennt, weil mich die Beziehung krank gemacht hätte. 7 Jahre lang waren wir ein Paar und ich habe es wirklich versucht. Leider konnte auch er nicht aus seiner Haut und hat es mir dadurch nicht leicht gemacht. Under Alltag war nur mehr mit emotionalem Stress verbunden. Es beschäftigt mich immer wieder sehr, ich würde gerne wissen, welche seine letzten Gedanken waren. Zumal ich mich sehr „fürsorglich“ getrennt habe und uns eine weiterhin gute Verbindung gemeinsam mit unserer Tochter zugesichert habe. Viele Fragen bleiben offen. Trotzdem seh ich es wie du! Ich möchte, dass sie und ich ein erfülltes, zufriedenes Leben führen können und dafür tu ich, was in meiner Macht steht. Ich fühle mir dir. Liebe Grüße

    3. Das Umfeld muss da aber „mitspielen“ und irgendwann kommt die Wahrheit ans Licht und das ist ein riesen Vertrauensmissbrauch für die Kinder der Mutter gegenüber. Die Wahrheit tut weh aber währt am längsten u wenn sie es den Kindern mit Büchern kindgerecht erklärt, ist doch alles gut. denke es kommt stark darauf an wie man es vermittelt

    4. Ich kann sehr gut verstehen, dass das schwer für dich und deinen Bruder war, auch ich habe ein Familienmitglied durch Suizid verloren, aber die Kindern zu belügen wie ihr Vater gestorben ist halte ich für absolut falsch!
      Es kommt irgendwann raus und diese Enttäuschung von der eigenen Mutter in einem so wichtigen Punkt belogen worden zu sein ist furchtbar..
      Liebe Sarina, dir wünsche ich weiterhin sehr viel Kraft und Unterstützung!
      Deine Kinder haben großes Glück eine so starke und liebevolle Mutter zu haben, die nicht aus falschem Stolz unfähig ist die wertvolle Hilfe anzunehmen!

      1. Direkt belügen meinte ich auch nicht wörtlich. Ich habe meiner Tochter -über dieses Familienmitglied das so erklärt: „Person x war sehr krank und ist leider plötzlich gestorben. Wie das genau war und warum, erkläre ich dir, wenn du größer bist.“ „Warum?“ „Weil das einfach sehr schwer zu verstehen ist für ein Kind. “

        Das hat sie so akzeptiert. Natürlich habe ich nicht direkt gesagt „Er hatte einen Autounfall“, aber ich nehme an, sie hat es so verstanden. Einem Kind mit 6 Jahren sagen „er hat sich erhängt/erschossen/…“ – wie soll das Kind das verarbeiten.
        Er war auch länger schwer psychisch krank, insofern ist das keine Lüge.

        Natürlich kommt es auch auf das Alter der Kinder an, usw. Aber in meinem Fall eine Person, die sie nie kennengelernt hat, da ist auch die Art des Todes mMn nicht so wichtig. Warum soll ich sie damit belasten?

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