Bad Mom: Einmal tief ausrasten beim Rückbildungskurs

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Ihr Lieben, Silke Schröckert kennt ihr vermutlich schon durch ihr Buch 101 Dinge, die in keinem Eltern-Ratgeber stehen oder durch unseren Beitrag zu Paw Patrol und Kita-Viren.

Nun legt sie mit BAD MOM: Wie ich eine schlechte Mutter wurde, um die beste Mutter für meine Kinder zu sein ein neues Werk vor, aus dem wir hier das Kapitel WIE ICH ENTSCHIED, DASS ICH MEIN BABY IM RÜCKBILDUNGSKURS NICHT DABEIHABEN MÖCHTE publizieren dürfen. Los geht´s.

Bad Mom: Ohne Baby im Rückbildungskurs

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Bad Mom: Wie ich eine schlechte Mutter wurde, um die beste Mutter für meine Kinder zu sein

Dass mein wahres Mama-Leben niemals so werden würde wie im TV-Spot, hätte mir spätestens im Rückbildungskurs klar werden müssen. Bevor ich das erste Mal die heiligen Hallen des Beckenbodentrainings betrat, hatte ich Bilder im Kopf von strahlenden Mamis in pastellfarbenen Leggings aus der neuesten Kate-Hudson-Fabletics-Kollektion.

Vor der Sporteinheit bewundern sie gegenseitig ihre großartigen, sanft schlummernden Babys. Und obwohl sie während der athletischen Übungen ihrem eigenen Liebling immer wieder ins Gesicht lächeln, um ihm zu vergewissern: „Mami ist hier, und Mami liebt dich!“, so schaff en sie es doch, sich voll und ganz auf sich und auf ihren Körper zu konzentrieren, um nach den Strapazen der Geburt endlich Zeit und Raum zur Heilung zuzulassen, bewusst zu atmen, überhaupt: bewusst zu existieren.

„Mir hat der Rückbildungskurs keine Energie gegeben“

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Sie lassen es sich gutgehen, tun etwas für sich, für ihren Beckenboden im Speziellen, für ihren ganzen Körper und ihren Geist im Allgemeinen. Nach dem Kurs drücken sie ihr Baby an sich und marschieren voller neuer Energie in den restlichen Tag, die ganze restliche Woche, bis sie sich zur nächsten Einheit wieder hier treffen werden.

Mir hat der Rückbildungskurs keine Energie gegeben. Im Gegenteil. Schon das Anziehen einer Sportleggings raubte mir so ziemlich alles an ohnehin schon weniger Kraft nach einer durchwachten Nacht mit Neugeborenem. Viel schlimmer aber waren die Übungen an sich, deren Umsetzung für mich an die Grenzen des Möglichen stieß. Ich kam mir vor wie eine, die nicht mit den Ohren wackeln kann, sich aber ungehindert dessen frohen Mutes zum sechzigminütigen Gruppenohrwackeln angemeldet hatte. Vorsichtshalber gleich per Zehnerkarte.

„Deine Sitzbeinhöcker sind Taschenlampen“

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Aber von vorn. Ich bemühte mich wirklich sehr, meinen Beckenboden zu „erspüren“, doch ich spürte: nichts. Ich konnte mit dieser sagenumwobenen Muskelkombination auch keinen „Fahrstuhl fahren“ und keine „Blumenwiese leer pflücken“. Und auch die Vorstellung, dass meine Sitzbeinhöcker (von denen ich immerhin wusste, wo genau an beziehungsweise in mir sie sich befanden) Taschenlampen seien, die in alle Richtungen kreisend leuchten, wollte mein Körper einfach nicht in eine sinnvolle Bewegung umsetzen.

Erschwerend kam hinzu, dass ich mich ausgerechnet für einen Rückbildungs-Yoga-Kurs angemeldet hatte, ohne Ahnung von Yoga zu haben. Also half es mir auch nicht weiter, dass wir zwischen dem Fahrstuhlfahren und Blumenpflücken in (oder für?) unsere „Chakren“ atmeten (was zum Geier ist ein Chakra? Ist das bei der Geburt auch kaputtgegangen?), um uns zu entspannen.

Unzufriedenheit & Entsetzen über rückbildungssportives Unvermögen

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Die Unzufriedenheit und das Entsetzen über mein eigenes rückbildungssportives Unvermögen sorgten nicht nur dafür, dass ich von der ersten bis zur letzten Minute jeder einzelnen Kurseinheit übertrieben nervös war, sondern – natürlich – auch mein Sohn. Klar merkte der, dass ich über das erfolglose An- und Entspannen von Körperregionen, die ich bislang noch gar nicht gekannt hatte, zunehmend verzweifelte, und verzweifelte (wie empathisch von ihm!) quasi synchron mit.

Ich schwöre, ich hätte das wirklich alles wahnsinnig gern gelernt. Also, das Fahrstuhlfahren und Blumenpflücken, sogar das Taschenlampenleuchten. Aber in der Sekunde, in der mein Sohn brüllend vor mir lag, weil er sich unwohl fühlte (weil ich mich unwohl fühlte), war jede Chance vertan, mich diesem Lernprozess konzentriert zu widmen.

Den Rückbildungskurs verbrachte ich mit Sohn beruhigen

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Ich konnte das einfach nicht: mich auf mich selbst konzentrieren, aufmerksam zuhören, neue Dinge lernen und nebenher noch non-chalant mein Baby betreuen, als wäre das die selbstverständlichste Nebensache der Welt, die ich in der Sekunde erlernt hatte, in der er mir im Kreißsaal in den Arm gelegt wurde. Das hatte ich nicht.

Also verbrachte ich meinen ersten Rückbildungskurs fast ausschließlich damit, meinen Sohn zu beruhigen. Und die Tage zwischen den Einheiten damit, mich zu beruhigen, dass es schon nicht so schlimm sei, dass ich kaum eine der Übungen mitmachen konnte.

Bindegewebe-Fahrstuhl fahren wie ein Profi

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Als ich zum zweiten Mal Mutter wurde, fällte ich deshalb eine Entscheidung: kein Rückbildungskurs mit Kind! Stattdessen wählte ich ein Angebot, bei dem mein Baby während der Einheit betreut werden würde. Zusammen mit den anderen Kindern, in einem anderen Raum, außer Sichtweite von uns Müttern.

„Wer passt denn dann auf die Kleine auf?“, fragte mich eine Mutter aus der Kita meines Sohnes. Und ich musste zugeben: Mehr als den Vornamen der freundlichen Dame wusste ich nicht. Dafür wusste ich schon in der zweiten Einheit endlich, wo genau eigentlich mein Beckenboden sitzt. Und in der Woche darauf fuhr ich bereits Bindegewebe-Fahrstuhl wie ein Profi.

Ja, durch diese Entscheidung konnte ich meine Tochter während der Einheiten nicht glückselig anlächeln. Aber das hatte bei meinem Sohn ja auch nicht funktioniert. Dafür lächelten wir beide nach dem Kurs umso ehrlicher, wenn ich sie aus der Kinderbetreuung abholte – voller Energie für den restlichen Tag.

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8 comments

  1. Meine betreuende Hebamme machte die Kurse immer bewusst abends von 20-22 Uhr. Dadurch entstand eine Art „Zwang“ für Mütter und Väter, dass auch der Papa (auch ein vollgestilltes) Baby wunderbar betreuen kann. Und das hat in beiden Gruppen, in denen ich war, bei allen Eltern geklappt. Ganz selten hat mal ein Vater angerufen und die Frau musste früher heim. Ich fand das damals immer eine echt gute Sache. Ich hab meine „Freiheit“ genossen und mein Mann hat „geübt“, das Stillbaby ins Bett zu bringen:)

  2. Sowas gibt es bei uns hier gar nicht… Rückbildung mit Baby Betreuung…

    beim ersten Kind war der kurs abends und es war sehr schwierig. ein bis zweimal konnte mein mann unseren sohn betreuen. aber dann schrie er nur noch. also unser sohn und mein mann schaffte es nicht damit umzugehen. und ich schaffte es nicht sie dann doch allein zu lassen. mit sohn der kurs ging aber auch nicht. baby nur am schreien( nix „nur“ meckern oder sowas ). alles war purer stress.

    beim zweiten kind war der kurz vormittags. mit baby. da mein großer betreut werden musste ( noch nicht in der kita). und mit meinem zweiten baby ging das aber super. sie schlief noch oder lag einfach da und schaute zu. ich konnte alles super mit machen. und sah bei anderen mamas wie stressig es sein kann.

    ich hab also beides erlebt! es kommt wie bei so vielen einfach auf so viele variablen an. ich wollte meine beiden ( vollgestellillten) babys aber auch nicht so lange alleine woanderst lassen. option wäre natürlich auch wenn oma / papa /… vor ort mit baby spazieren gehen und nur im notfall zum stillen kommen…

    nicht zu wissen wer mein kind betreut, und ich davon auch nichts mit bekomme, und diese person gleich 5-8 babys gleichzeitig hat …. da könnte ich in ruhe auch nicht sport machen;)

    die kurse habe ich immer direkt wenn es nach der geburt empfohlen wird ( ich glaube nach ende des wochenenbettes) gemacht. und der zweite war auch super!

  3. Mit Betreuung wird bei uns in der Stadt kein einziger Kurs angeboten… zahlt man für die Betreuung extra oder übernimmt das die Krankenkasse zusammen mit dem Kurs?

    1. Liz
      Ich habe die Rückbildungskurse in der Hebammenpraxis meiner Beleghebamme gemacht und für die Betreuung 2€/ Stunde gezahlt, praktisch nichts. Die Betreuung hat eine andere Hebamme der Praxis übernommen.

    2. Hallo Liz,
      Die Kinderbetreuung ist eine Extraleistung und wird nicht von den Krankenkassen übernommen! Wir nehmen hierfür beispielsweise 39,00€ an Zuzahlung.

  4. Hm, also die Erwartung, dass ein Rückbildungskurs sowas wie tolle Me time ist und mir „Energie gibt“, hatte ich nicht. Wohl aber habe ich die Fahrradfahrten dorthin und wieder nach Hause genossen, das war ein schönes kleines Freiheitsgefühl.

  5. Also ich kenne Rückbildungskurs nur ohne Babys ( ist ja für die Mütter), die werden in der Zeit im anderen Raum betreut vom ( Fach)Personal ( Hebammen…). Sonst ist man ja auch nicht bei der Sache und die Mutter- Kindbindung ist deshalb auch nicht gleich zerstört.

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