Mamsterrad: Warum bin ich oft nicht die Mama, die ich sein will?

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Ihr Lieben, wir hatten es euch groß angekündigt und dann kam doch realtiv viel Leben dazwischen. JETZT aber kommt die erste Wortmeldung unserer lieben Kolleginnen Judith und Imke vom Mamsterrad, die ihr hier so frenetisch begrüßt habt, als wir erzählten, dass wir ab jetzt ab und zu mal gemeinsame Sache machen. Hier geht es heute darum, warum ich als Mama manchmal ausraste, obwohl ich mir doch so fest vorgenommen hatte, genau das nicht zu tun…

Mamsterrad: Warum bin ich oft nicht die Mama, die ich sein will?

„Oh man, was für ein Tag! Was ist denn da bloß in mich gefahren? Ich bin völlig ausgeflippt und dabei war doch eigentlich gar nichts los. Ich hab gemeckert, geschrien und überhaupt völlig überreagiert – aufgrund einer absoluten Lappalie. Eigentlich möchte ich doch ganz anders reagieren – warum gelingt es mir nicht? Warum bin ich nicht die Mama, die ich sein will?”

Hand aufs Herz, kommen dir solche Gedanken bekannt vor? Dann lass dir gesagt sein: Das ist völlig normal. Und: Du bist damit nicht allein.

„Mir ist neulich richtig der Kragen geplatzt“

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Foto: pixabay

Wir hatten euch kürzlich dazu aufgefordert, uns Fragen zu schicken, die wir uns vorknöpfen und beantworten. Den Anfang macht Laura (Name geändert). Sie schreibt: „Hallo, liebes Mamsterrad, ich bin total verzweifelt und weiß echt nicht mehr weiter. Jeden Tag, wenn meine Tochter (8) aus der Schule nach Hause kommt, wirft sie ihren Ranzen im Flur mitten in den Weg, schmeißt ihre Jacke einfach daneben und lässt ihre Schuhe da liegen, wo sie ihr gerade von den Füßen fallen.

Eigentlich weiß sie, dass sie ihre Jacke aufhängen soll, unsere Garderobe ist direkt im Flur, und dass ihre Schuhe ins Regal gehören, das haben wir schon hundertmal besprochen. Und als sie noch kleiner war, hat sie das eine Zeitlang auch super geschafft.

Seit ein paar Wochen klappt es aber überhaupt nicht mehr und neulich ist mir dann der Kragen geplatzt, als sie wieder alles einfach im Flur verstreut hat und ihre Sachen noch nicht mal weggeräumt hat, als ich noch mal in ihr Zimmer gegangen bin und sie gebeten habe, das zu erledigen. Ich bin dann komplett ausgerastet, habe sie rasend vor Wut angeschrien und konnte mich in dem Moment überhaupt nicht mehr einkriegen.

Natürlich habe ich mich hinterher total schlecht gefühlt und mich bei ihr entschuldigt. Aber ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen. Eigentlich will ich so gar nicht reagieren und weiß es ja selbst besser, aber irgendwie schaffe ich es einfach nicht, in solchen Momenten ruhig zu bleiben. Habt ihr da einen Tipp für mich?”

Was Mamacoachin Imke Dohmen rät

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Foto: Oliver Reetz

Imke Dohmen, Mama Coachin, Expertin für mentale Frauengesundheit und Podcasterin bei Mamsterrad, sagt: „Was in dieser Situation ganz deutlich wird, ist, dass wir häufig von automatisch ablaufenden Gedanken und gefärbten Gefühlen beeinflusst werden. Aber der Reihe nach, denn was hier passiert, ist zunächst Folgendes: Lauras Tochter räumt trotz besprochener Regeln und mehrmaligen Nachfragens ihre Sachen nicht weg, sondern lässt sie einfach liegen – das ist, was auf der Sachebene tatsächlich geschieht, was jede*r Außenstehende beobachten könnte.

Durch unsere Erfahrungen und Erlebnisse gelingt es uns in solchen Situationen häufig allerdings nicht, das Geschehen rein faktisch und nicht emotional zu deuten. Wir empfinden die Situation nicht auf der Sachebene, sondern interpretieren sie automatisch entsprechend unserer inneren Prägung oder auf Basis unserer Glaubensmuster.

In der Geschichte von Laura könnte das beispielsweise sein, dass sie das Gefühl hat, die Einzige zu sein, die sich im Haushalt um Ordnung bemüht und dass sie an dieser Stelle das Gefühl beschlichen hat, dass sie ‚das Mädchen für alles‘ ist, das den anderen Familienmitgliedern stets und ständig alles hinterher räumen muss. Vielleicht fühlt sie sich auch ignoriert, weil ihre Bedürfnisse nach ‚Gesehen- und Gehörtwerden‘, nach ‚Anerkennung‘ und ‚Wertschätzung‘ schon in ihrer eigenen Kindheit oder auch im späterem Leben oft zu kurz gekommen sind und sie sich schlichtweg nicht wahrgenommen fühlt – nahezu unsichtbar.

Aufgrund dessen beeinflussen sie ihre automatisch ablaufenden Gedanken, begleitet von sogenannten gefärbten Gefühlen. Daraus resultieren impulsive Gefühle wie Wut, Aggression oder Frust. Statt also angemessen auf die Situation reagieren zu können (das Verhalten des Kindes nicht als persönlichen Affront zu nehmen), reagiert sie auf ihre gefärbten Gefühle, die durch die unterbewusste Bewertung der Situation entstehen (‚Alles muss ich allein machen‘ oder ‚Was ich sage, interessiert dich nicht‘).

Und zwar laut und – sehr wahrscheinlich – übertrieben: Sie fährt aus der Haut, meckert und droht vermutlich mit Strafen, was ihre Tochter jedoch vermutlich nicht ‚zur Vernunft bringt‘, was wiederum Lauras Unmut noch verstärkt. Die Situation spitzt sich zu und eskaliert – schlimmstenfalls in einem ausgemachten Wutanfall und Türenknallen auf beiden Seiten. 

Der Schlüssel zu der Reaktion, die Laura hier eigentlich zeigen möchte, liegt in der genaueren Betrachtung der eigenen Gedanken. So kann die Situation reflektiert werden, sobald sich die Gemüter wieder beruhigt haben. Laura darf sich die Frage stellen, was wäre, wenn sie mit ihrer Bewertung nicht richtig läge, sondern ihre Tochter schlichtweg abgelenkt und mit ihren Gedanken woanders war und keinerlei böse Absichten hinter ihrer ‚Schludrigkeit‘ steckten. Wie würde das ihre Gefühlswelt und ihre Reaktion beeinflussen?

Vermutlich wäre sie noch immer genervt von der Unordnung, würde aber nicht ‚an die Decke gehen‘. Sie könnte erkennen, dass ihr Bedürfnis nach Ordnung hier nicht erfüllt wäre und für sich selbst sorgen – beispielsweise, indem sie die Sachen einfach liegen lässt und wegschaut, sie wegräumt oder mit ihrer Tochter ins Gespräch geht – ruhig und gelassen(er). So können sich beide Seiten erklären und es kann ein Kompromiss gefunden werden. Bei dieser Reaktion müsste Laura im Nachgang kein schlechtes Gewissen haben.

Hier sei allerdings gesagt, dass das meistens nicht ad hoc klappt, sondern etwas Übung, Verständnis, Nachsicht mit sich selbst und vor allem Mut braucht, die eigene Sichtweise zu hinterfragen und gegebenenfalls neu auszurichten.“

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10 comments

  1. Ich finde es sinnvoll, für sich selbst zu erkennen, auf welcher Ebene man sich selbst gerade befindet. Als Folge kann man lernen die Ebene zu wechseln und zukünftig eine Vielzahl von Alltagsproblemen besser angehen. Nicht jeder kennt sich mit sowas aus, daher ist es bestimmt für einige hilfreich das Prinzip geschildert zu bekommen.

    Eine konkrete Lösung kann hingegen sehr vielfältig sein und hängt stark von individuellen Faktoren ab, wie Alter des Kindes und Nervenkostüm der Mutter. Letztlich muss man eine Regelung auch konsequent durchziehen (können)! Einen Erziehungseffekt kann man z.B. mit Belohnungssystem oder „Auflaufenlassen“ erzielen. Hat man selbst nicht den Nerv dazu (z.B. aufgrund psychischer oder somatischer Erkrankung), kann es für alle Beteiligten allerdings besser sein, die Erziehung auf später zu verschieben.

    Ich persönlich würde das Gespräch und dann eine passende Lösung suchen. Braucht das Kind z.B. erst Zeit für sich nach der Schule, könnte die Lösung sein, dass die Sachen nach einer 20minütigen Pause weggeräumt werden. Oder man vereinbart Arbeitsteilung und geht gemeinsam in den Flur, das Kind bringt Jacke und Schuhe an deren Platz und dafür nimmt Mama den häufig schweren Schulranzen mit zum Hausaufgabenplatz.

    Interessant kann auch eine Provokation sein: Mama kommt nach Hause, schmeißt im Flur alles von sich und lässt es einfach liegen – Schuhe, Jacke, Handtasche, Einkäufe, usw. Verschärft könnte mama das auch mitten im KiZi machen. (Würde bei uns beides nicht funktionieren, hängt aber natürlich von Kind und Mama ab.)

    1. Also, wenn ein Kind bei der Heimkunft nach der Schule erstmal „Zeit für sich braucht“, bevor es in der Lage ist, Jacke und Schuhe zu versorgen (Tätigkeiten, für die man in Summe keine halbe Minute braucht), dann läuft da in meinen Augen gehörig was schief. Das hört sich für mich nach einer krankheitswertigen Beeinträchtigung an, wenn dazu die Energie nicht da ist,

  2. Liebe Kommentatorinnen,

    ich habe den Text jetzt mehrfach gelesen und fasse ihn ganz anders auf. Vielleicht habe ich ein Brett vor dem Kopf?
    Die betroffene Mama sucht meiner Meinung nach keine Lösungsmöglichkeit für die Situation- obwohl ich eure Lösungen gut finde- sondern möchte wissen, wie sie es schafft, in so einer Situation nicht auszurasten, um dann mit etwas mehr Gelassenheit die Problematik zu klären.
    Erfahrungsgemäß ist es ja so, wenn man seine innere Haltung ändert, (was wirklich harte Arbeit ist, weil man sich mit sich selbst und seiner Vergangenheit beschäftigen darf) ist es einem entweder Schnuppe, ob da irgendetwas herumliegt oder die Tochter fängt unaufgefordert oder lieb aufgefordert (mit etwas Humor) an, das Zeug wegzuräumen. It’s magic- durfte ich in letzter Zeit immer wieder erleben.
    Vielleicht kann die Fragestellerin ja noch etwas Licht ins Dunkel bringen.

    P.S.: Ich gehöre auch eher zum Team Chaosqueen und kann die Tochter voll verstehen. Wenn ich nach Hause komme und z.B. dringend aufs Klo muss, werfe ich auch alle Sachen schnell von mir- egal wo sie landen. Und dann vergesse ich sie wegzuräumen.

  3. Hallo, mich wundert, dass als Lösungsvorschlag noch von keinem gekommen ist, zur Tochter zu gehen und sie aufzufordern jetzt sofort und unter Aufsicht die Jacke und die Tasche an den vereinbarten Platz zu stellen. Das jeden Tag aufs Neue, wenn die Mutter es entdeckt, ich wette nach wenigen Tagen erinnert sich die Tochter beim Fall der Jacke daran, dass sie sie ohnehin aufhängen muss. Hat bei uns zu Hause gewirkt, ohne Geschrei und Geschimpfe, einfach erinnern, was abgesprochen ist und einfordern. Meine Kinder machen es jetzt von selber. Bei uns waren es die Brotdosen und Trinkflaschen, die sie in die Küche stellen sollten nach ihrer Ankunft zu Hause. Naja, vielleicht war’s auch der Umstand, dass mein Mann sie morgens mal mit den den Dosen und Flaschen vom Vortag ziehen ließ, weil er dachte, ich habe sie schon eingepackt. Wahrscheinlich war’s sogar eine Mischung aus beiden.

  4. Ich schließe mich den Vorschreiberinnen an,eine Lösung ist so nicht gefunden.
    Vorallem kennen wir ja eure Alltags Situation ja nicht …ist den wirklich IMMER so? JEDEN Tag? Wenn z.B. von 10 Tagen an 2 die Sachen aufgeräumt wurden, selbst wenn man sich erneut wiederholen musste sind 2 von 10 schon super.
    Ich hab selbst 3 Kinder und ich versuche es mit GFK was nicht einfach ist wenn man es selbst nicht gelernt hat.Jedoch nach ca.8 Jahren hab ichs langsam drauf und sehe die tollen Ergebnisse vor allem bei meinem jüngsten (11) er kennt es gar nicht anders.Da läuft auch nicht immer alles glatt dann muss er halt eben nachsitzen wenn er den Sportbeutel zum wiederholten male vergisst obwohl er im Flur stand neben der Schultasche.
    Meine mittlere Pupertiert und testet Grenzen und da steige ich dann eben über die Schuhe im Flur, oder sie hat eben nichts mehr zum anziehen den die Wäsche kommt eben nicht selbst in den Wäschekorb. Jedoch ist das die logische Konsequenz ohne das ich bestrafen oder laut werden muss. Ich schau halt weg wenn es mich stört was auch viel Arbeit und Nerven gekostet hat,aber meine große mittlerweile 18 hat mal zu mir gesagtals sie 7 Jahre war:Ach Mama was regst du dich so auf und schimpfst jetzt? Du räumst es eh weg also machst doch gleich wenn es dich stört. Ein effektvoller AHA Moment für mich …und hab dann aufgehört hinter herzuräumen.Konsequenz war keine Besuche mehr für ne kleine Zeit

    1. Ich finde, in der Situation gibt es mehrere Lösungsmöglichkeiten. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, das Kind direkt im Flur abzufangen und daran zu erinnern, die Sachen wegzuräumen. Oder ich warte, bis die Kinder etwas von mir wollen und merke an, dass sie bitte erst xy wegräumen sollen, bevor es mit ihrem Spiel losgehen kann. Auch das Gespräch suchen, finde ich gut. Da kann man dann ja auch ansprechen, dass es früher gut geklappt hat und jetzt nicht mehr und die Frage stellen, warum es jetzt mit dem Wegräumen so hakt. Vielleicht hat das Kind mehr Frust in der Schule als früher, dann kann man zusammen überlegen, wie man damit umgeht ohne dass die Sachen auf dem Fußboden landen. Und ein Belohnungssystem funktioniert bestimmt auch, wäre nur nicht so mein Stil.

  5. Die Mutter soll die Jacke selbst aufräumen?
    Was lernt denn das Mädchen dabei? Dass es keine Absprachen einhalten, keine Verantwortung übernehmen muss. Dass Mama im Zweifelsfall alles macht. Kommt „Mama“ so aus dem „Mamsterrad”? Nein. Entwickelt das Mädchen so Eigenständigkeit, Selbstwirksamkeit? Nein. Ein gutes Rollenvorbild ist die Mutter auch nicht, wenn sie die Jacke selbst aufhängt.

  6. Die einfachste Lösung ( allerdings nicht für Muttis Nerven) ist einfach alles so liegen lassen. Wenn das Kind dann selbst drüber fällt, suchen muss bzw unter Zeitdruck steht ( und die Jacke erstmal richtig rundrehen muss…) hat es schon viel gelernt.
    ( Mamacoaching für sowas? Das kann Jede selbst intuitiv, siehe die vorherigen Kommentare, ohne dafür auch noch zu bezahlen 😺)

  7. Hmmm, aber nach den Ratschlägen liegt die Jacke entweder immer noch im Flur oder ich habe sie selbst weggeräumt, wenn ich das Geschriebene richtig interpretiert habe. Der Lösung des eigentlichen „Problems“ bin ich da nun nicht wirklich mit großen Schritten näher gekommen. In der Problemskizze hatte Laura ja schon hundert Mal mit ihrer Tochter darüber gesprochen. Jetzt noch mal, ganz zurückgenommen und ruhig mit der Tochter zu sprechen, kann man machen, wird doch aber dann auch nicht zum gewünschten Effekt fühlen. Und ich gehe mal davon aus, dass Laura nicht glaubt, dass ihre Tochter sie bewusst provozieren will, sondern es nur um „Schludrigkeit“ geht. Wenn ich mich jetzt also in der Situation ganz ruhig zurücknehme, mein inneres Kind streichle, und die Schludrigkeit als Schludrigkeit sehe, dann liegt die Jacke da immer noch rum.
    Meine Vorschläge zur Lösung: Vereinbare mit deiner Tochter, dass sie ihre Jacke 20 Mal selbst aufhängt (oder 10 Mal), dann kann sie sich ein großes Eis aussuchen oder irgendwas anderes und den Weg dokumentiert ihr mit 20 oder 10 aufgemalten Sonnen auf einem Papier.
    Man mag von Belohnungssystemen halten was man möchte „it works“.
    Wenn man stärker auf Konfrontation aus ist, packe Jacke und Schulranzen einfach mal woanders hin. Wenn deine Tochter sie dann am nächsten Morgen sucht, dann muss sie suchen. Aber das kann man natürlich nur machen, wenn man nicht selbst dringend aus dem Haus muss…
    Und wenn man mal geschrien hat, dann ist das nicht der Weltuntergang. Nicht toll, klar, aber wenn man hinterher um Entschuldigung bittet und es erklärt, dann ist nichts kaputt gegangen und das eigene Kind lernt, dass man für seine Fehler um Verzeihung bitten kann und das natürlich auch Erwachsene Fehler machen.

    Be the was: Was soll denn bitte eine „Mama-Coachin“ sein? Coach verstehe ich, Coachin meinetwegen auch, auch wenn ich das Gendern bei englischen Termini als noch sprachverhunzender empfinde, aber wer sagt denn bitte „Jetzt gehe ich zu meiner Mama-Coachin?

    1. Genau das hab ich auch gedacht. Da gibt es keine Lösung des Problems, worum es der Mama ja aber geht. Es wird nur erklärt, wer auf welcher Ebene kommuniziert. Das ist der Mutter alles sicher klar, hilft ihr aber nicht,,weil das Problem ja bestehen bleibt und sie weiterhin genervt ist.

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