Erzieherin: Basteln zum Muttertag – geht das, auch wenn ein Kind seine Mama verloren hat?

Muttertag

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Ihr Lieben, in unseren Elternfragen stellen wir immer wieder Themen zur Diskussion, um möglicht viel Input von unseren Leserinnen zu bekommen. Austausch ist schließlich wichtig und gut. Diesmal haben wir aber auch eine Expertin zur Beantwortung der Frage hinzugezogen, weil sich mit Sicherheit viele LeherInnen und ErzieherInnen fragen, wie sie mit dieser Situation einfühlsam umgehen können. Erst schreibt unsere Leserin. Dann die Expertin. Los geht´s:

Muttertag: Eigentlich basteln wir immer für die Mamas

„Ich bin Erzieherin in einer Grundschule und betreue eine Gruppe 7- bis 8-jähriger Kinder. Ich hoffe einfach, dass wir bald wieder normal arbeiten dürfen und stehe dann vor einem Problem: dem Muttertag.

Normalerweise basteln wir da alle zusammen, ich mache das seit Jahren mit meinen Gruppen und habe auch viele Idee. Die meisten Eltern, bei denen ich schon Geschwisterkinder betreut habe, wissen, dass es von mir immer etwas Nettes gibt.

Die Mama ist tot: Kann ihr Kind trotzdem etwas basteln?

Aber nun haben wir ein Kind in der Gruppe, welches seine Mama verloren hat. Das Kind kommt damit scheinbar gut klar, es redet offen darüber und wirkt so, als wäre ein guter Teil der Trauerarbeit schon bewältigt. 

Aber was mache ich denn nun? Wenn ich nichts basteln lasse, fragen viele andere Eltern. Zudem werden die Kinder mitbekommen, dass andere Gruppen basteln werden.

Hat jemand Ideen, wie ich das regeln kann, ohne Tränen auszulösen? Soll ich den Papa mal ansprechen? Letztes Jahr wäre mein erstes Jahr mit diesem Kind gewesen, aufgrund des Lockdowns stellte sich die Frage da aber nicht.

Tipps von der Trauerbegleiterin

In diesem Fall haben wir mal eine Expertin um Antwort auf diese Leserinnenfrage gebeten. Das hat nun Mechthild Schroeter-Rupieper vom Lavia Institut für Familien Trauerbegleitung empfohlen:

Das ist eine gute Frage, die sich immer wieder stellt. Ich würde das Kind auf jeden Fall auch etwas basteln lassen, denn es hat ja eine Mama, auch wenn die woanders ist. Ich würde das Kind fragen, wo es die Bastelei hintun kann.

Jedes Kind hat eine Mama, auch wenn die vielleicht woanders ist

Und wenn die Kinder ein Bild malen, dann darf dieses Kind es einlaminieren, weil das Bild ja auf den Friedhof kommt – und wenn der Friedhof zu weit weg ist oder es ein Friedwald ist oder es eine Seebestattung war, so dass man nichts hingeben kann, dann kann es ein Bild sein, das man ins Fenster hängt, damit die Mama es vom Himmel aus sehen kann.

Also: Lasst auf jeden Fall das Kind mitmachen! Denn das Kind hat ja auch eine Mama – wie alle anderen. Nur eben an einem anderen Ort!

Was würden wir bei einer Mama machen, die vielleicht grad in Kur ist? Oder bei Scheidungseltern, wenn sie woanders wohnt und nicht immer in der Nähe ist? Es ist die Mama, es bleibt die Mama, deswegen darf sie auch etwas zum Muttertag bekommen.

Macht doch aus dem Muttertag auch einen Dankeschöntag

Und wenn es ein Gedicht gibt, das auswendig gelernt wird, dann kann das Kind zum Friedhof gehen und es aufsagen. Oder es darf das Gedicht in der Klasse aufsagen und dabei wird das Fenster aufgemacht damit die Sprache rausgehen kann – hier geht es einfach drum, diese Verbindung zu schaffen.

Auch die Mama von der Mama, also die Oma, hört es sich vielleicht gern an. Oder das Kind darf sogar ein zweites Geschenk machen, wenn die Oma zum Beispiel eine Art Mutter-Eersatz ist – oder vielleicht dürfen ja sogar alle Kinder noch ein Zweitgeschenk machen und allen Leuten, die ihnen noch so guttun, auch etwas schenken. Dann wird es ein Mutter- und Dankeschöntag <3

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19 comments

  1. Ich bin eines der Kinder, die ihre Mutter verloren haben. Und ich muss sagen, ich verstehe immer noch nicht, warum ich damals etwas basteln sollte. Ich wurde nicht gefragt, es wurde schlichtweg gesagt: „Wir basteln jetzt etwas für den Muttertag“ und ich war nicht begeistert. Nicht wegen Trauer, sondern weil ich die Aufgabe unnötig fand. Dieses lieb gemeinte „man hat immer noch eine Mama, die eben nicht da ist“ galt damals schon nicht für mich. Ich fand und finde es banal, eine tote, abwesende oder misshandelnde Person zu beschenken (diese Fälle gab es in der Grundschule nämlich auch). Außerdem hatte ich mir die „Verurteilung“ anderer vorgestellt: „Wieso bastelt sie, wenn sie eh niemanden zum beschenken hat? Was macht sie da?“ Ich habe mich beobachtet, bemitleidet und „sinnfrei beschäftigt“ gefühlt. Mit letzterem meine ich: Wir basteln jetzt, weil es sich eben so gehört (und ignorieren witzigerweise den Vatertag). Die Lehrkraft kann sich für das Erfüllen der Pflicht einen Haken setzen. Das ist mir damals durch den Kopf gegangen.
    Mein Vorschlag wäre: Das betroffene Kind (oder auch andere Kinder) fragen, ob es an der Aktion teilnehmen möchte und anbieten, dass das Geschenk auch für andere Personen gedacht sein könnte (ich hab meine Oma beschenkt). Ansonsten würde ich das Kind machen lassen, was es will. Es kann in der Zeit ja etwas anderes malen o.Ä.

  2. Ich finde auch, dass es gut wäre, die geplante Bastelaktivität im Vorfeld mit dem Kind zu besprechen. Mein Gedanke wäre aber, nicht direkt suggestiv etwas zum Kind zu sagen von wegen, „Du kannst ja trotzdem was für deine Mama basteln“, sondern erstmal das Kind seine Gedanken dazu aussprechen und entwickeln zu lassen. Es kann ja niemand wissen, wie genau das Kind die Beziehung zu seiner verstorbenen Mutter konzeptualisiert. Möglicherweise gibt es ja auch Kinder, für die es nicht passend/stimmig wäre, etwas für die verstorbene Mutter zu basteln. Diese Kinder würden aber vielleicht mit Freude etwas für eine andere Person basteln, die sie lieb haben. Ich sage bewusst Person, da es ja nicht zwingend eine Frau sein muss.

    1. Ich finde das ist aber eine grundsätzliche Frage und hat nichts mit dem Tod der Mutter zu tun.
      Es gibt sicherlich auch Kinder, deren Mütter leben, aber nicht liebevoll, gewalttätig, narzisstisch etc. sind.
      Wenn man diese Thematik berücksichtigt, müsste man es allen Kindern anheim stellen, etwas für jemanden der eigenen Wahl, den man lieb hat, zu basteln. Würde man an der Stelle dies nur mit dem Kind, welches die Mutter verloren hat, thematisieren, wird es ebenso stigmatisiert bzw. die anderen Kinder, die ein schweres Los haben, vergessen…

      1. Das sehe ich ehrlich gesagt ganz genauso, wollte hier aber in erster Linie auf den Schwerpunktaspekt „Verlust der Mutter“ eingehen und nicht auf das Thema Muttertag im Allgemeinen.
        Dieses ganze Muttertagsding ist in meinen Augen überholt und hat tatsächlich vermutlich für nicht wenige Kinder eine negative oder zumindest ambivalente Konnotation.

        Ich selbst bin mit einer voll berufstätigen Mutter und einem Hausmann als Vater aufgewachsen. Ich fand es schon als Kind bezogen auf meine Situation unpassend, für meine Mutter etwas zu basteln, mit dem ganzen (damaligen) Begleit-Narrativ von wegen, „Die Mama ist immer da, die Mama kocht das Essen und kümmert sich um alles“ etc. pp. Zumal in meinem Kindergarten und meiner Grundschule in den 80er-Jahren für die Väter am Vatertag nichts gebastelt wurde.

        Ich gehöre weiß Gott nicht zu denen, für die alles geändert werden muss, Bsp. Martinsumzug => Lichterfest o.ä.. Beim Muttertag aber würde ich tatsächlich zu denen gehören, die eine Umwidmung (oder Abschaffung) dieses Tages sinnvoll fänden.

  3. Vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag. Mein Vater starb als ich sehr klein war, ich kann mich noch gut an meine Kindergarten und Grundschulzeit erinnern, als ich in den Vatertagsbatelstunden immer etwas anderes zu tun bekam weil ich ja „keinen Vater habe“. Wie schön wäre es gewesen zu hören, dass ich sehr wohl einen Vater habe, aber eben nicht hier auf der Erde. Ich hätte mit Freuden etwas auf den Friedhof gebracht oder auch ein Gedicht aufgesagt. Ich kann mir vorstellen wie tröstlich es gewesen wäre, auf diese Art trauern zu können!

  4. Hallo,
    Ich selbst habe meinen Vater verloren, als ich drei Jahre alt war.
    Ich kann mich meiner Vorrednern anschliessen, bitte ja, basteln! Einerseits eben weil das Kind das Ergebnis seiner Mutter zeigen kann und andererseits auch, weil der Verlust Teil seiner Biografie ist und bleibt und es trotzdem ein normales Kind sein und bleiben darf. Ich wollte nur, dass meinetwegen etwas anders gemacht wird, als sonst.
    Eine Ankündigung finde ich aber sehr sinnvoll, damit das Kind weiss was auf es zu kommt. Je nachdem auch den Vater informieren, damit er sich auch auf Fragen oder Trauer einstellen kann.

    1. Vielen Dank Isa, für Deinen Mut, Deine Erfahrungen hier aufzuschreiben. Bestimmt hilft es vielen Mitleserinnen und Mitlesern!

      Alles Liebe, Katja

  5. Ich hatte in den letzten Jahren 3x ein Kind ohne Mama in meinen Kunstklassen. Alle drei haben gerne etwas für ihre Mama gebastelt und es ihr gezeigt. Toll war, dass sich zwischen den Kindern ganz wunderbare Gespräche ergeben haben, wo die verstorbene Mama sein könnte und was sie da tut.
    Ich hab da übrigens auch nochmal betont, dass das Kind nicht „keine“ Mama hat, sondern eine, die nicht hier auf der Erde ist!
    Gut war aber auch, dass ich mit den betroffenen Kindern jeweils vorher gesprochen habe, so dass die Ankündigung, nun etwas für den Muttertag zu basteln, nicht zunächst ein blödes Gefühl auslöst.

  6. Diese Ideen sind so schön zu lesen. Vielen Dank für das Aufgreifen dieses sehr emotionalen und auch schwer besetzten Themas. Meine Kinder (5 Jahre und 8 Monate) haben auch ihren Papa verloren und genau diesen Umgang wünsche ich mir von Herzen für Beide in diesen so schweren Momenten. Besser hätte man es nicht sagen können: „Die Mama bleibt ja die Mama“. So erkläre ich auch meiner 5 jährigen Tochter an diesen besonderen Tagen: “ Du hast für immer einen Papa, auch wenn er körperlich nicht mehr bei uns sein kann“.

    Liebe Grüße und nochmal vielen Dank für diesen Beitrag,
    Anna

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