Wohnungsbrand: Das Feuer hat unserer Familie alles genommen

Wohnungsbrand

Ihr Lieben, es ist immer wieder krass, wie nur ein einziger Tag alles verändern kann. Die Familie von Miriam hat so einen Tag im April dieses Jahres erlebt: ein Wohnungsbrand hat ihnen alles genommen. Selbst das, was nicht verbrannte, war so verrußt oder von Löschschaum zerstört, dass es nicht zu retten war. Keine Kinder-Fotoalben aus der Vergangenheit mehr. Kein eigenes Bett oder zu Hause. Auch keinen Computer oder Laptop, so dass Miriam uns dieses Interview per Hand auf Zettel schrieb, die wir dann wiederum abgetipp haben. Hier kommt ihre Geschichte.

Samstag, 15. April 2023, circa 14.30 Uhr: Ich komme in Begleitung unseres Cousins (50, gerade zu Besuch da) vom Einkaufen, stelle den Einkauf in die Küche und sehe sofort Rauch aufsteigen. Ich renne nach hinten zu meiner 72jährigenMutter, die in unserem Altberliner Zimmer wohnt, weil ich das Gefühl habe, dass es genau dort brennen könnte. Dem ist aber nicht so.

Wohnungsbrand: Feuer in unserer Wohnung

Aus ihrem Fenster schaue ich nach unten und sehe, dass das Feuer direkt unter ihrem Zimmer lodert. Mein Cousin bleibt bei meiner Mutter in unserer Wohnung, ich renne runter zur Familie unter uns. Ich klingele Sturm, die Tür geht auf. Meine Nachbarin steht mit einem Feuerlöscher völlig planlos im Flur, der Sohn mit einer Schüssel Wasser.

Ich renne nach hinten ins Berliner Zimmer, was bereits in Flammen steht. Ich schreie den Sohn an, alle Fenster und Türen zu schließen, gleichzeitig rufe ich die Feuerwehr und schließe die Fenster und Türen vor mir. Der Sohn spricht leise zu mir: „Meine Schwester hat gekokelt.“ Ich schicke die Kinder aus der Wohnung, ebenfalls die Mutter, die aber immer wieder zurück in die Wohnung geht.

Ich nehme ihr den Schlüssel ab und schubse sie raus. Dort vor der Tür haben sich nun bereits andere Nachbarn versammelt. Mit der Feuerwehr am Ohr renne ich nach draußen, um die Straße zu sperren.

Notruf, Feuerwehr: Erstmal alle retten

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Vor unserem Haus stehen allerdings bereits so viele Menschen, dass ich die Frau vom Notruf kaum verstehe. Also renne ich in unseren Hinterhof, wo ich dann sehe, wie das Fenster des Zimmers meiner Mutter explodiert. Sofort rufe ich meinen Cousin an, er solle meine Mutter nach unten bringen.

Ich renne ihm entgegen und hake meine Mutter unter, um sie rauszubringen. Mein Cousin rennt wieder in unsere Wohnung, um Fenster und Türen zu verschließen. Auch ich rase nochmals hoch, um meine Fellnasen zu holen. Da wir nur einen Katzenkorb haben, stopfe ich unsere Katze rein und drücke sie meinem Cousin in die Hand, schreiend, er solle sich beeilen. Unsere Kater nehme ich, er legt sich auf meinem Arm wie eine Klette um mich. 

Der Qualm wird dichter, und ich bin gerade auf dem Weg zur Haustür, als das Küchenfenster explodiert. Raus, raus, raus!

Die ganze Familie mit Rauchvergiftung im Krankenhaus

Als ich die Wohnungstür öffne, sehe ich nichts mehr und bekomme keine Luft. Es fühlt sich an wie 1000 Rasierklingen im Hals. Ich versuche, nach Luft zu schnappen, meinen Kater fest an mich gedrückt. Ich höre meinen Cousin schreien: „Sie ist da oben, sie ist da oben“. Ich spüre nur noch eine „riesige Hand“ in meinem Nacken, die mich nach unten zieht…

Ich erwache erst im Krankenhaus wieder. Als ich wieder halbwegs klar bei Bewusstsein bin, berichtet mir mein Cousin, dass er die Katze im Treppenhaus verloren habe. Ich reiße mir die Sauerstoffmaske ab und will sie suchen gehen. Etwa 30 Minuten später kommt ein Polizist und sagt, sie hätten die Katze gefunden, es sehe aber nicht gut aus. Sofort lasse ich beide Fellnasen in die Tierklinik bringen. 

Wir alle haben eine Rauchvergiftung davongetragen. Im Krankenhaus ist mir aber vor allem wichtig, Rezepte und Verordnungen für meine Mutter zu bekommen, da sie erst drei Tage zuvor nach ihrem fünften Herzinfarkt entlassen worden war. Mit dem Glauben, das Feuer sei gelöscht und wir könnten zurück in unsere Wohnung, verlassen wir dir Klinik am Abend wieder.

Es gibt unser Zuhause nicht mehr!

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Es ist circa 22.40 Uhr, als wir zurückkehren. Feuerwehr, Kripo und Polizei sind aber immer noch zugange. Das Bild, das ich zu sehen bekomme, ist furchtbar. Unsere komplette Wohnung stinkt bestialisch, ist verrußt. Wasser und Schaum laufen die Wände herunter.

Die Feuerwehr setzt mich davon ins in Kenntnis, dass unsere Wohnung unbewohnbar sei. Wohin sollten wir??? Meine große Tochter, 24 Jahre alt, kommt sofort und bringt uns bei sich in der Zwei-Zimmer-Wohnung in einem anderen Bezirk der Stadt unter. Wir können alle nicht schlafen, sind hungrig, verstört, verzweifelt. Wir haben nichts zum Anziehen, keine Zahnbürste, nichts! 

Unsere 13jährige Tochter war übers Wochenende bei ihrem Vater, meinem Ex-Mann, in einer anderen Stadt gewesen. Ich rufe ihn an, und erkläre ihm, dass es unser Zuhause nicht mehr gibt.

Zum Glück sind wir versichert, aber hilft das?

Wir versuchen trotz Verbots der Polizei, Kleidung und Schulsachen aus unserer Wohnung zu holen, was sich jedoch als völlig sinnlos herausstellt. Ruß und Gestank überall. Ergo stehen wir alle wirklich ohne alles vor der Obdachlosigkeit.

Montagsfrüh fahre ich zur Versicherung und melde, was geschehen ist. Diese teilt mir mit, dass sie erst mal für unsere Unterbringung aufkommen würden, die Kosten jedoch von unserer Versicherungssumme abgehen werden. Sorgen müssten wir uns aber keine machen, da wir versichert seien. Die Seifenblase platzt genau eine Woche später, als die Sanierungsfirma ihr Angebot für die Räumung und Entsorgung einreicht: Der Preis liegt bei 55.000 Euro – unverbindlich.

Da die Versicherung retten möchte, was zu retten ist, werden hochwertige Möbel und Dinge eingelagert und mit speziellen Verfahren gereinigt, Ausgang ungewiss. Das Geld ist trotzdem weg. Hinzu kommen die ganzen Ausgaben für eine Ausstattung an Kleidung, Kosmetika, Handtücher, Schulbedarf, Tierartikel etc. Man hat ja nichts mehr und merkt täglich, was so fehlt, was man im Normalfall daheim hat: eine Nagelschere, Sportschuhe für den Unterricht, ein Buch zum Lesen, Stifte zum Malen, einfach alles fehlt.

Klinik auch für die Kätzchen

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Unsere Fellnasen liegen fünf Tage am Sauerstoff, werden geschoren und bekommen unzählige Infusionen. Als die Ärzte in der Klinik erfahren, was passiert ist, geben sie alles, um die beiden zu retten. Unserem Kater geht es mittlerweile wieder gut, doch er ist sehr ängstlich und schläft nur noch versteckt. Unsere Katze kann bis heute nicht richtig miauen und ist noch scheuer als vorher. Mein Exmann hat die Zwei zu sich genommen, ich hätte nicht gewusst, wohin mit den beiden.

Unsere Wohnung, das vielleicht noch zum emotionalen Hintergrund, hatte vier Zimmer und 140 m². Sie lag in genau dem Stadtteil, in den es meine Eltern vor 55 Jahren aus der Pfalz verschlagen hatte. Ich bin dort geboren und geblieben. Wir wohnten dort zu dritt (oder viert, wenn mein Exmann zu Besuch kam) mit unseren zwei Fellnasen: Meine Mama 72, meine Tochter, 13, und ich, 46 Jahre alt.

Nach dem Brand fühlte es sich so an, als würden wir nirgends Unterstützung erfahren. Uns wurde mitgeteilt: unbewohnbar. Fertig. Meine Tochter kann bis heute nicht verstehen, wie so etwas passieren konnte. Am schlimmsten ist für sie die Trennung von ihren Katzen und der Verlust von ihrem Zuhause. Vor ein paar Tagen meinte sie, dass sie ihr Spielzeug nicht vermisse, aber ihr Bett und das Nach-Hause-gehen-können.

Wir haben alle ein Trauma davongetragen

Schulisch ging die ersten Wochen so gut wie nichts. Immer wieder wurde ich vom schulpsychologischen Dienst angerufen, ich möchte sie bitte abholen. Es gab viele unschöne Momente für sie. In Deutsch sollten sie einen Bericht schreiben zum Thema Wohnungsbrand. Ihr Sportlehrer fragte vor versammelter Klasse, warum sie kein Sportzeug hätte, und so ging es weiter, obwohl ich die Schule und Lehrer vom Geschehen gleich montags unterrichtet hatte. 

Für professionelle Hilfe war bislang leider noch gar keine Zeit in Berlin. Was zu finden, ist aber auch fast unmöglich. Ich habe definitiv ein Trauma, kann keinen Rauch sehen, Qualm riechen. Höre ich eine Sirene, muss ich mir die Ohren zuhalten, da die Situation sofort wieder da ist.

Meine Mutter leidet seit dem Brand unter Angstzuständen und fühlt sich allein. Wir sind seitdem getrennt, da eine Unterbringung zusammen zu teuer wäre. Bis zum 31. August haben wir eine möblierte Ferienwohnung mit zwei. Auch hier wissen wir nicht, wie es weitergeht. Das Suchen und Buchen von Ferienwohnung in unserem Umfeld ist sehr schwer und teuer.

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Wir bekommen leider wenig Unterstützung von außen

Mit Menschlichkeit können wir leider nicht rechnen. Obwohl den Eigentümern bekannt ist, weswegen wir auf die Ferienwohnungen angewiesen sind, mussten wie aus einer Wohnung nach 15 Tagen raus, weil sie für vier Tage gebucht war. Danach hätten wir wieder reingedurft. Der Eigentümer hatte Angst vor einer schlechten Bewertung.

Aus der jetzigen Wohnung müssen wir raus, weil ich keine feste Zusage machen kann, wie lange wir bleiben werden und feste Buchungen Vorrang haben. Eine leere Wohnung zu finden ist wie ein Sechser im Lotto und würde auch nicht helfen, da wir nichts mehr haben.

Die ersten vier Wochen waren trotzdem die schlimmsten. Wir waren alle woanders, meine Tochter schlief bei einem Klassenkameraden. Meine Mutter vorerst bei meinem Exmann und ich mal hier, mal da, stets mit Koffer unterwegs und nicht wissend, wohin.

Ein ganz klein bisschen Zuhausegefühl beim Cousin

Zum Glück sind hier nun Sommerferien. Wir sind sofort zu unserem Cousin in die Pfalz gefahren. Hier haben wir ein paar Sachen von uns, da wir oft in den Ferien hier sind. Wir genießen seitdem die Ruhe hier und malen und basteln, machen Kettenarmbänder, versuchen, einfach schöne Dinge zu machen, die all die Wochen nicht möglich waren, da wir kaum Material hatten. Meine Tochter und ich sind große Fans von „Die drei ???“ und John Sinclair Hörspielen, die wir hier auch hören können. 

An eine Zukunft können wir gar nicht denken, da ständig neue Probleme auftauchen. Aktuell wissen wir nicht mal, wo wir ab dem 31. August schlafen können. Am 2. September hat meine Tochter Geburtstag, regulär darf sie sich jedes Jahr einen Kuchen wünschen – mit Schmetterling, Minion, Burg oder Ähnlichem, doch dieses Jahr fällt das auch aus. Auch hier fehlt mir mein Werkzeug.

Wann und ob wir zurück können?! Unklar!

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An Weihnachten möchte ich gar nicht denken. Irgendwo fremd ohne Adventskalender oder Deko… all das, was wir lieben – weg. Unsere Wohnung steht seit dem 16. Mai leer, noch immer wurde nicht mit der Sanierung begonnen.

Uns wurde Februar oder März 2024 in Aussicht gestellt für ein Zurückkommen, aber nur wenn alle Baumaterialien lieferbar sind. Das größte Problem sind wohl die Trägerbalken und das verbrannte Parkett. Wir haben große Angst vor dem, was noch kommt.

Meine Mutter möchte nicht zurück in die Wohnung, für mich und meine Tochter allein ist sie zu groß und zu teuer. Doch etwas Kleineres zu finden, ist fast unmöglich und vermutlich ebenso teuer mittlerweile. Wir wohnen ja seit zehn Jahren in dieser Wohnung, was sich natürlich im Preis bemerkbar macht. Wir sind einfach nur verunsichert, wie es weitergeht. Bis zum 15. April war doch alles gut so, wie es war…

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2 comments

  1. Es tut mir in der Seele leid , diesen Bericht zu lesen . Das Schicksal scheint hier immer wieder zuzuschlagen . Die Mutter ,welche sich von einem wiederholten Herzinfarkt erholen soll ,muss dann den Verlust der Wohnung verarbeiten . Die Teenie Tochter verliert ihre persönlichen Dinge ,welche gerade mit 13 so wichtig sind . Und die junge Frau selbst ,versucht einfach für ihre Mama und Tochter da zu sein . Wahnsinn ,was man alles aushalten „muss“ . Ich wünsche alles erdenklich Gute und hoffe ,auf einen Wink des Schicksals dass vielleicht von Seite der Versicherung besser kooperiert wird und eine kleine Wohnung gefunden wird .

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