Intelligent getrennt: Anwältin Sandra Günther über den Schutz der Kinder in der Trennungszeit

Trennung

Symbolfoto: pixabay

Ihr Lieben, der 16. Mai ist der Tag des friedlichen Zusammenlebens. Doch was, wenn es Zuhause kein friedliches Zusammensein mehr gibt und die Eltern sich trennen? Wie lässt sich das Wohl der Kinder weiterhin schützen?

Sandra Günther ist seit über 15 Jahren Anwältin mit Schwerpunkt auf Familienrecht, Strafrecht und Gewaltschutz, und bietet als Trennungsexpertin unter dem Namen „Intelligent getrennt“ Kurse für Menschen in der Trennungsphase an. Auch ein Buch hat sie zum Thema geschrieben. Sie setzt sich dafür ein, dass Kinder nicht unter Konflikten der Eltern leiden.

Liebe Frau Günther, Sie sind seit über 15 Jahren Anwältin mit Schwerpunkt auf Familienrecht, Strafrecht und Gewaltschutz, welcher Fall lässt Sie bis heute nicht los und warum?

Intelligent getrennt
Sandra Günther

Es gibt zwei Fälle, die mich sehr berührt haben. In dem einen Fall hat eine Rentnerin ihren Mann mit einem Messer erstochen, an Ostern. Als ich diese Frau, ich war Ihre Verteidigerin, in der JVA erstmalig besucht habe sagte sie zu mir: „Frau Günther, ich darf endlich lesen, hier gibt es eine Bücherei“.

Wohlwissend, dass sie in einem tiefen Schock über das Geschehene war, war für mich sofort ersichtlich, dass sie ein Opfer jahrelanger physischer und psychischer Gewalt war. Sie wurde in ihrer eigenen Wohnung von ihrem Mann betrogen, sie wurde geschlagen, sie wurde erniedrigt und gedemütigt und in einem Moment der Wut und im Affekt stach sie zu, in der ehelichen Küche, während des Kochens. Diese Frau ist mittlerweile aus der JVA entlassen und lebt heute ein weitgehend glückliches Leben, jedoch klar, trotzdem von Reue geprägt. Ich werde sie nicht vergessen.

In einem anderen Fall wurde eine vierfache Mutter nach einer Flucht ins Frauenhaus und der anschließenden Rückkehr von ihrem Ehemann erwürgt. Während die Kinder im Nebenzimmer schliefen. Dieser Mann hatte zuvor in einem anderen Land seine Ehefrau getötet. Die häusliche Gewalt, die diese Frau erlebt hat, war so schlimm, dass die mittlerweile Verstorbene sogar sagte: „Ich wie?, er wird mich eines Tages umbringen.“ Und so kam es auch. Die vier Kinder, ich war in der Nebenklage, sind mittlerweile weit weg untergebracht und werden wohl nie vergessen, was ihrer Mutter angetan wurde.

Inwiefern haben sich die Probleme Ihrer KlientInnen in den letzten 15 Jahren verändert?

Die Fälle von häuslicher Gewalt haben deutlich zugenommen. Es kann natürlich auch sein, dass die Bereitschaft, häusliche Gewalt anzuzeigen, zugenommen hat und die Scham verschwunden ist. Durch das Internet, die zahlreichen Plattformen, die zum Fremdgehen einladen, die Möglichkeit, Partner mittels APPs zu überwachen uvm., sind meine Klientinnen und Klienten natürlich auch eher in der Lage, Sachverhalte selbst zu erforschen, was wiederum oft zu viel Zorn und Affekthandlungen führen kann. Oft sage ich mir: „Wollen wir wirklich alles von dem Anderen wissen?“

Als Trennungsexpertin bieten Sie unter dem Namen „Intelligent getrennt“ Kurse für Menschen in der Trennungsphase an. Wie geht schlaue Trennung?

Wichtig ist, dass man die Nerven und den Überblick behält. Oft geht es um Geld, um Vermögen. An dieser Stelle ist es wichtig, sich im Vorfeld schlau zu machen, welche Werte überhaupt vorhanden sind, wie hoch die Einnahmen des Anderen sind, welche Aktien er hat und wo die Lebensversicherungen abgeschlossen wurden. Am besten ist es, sich von den Dokumenten vorab Kopien zu machen. Ist es erst eskaliert ist dazu nämlich keine Gelegenheit mehr. Dann gibt es noch die gemeinsamen Kinder, die unter einer unintelligenten Trennung leiden werden.

Es ist nicht klug, einem Elternteil die Kinder vorzuenthalten. Es ist besser, bindungstolerant zu sein, und die Bindung zwischen dem anderen ET und den Kindern zu fördern. Miteinander sprechen, wenn es irgendwie geht, ist auch ein wichtiger Punkt. Intelligent getrennt bedeutet, sich zu trennen, ohne viel Scherben und Leidtragende zu hinterlassen und fair zu bleiben. Sicher, dass ist gar nicht so einfach. Es ist ein Mindset, was man sich aneignen muss. Sonst funktioniert es nicht.

Es geht auch nicht um „den Schuldigen“ bei IG, sondern es geht darum, seinen Weg friedlich fortzuführen. Natürlich ist es schlimm, betrogen zu werden, und ja, es ist schrecklich, wenn man daran denkt, dass die eigenen Kinder in der Obhut einer jüngeren Frau sein könnten. Dies sind Themen, die sollten die Betroffenen angehen und lernen, damit besser umzugehen. Nur so kann es auf Dauer dann gelingen, für die gemeinsamen Kinder und für das eigene Seelenheil.

Vielleicht lesen hier einige mit, die sich gerade fragen, ob sie gehen sollten oder bleiben. Haben Sie da einen Universaltipp, der ihnen die Entscheidung erleichtern könnte?

Wenn du deinen Partner nicht mehr sehen, hören oder riechen kannst, wenn ihr keine Zärtlichkeiten mehr austauscht, wenn du dich zu zweit einsamer fühlst als alleine, wenn du nur noch diskutierst und niemals einen Konsens findest, wenn es keine Gemeinsamkeiten mehr gibt und ihr euch gegenseitig oder einseitig abwertet, dann ist es wirklich Zeit zu gehen.

Wann kann eine Trennung für Kinder auch ein Segen sein?

Für Kinder ist in erster Linie wichtig, dass sie glückliche Eltern haben und in einer gesunden Energie aufwachsen. Nichts ist für Kinder schlimmer, als ständig in „Alarmbereitschaft“ zu sein, darauf wartend, wann der nächste Streit ausbricht. Besser glücklich allein als zu zweit frustriert, aggressiv und einsam. Eine Trennung ist oft auch für gemeinsame Kinder eine Befreiung.

Wie schaffen Eltern es, dass ihre Kinder unter den Konflikten ihrer Eltern möglichst wenig leiden?

Eltern sollten sich bindungstolerant zeigen. Sie sollten den jeweils anderen nicht vor den Kindern schlecht machen und sich nach Möglichkeit auch nicht vor den Kindern streiten. Ich weiß, dass ist oft gar nicht so einfach, aber der Weg ist das Ziel. Auch sollten Betroffene mit den Kindern sprechen und sie fragen, was sie belastet. Etwas totschweigen bringt niemandem etwas.

In Ihrem Kurs „Mein Kind, Dein Kind“ vermitteln Sie praxisnahes Wissen – zum Beispiel zu Sorgerecht. Was sollten wir dabei dringend beachten?

Das gemeinsame Sorgerecht muss, wie der Name schon sagt, gemeinsam ausgeübt werden. Wenn sich Eltern nun trennen und nur noch streiten, ist es oft schwierig, gemeinsame Entscheidungen für das Kind bzw. das Kindeswohl, zu treffen. Aus strategischen Gründen sollten getrennte Eltern sich nicht via SMS oder sonst wie schriftlich beleidigen. Dies kann in einem familienrechtlichen Verfahren sehr negativ ausgelegt werden. Eltern sollten ihre Forderungen als Wunsch formulieren, dies entspricht der Sprache der Fachkräfte mehr als krasse Forderungen aufzustellen.

Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, wo gemeinsame Unterschriften zu leisten sind, ist auch keine Zeit für Erpressung oder Druck. Ich rate dann, wenn nicht gewichtige Gründe gegen eine Entscheidung sprechen, zu unterschreiben. Somit bieten Betroffene gegenüber dem Familiengericht in einem sorgerechtlichen Verfahren wenig Angriffsfläche. Dies geht aber nicht immer, denn es gibt natürlich auch immer wieder Betroffene, die beratungsresistent sind. 😊

Was, wenn ich als getrennte Mutter in den Urlaub will oder umziehen – und der Ex ist aber nicht einverstanden?

Sandra Günther

Bei gemeinsamer elterlicher Sorge ist für Urlaubsreisen in der Regel die Zustimmung beider Elternteile erforderlich, da es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt. Diese Regelung gilt sowohl für Urlaubsreisen im Inland als auch ins Ausland. Es gibt jedoch Ausnahmen, beispielsweise bei kurzfristigen Reisen oder wenn das Reiseziel und die Umstände dem Kindeswohl nicht widersprechen, dies betrifft z.B. Reisen nach Disneyland Paris oder andere Urlaubsreisen/ Erholungsreisen wie z.B. nach Mallorca.

Wie bekommen Eltern eine gute Einigung im Umgangsrecht hin?

Indem sie miteinander sprechen und wohlwollend miteinander umgehen. Sie sollten stets den Blick des Kindes einnehmen und ihre eigenen Befindlichkeiten zurückstellen. Es geht nicht um Macht, es geht um regelmäßigen Kontakt zwischen Kind und Eltern.

Eine Beratungsstelle kann dabei helfen, den Blick auf das gemeinsame Kind nicht zu verlieren. Auch eine Mediation kann hilfreich sein. Eine Einigung bedeutet auch immer, sich ein Stück weit von seinem eigenen Standpunkt wegzubewegen, und dies nicht als Versagen anzusehen.

Klare Umgangsregelungen helfen bei strittigen Eltern, das Umgangsrecht auszuüben. Letztlich kann aber auch ein Familiengericht niemals alles regeln und nicht jede Eventualität im Vorfeld überblicken. Also: Eltern, denkt an eure Kinder, die euch beide lieben und auch lieben dürfen.

Was möchten Sie getrennten Eltern mit auf den Weg geben?

Familienanwältin
Sandra Günther

Seht eure Trennung nicht als ein Versagen an und sondern sagt euch: „Wir haben es bis hierhin geschafft und dies ist bereits ein Erfolg! „In einer Zeit, wo alles immer schnelllebiger wird, Menschen Beziehungen wechseln, wie es ihnen beliebt, ist es bereits ein Erfolg, überhaupt eine längere Beziehung gelebt zu haben. Wenn es dann zu Ende geht, sollte man dies annehmen und sich auf das Danach freuen. Denn nichts im Leben geschieht ohne Grund.

Außerdem: Jeder kann immer wieder neu beginnen😊 Eltern sollten versuchen, sich für ihre Kinder zu verstehen. Sie sollten als Elternpaar funktionieren und davon absehen, ihre Kinder zu manipulieren und in Loyalitätskonflikte zu bringen. Nur so können Kinder gesund aufwachsen.

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