Was wir von unseren Kindern lernen können, Folge 12987532

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Manchmal bemerke ich, dass der Alltag mich aufzufressen droht. Ich glaube ja, dass wir Mütter irgendwo einen kleinen, versteckten Knopf haben, den Funktionieren-Knopf. Die meisten von uns drücken ihn, sobald wir die Augen morgens aufschlagen.

6.45 Uhr, das Söhnchen kräht, ich hole ihn in unser Bett. Ganz leise, damit die Große noch ein bisschen schlummern kann. Wir kuscheln, gegen sieben stehen wir dann auf. In meinem Kopf geht es los. Was steht heute an, welche Termine haben die Kinder. Wen sollte ich noch mal ganz dringend heute anrufen. Wo ist meine schwarze Hose. Die Strumpfhosen werden dem Söhnchen langsam zu klein – ein Punkt mehr auf dem Merkzettel: Ab in die Stadt.

Ich putze Zähnchen, ziehe an. Höre, wie die Große aufwacht. Drücke sie fest, ziehe auch sie an. Dann ab zum Frühstück. Alle Müsli-Schalen voll, Tee und Kaffee machen, im Kopf rattert es weiter. Huch, sind ist schon wieder so spät?

Ab zur Kita, küssen, drücken und weiter geht’s zum Einkaufen. War ich nicht nächste Woche dran für das Kita-Frühstück? Mist, ich brauch doch noch Windeln. Soll ich jetzt noch zur Post? Ne, der Schreibtisch ruft. Dann arbeiten bis 15 Uhr, dazwischen immer mal wieder die Wäsche aus der Maschine holen.

Soweit so normal. Kennt jede Mutter. Oder noch mehr. Während meine Arbeitsaufgabe ist, Wörter in den Computer zu hacken, operieren andere Mamas offene Herzen. Oder pflegen alte Menschen. Oder erfinden Medikamente gegen Krebs. Oder fliegen ein Flugzeug. Ich kann mich also nicht beschweren. Tue ich auch nicht. Ich mag ja, was ich tue.

Und trotzdem fällt mir auf, dass mir manchmal irgendwo im Alltag das Leben verloren geht. Der Moment, in dem man kurz still steht und bewusst frische Luft einatmet. Das herzhafte Lachen. Manchmal bin ich so im Funktionieren-Modus, dass meine Emotionen schlafen gehen. Keine Hochs, keine Tiefs, nur gleichbleibendes Etwas.

Bis zu dem Zeitpunkt, wenn ich die Kinder abhole. Sobald ich in der Tür stehe, stürzt sich mein Sohn auf mich. Ruft „Maaaaamaaaa“, herzt und drückt mich, als hätten wir uns jahrelang nicht gesehen. Genau wie meine Tochter. Aus ihr sprudelt heraus, was sie erlebt hat. Drückt mich.

Und ich sitze da, zwischen Gummistiefeln und Schneeanzügen, und denke mir: Kinder haben keinen versteckten Funktionieren-Knopf. Sie leben einfach. Fühlen intensiv. Sind traurig, wenn sie traurig sind. Lachen, wenn etwas lustig ist. Sind eingeschnappt, wenn ihnen etwas weggenommen wird. Sind begeistert, wenn sie endlich etwas Neues können. Sie denken nicht so viel nach, was noch sein muss, was passieren könnte. Sie machen einfach. Bewundernswert.

Ich sag ja immer, meine Beiden sind meine größten Lehrmeister. Was hab ich nur für ein Glück!

 

 

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3 comments

  1. Schöner Beitrag
    Ich finde auch, dass wir von unseren Kindern eine Menge lernen können. Vor allem: Kinder leben im Hier und Jetzt, genau wie Du es beschreibst.
    Für uns Erwachsene in der Job-Haushalt-Elternsein-Alltags-Tretmühle ist nichts schwerer als das.

  2. Nachmittags ist auch nicht immer rosa
    Klingt alles gut und richtig, endet aber wie in amerikanischen Liebesfilmen und zwar mit einem Kuss. Was danach passiert, kriegt man nicht mehr mit. Wenn sich die Kinder im Kindergarten nicht anziehen wollen und man ihnen nass geschwitzt hinterher rennen muss. Wenn sie einen mit „Hast Du was Süßes mit?“ begrüßen und einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn es nicht die richtigen Gummibärchen sind. Und wenn man dann noch gemeinsam einkaufen gehen muss, da man es vormittags nicht allein geschafft hat und die Kinder quengeln. Der Alltag hört nicht beim Abholen der Kinder auf, aber er wird mit Kindern auf jeden Fall spannender. Und auch ohne Kinder war der Alltag nicht immer easy peasy. Dann hieß es früh raus und arbeiten bis es dunkel war, einkaufen, kochen, abends müde auf die Couch oder zur After-work-Party und am nächsten Tag wieder das gleiche. Alltag ist das Leben!

    1. @Magda
      Klar hast Du recht – der Alltag hört nicht auf, sobald man die Kinder holt. Und natürlich gibt es auch bei uns Quengel-Einkäufe am Nachmittag. Aber darum ging es gar nicht so. Es ging um meine eigenen Emotionen, die manchmal einfach vom Funktionieren zugedeckt werden – und das kennen Kinder so gar nicht 🙂