Ihr Lieben, wer in einer unglücklichen Ehe steckt, soll sich halt trennen, heißt es oft so lapidar. Und das hört sich vielleicht ziemlich easy an, aber wir alle wissen, dass die Realität nicht leicht ist. Denn da sind Kinder, an die man denkt, da ist all die Organisation des Alltags und da ist natürlich auch der/die Partner*in, für die man ja auch Gefühle hat. Britta hat uns geschrieben, weil sie sich in einem Gedankenkarussell gefangen fühlt. Sie kommt einfach nicht weiter in ihrer Entscheidung und freut sich, wenn ihr ihr Tipps gebt.
Soll ich meine unglückliche Ehe beenden oder weiterkämpfen?
Wieso redet nie jemand über den Prozess, der einer Trennung vorangeht? Ich quäle mich seit Monaten, ach was, seit Jahren (!) mit der Unfähigkeit herum, mich zu entscheiden zwischen Gehen oder Bleiben. Eigentlich weiß ich, dass unsere Beziehung mich nicht glücklich macht.
Aber ist das alles, was zählt? Klar, ohne Verantwortung für irgendetwas, ohne Verbindlichkeit würde doch jeder und jede eine Beziehung verlassen, die nicht guttut. Doch wie ist es, wenn ich nicht nur für mich verantwortlich bin, sondern auch für unsere Kinder? Und es sagt sich dann so leicht, dass es nichts bringt, „nur wegen der Kinder“ zusammenzubleiben. Aber so profan und einfach ist die Antwort nicht. Es sind ja nicht nur die Kinder. Es ist dadurch ja ein ganzes System. Die Familie. Der gesamte Alltag.
Wenn ich das Internet danach durchsuche, scheint es nur schwarz und weiß zu geben. In mir wanken und schwanken nun aber seit einer gefühlten Ewigkeit unzählige Fürs und Widers. Und in dieser gesamten Zeit stehe ich total neben mir. Bin nicht zugänglich für Freude, Freunde, geschweige denn leistungsfähig. Geradezu depressiv und ohne Lebensmut. Natürlich schreit das alles danach, eine Entscheidung zu treffen. Trotzdem macht genau dieser Druck, sich entscheiden zu müssen auch einen Großteil des Leids aus.
Wenn ich die Suchmaschinen befrage, wimmelt es da von Ratgebern und Erfahrungsberichten, wie letztendlich die Trennung vollzogen wurde. Do’s und Dont’s, wie man es dem Partner erklärt, ohne zu streiten, wie man es den Kindern sagt, wie man die gemeinsamen Güter trennt, wie man wo wohnen könnte.
Die einen berichten von ihrer neuen Freiheit, dem Gefühl danach, die anderen von den Wochenend- oder Nest- und wie auch immer-Regelungen. Anwaltskanzleien beraten bezüglich Unterhalt und Scheidung. Und übrigens findet man in dem Zusammenhang auch wenig Konkretes über Trennungen Unverheirateter und wie da die gesetzliche Lage ist – als seien Trennungen nur mit Eheschein kompliziert!
Wo sind denn die Vorgeschichten? Niemand überlegt doch nach ersten Zweifeln oder ein paar Streits, ein paar Wochen lang was zu tun ist, entscheidet sich dann, spricht es ab, regelt alles und gut is` – oder etwa doch?
Kann ich noch gut alleine sein?
Eines der schlimmsten Gefühle, die mich seit meinen ersten konkreten Zweifeln plagen, ist das Alleinsein mit den widersprüchlichen Stimmungen und der Ohnmacht deswegen. Ich fühle mich wie die einzige Person auf der Welt, die Schwierigkeiten hat, sich zu entscheiden, zwischen dem vertrauten Familienleben, dem Halt durch den Partner, der Verlässlichkeit, der zwar anspruchsvolleren, aber auch luxuriösen Organisation mit 2:2 Betreuungsschlüssel.
Und dagegen die Ruhe, die Öffnung, eventuell die Heilung, aber auch der Schmerz und der Verlust, den eine Trennung mit sich bringen würde, dem Aufgeben der Beziehung zugunsten eines Lebens mit Chancen auf eine neue Liebe, weniger Reibungspunkten oder der Selbstverwirklichung, was auch immer man/frau sich vom Alleinsein verspricht…
Es gibt so Vieles abzuwägen. Und der vertraute Alltag, das nach-Hause-kommen, die Freude der Kinder, wenn sie uns beide um sich haben, bringen mich immer wieder dazu, die negativen Seiten, die unüberwindlich scheinenden Beziehungsprobleme, als nichtig oder weniger schwer zu betrachten. Bis zum nächsten Streit und der darauffolgenden verzweifelten Erkenntnis: „Es wird niemals besser.“
Wir haben krasse Probleme mit uns, mit der Partnerschaft. Aber im Außen, in der Aufteilung der Care-Arbeit, als Eltern-Team sind wir gut, da gibt es nicht viel zu Meckern. Was, wenn „nur“ die Liebe, die tiefe Zuneigung füreinander fehlt? Wir einfach nicht zusammen passen? Was, wenn neben den hin und wieder heftigen Streits, gut miteinander kommuniziert wird? Wenn beide gewillt sind, es besser zu machen, mehr zu geben, an der Beziehung zu arbeiten?
Wie lange gebe ich dem eine Chance, ohne mich selbst zu verlieren? Ich habe zur Zeit das Gefühl, das von mir selbst kaum noch etwas übrig ist, weil ich nur noch darüber nachdenke, was ich tun soll, wie eine Lösung aussehen könnte. Neben diesen Gedanken, zieht mein Leben an mir vorbei.
Ich hätte so viele Fragen an diejenigen in einer ähnlichen Situation: Wie lebt ihr gerade mit euren Partner*innen? Habt ihr eure Zweifel offen kommuniziert? Wie geht der andere Part damit um? Wie geht es den Kindern mit dieser latenten Unsicherheit im Raum? Was tut ihr dagegen, wenn sie das intuitiv spüren und abbekommen? Was ist euer Plan für eine räumliche Trennung? Wie sieht es finanziell aus?
Redet ihr mit Freunden und der Familie offen über eure Gedanken? Habt ihr (hilfreiche) Beratungen in Anspruch genommen oder zieht das in Betracht?
Wir haben vor einem halben Jahr auf meinen Wunsch eine Beziehungspause eingelegt. Weil ich einfach nicht mehr die Kraft hatte, daran zu arbeiten, genug andere Baustellen da waren und ich einfach keine Lust auf Nähe und Zweisamkeit mit ihm habe. Diese Pause ist irgendwann im Sande verlaufen, ohne, dass wir darüber gesprochen hätten. Das war natürlich schlecht organisiert und nicht konsequent von mir.
Pause ist eigentlich immer noch. Kein Sex, keine Zweisamkeit. Aber beide scheinen wir wieder zu hoffen, dass es mal besser wird. Nur konkret tun wir nix. Wir leben weiter mehr oder weniger unzufrieden nebeneinander her. Von meiner Seite gilt dasselbe wie vor der Pause: weil ich keine Kraft dazu habe. Keine Lust. Mich selbst nicht mehr spüre. Erst einmal heilen muss. Aber wie in dieser Situation? Wo anfangen?
Dieses „zwischen den Stühlen sitzen“ ist das Schlimmste. Was aber, wenn es jetzt noch keine Lösung gibt? Wie GENAU hält man das aus, wenn man einfach Zeit braucht? Wie könnte man das kommunizieren und organisieren? Ich glaube, ich sehe vor lauten Bäumen den Wald nicht mehr. Oder vor lauter Splittern des Problems nicht das Hauptproblem. Ich suche die ganze Zeit in mir nach einer Antwort, einem Weg. Aber es gibt scheinbar keinen. Und damit fühle ich mich wie isoliert von allem um mich herum.
4 comments
Hallo liebe Verfasserin, es tut mir leid zu lesen in welchem Zwiespalt zu steckst. Ich habe auch für mich drei Stränge in meiner Ehe erkannt. Eltern sein, Mitbewohner/Freunde und Liebespaar. Es liest sich als wärt ihr gute Eltern und gute Mitbewohner. Als Liebespaar scheint es nicht mehr zu funktionieren. Ich frage mich daher ob ihr alles deswegen trennen müsst… besteht die Möglichkeit, dass ihr etwas „ausgetrocknet“ seid und euch Liebe und Achtsamkeit fehlt? Wäre eine Option den Part Liebesbeziehung zu öffnen und eure Bedürfnisse dahingehend erstmal zu befriedigen? Ich könnte mir vorstellen, dass danach auch wieder mehr Leichtigkeit und Energie kommt. Alles Gute
Eine gute Freundin hat sich bei einer dahingehend ausgebildeten Heilpraktikerin (denn die Warteliste für reguläre Therapeuten wäre wahnsinnig gewesen) helfen lassen. Leider war ihr Exmann nur zu einer einzigen Sitzung bereit zu kommen, bei der er auch nur schwieg – vielleicht ist es aber ja bei euch anders hilfreich. Ihr alleine hat es dann für die Entscheidung zur Trennung und das Weitermachen auch geholfen, obwohl sie lieber geblieben wäre. Vielleicht wäre sowas etwas für dich?
Du schreibst genau das, was ich denke. Danke dafür. Jetzt fühl ich mich nicht mehr ganz so alleine.
Guten Morgen,
ich kann dich sooo gut verstehen! Ich habe auch sehr sehr lange daran zu knabbern gehabt was ich mache, bei mir war es dann irgendwann, ich bin zu jung für den Scheiß und möchte nicht, dass meine Kinder erleben, dass so eine Ehe aussieht. Was ich nicht alles geglaubt habe, ich würde den Kindern schon ein tolltes Zuhause zaubern, packe das alles. Gott war ich naiv, und ein bisschen dankbar für meine Naivität.
Wir waren auch immer ein super Team, sind wir heute noch. Eben ein Team.
Meine Fehler, ich habe keine Grenzen gesetzt, mich verloren, in dem Bild der perfekten Mutter, Hausfrau, Kollegin, Frau… Und ich habe eins nie getan, ganz ganz klar die Worte auszusprechen, entweder es ändert sich „xy“ oder ich gehe. Ich hatte zuviel Angst davor, er würde dann gehen, mich allein lassen. Und mein Herz wurde von mal zu mal kleiner, die Gefühle starben.
Ich glaube, oft sind wir noch zu sehr in alten Mustern drin, entweder gehen oder bleiben, vielleicht gibt es einen Zwischenweg…
vielleicht brauchst du ein paar Tage für Dich Urlaub (klingt gerade provan, ich weiß..), dies regelmäßig, oder vielleicht sogar eine kleine Wohnung, nur für dich, für den Abstand alle zwei drei Wochenenden, ein Hausfreund, eine Affäre. Ich glaube raus zu finden was wirklich dein Bedürfniss ist, ist das wichtigste, vielleicht auch eine Eheberatung für dich allein.
Von Herzen für Dich, ganz viel Kraft