Nach stiller Geburt: Was hättet ihr euch von eurer Frauenärztin gewünscht?

Frauenärztin

Foro: Pixabay

Mein Name ist Marie, ich bin Frauenärztin und begleite viele Frauen. Vor Kurzem hatte ich eine traurige Premiere als niedergelassene Ärztin: Ich musste einer werdenden Mutter sagen, dass das Kind im Bauch verstorben ist (28. SSW) und das war ganz, ganz schlimm für alle Beteiligten.

Jetzt ist es aber auch noch so, dass ich sie aus dem privaten Umfeld meiner Kinder kenne und ich merke, dass ich etwas Angst vor unserer nächsten Begegnung bei der Abschlussuntersuchung in der Praxis habe. Nicht wegen möglicher Vorwürfe, sondern einfach, weil mir (gefühlt) die Worte fehlen.

Normalerweise ist das genau meine Stärke eine gute Verbindung zu meinen Patientinnen herzustellen (auch in schwierigen Situationen), aber hier fühle ich mich zumindest im Vorfeld überfragt. Von daher wollte ich Euch fragen, ob ihr bei Euren Leserinnen fragen könntet, was sie sich in dieser Situation von ihrer Frauenärztin gewünscht hätten bzw. positiv erfahren haben. Vielleicht hilft mir das und damit auch meiner Patientin. Danke für eure Erfahrungen.


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10 comments

  1. Wir haben auch vor wenigen Wochen unser Baby verloren. Hätte ich nur einmal in diesen grausamen Tagen eine Ärztin gehabt, die sich hinterfragt hätte, wäre ich froh gewesen. Schön, dass deine Patientin das bei dir erleben darf.
    Die erste Gynäkologin im Krankenhaus, wo wir aufgrund einer Blutung waren, hat lange geschallt. Ich sah unser Baby auf dem Bildschirm, war erstmal erleichtert und dann sah ich selbst, dass keine Herztöne und Bewegungen mehr da waren. Mir war es klar, bevor sie es aussprach. Immerhin durfte ich mich anziehen, bevor sie es mir sagte. Mir hätte es geholfen, wenn sie einfach gesagt hätte, dass ihr die Worte fehlen. Sie war Assistenzärztin und so hilflos, dass sie mir nur sagte, dass das oft passiert und ich im nächsten Zyklus ja einfach „wieder weitermachen“ könne.
    Am nächsten Morgen fuhr ich mit meinem Partner zu meiner Gynäkologin um die Diagnose bestätigt zu lassen. Es dauerte exakt fünf Minuten… Sie hat mir die gleiche Diagnose Ohren gehauen, als ich noch halbnackt auf dem Untersuchungsstuhl saß und mir ein Rezept in die Hand gedrückt für Tabletten. Meinen Partner hat sie ignoriert. Auf meine Frage nach einer Ausschabung bekam ich dann die Überweisung mit der Ansage, bitte zehn Tage später in die Praxis zur Nachsorge zu kommen.
    Der Nachsorgetermin war furchtbar. Viele Schwangere um mich herum, Arzthelferinnen, die mich nach dem Mutterpass fragten, weil sie nichts von der Fehlgeburt wussten und ihr Chef als Untersucher, der mir sagte, er müsse gleich weiter, als ich den Bericht der Ausschabung besprechen wollte.
    Nie in meinem Leben habe ich mich so hilflos und schuldig gefühlt.
    Ein bisschen Zeit für ein Gespräch im angezogenen Zustand, eine Frage, wie wir klarkommen und ein offenes „Eigentlich hab ich als Ärztin da auch keine passenden Worte“ hätten uns sehr geholfen. Auch die Frage seitens der Ärztin, ob ich einen Ausdruck von einem letzten Ultraschallbild möchte, wäre für uns Gold wert gewesen. Das gab es leider nicht und ich hab in der Situation nicht so weit gedacht vor lauter Trauer.
    Die Aufarbeitung der Erfahrungen mit den Ärztinnen kostet mich fast genauso viel Kraft wie die Trauer in mir. Schön, dass du das deiner Patientin nicht zumutest.

  2. Ich bin nach dem Ultraschall bei dem klar wurde, dass etwas gar nicht stimmt in Tränen ausgebrochen. Wurde von der Ärztin daraufhin gewiesen, dass ich doch aber auch den Raum wieder frei machen müsste für die nächsten Patienten. Statt einem Taschentuch wurde mir eine Beruhigungstablette angeboten. Das fand ich daneben. Da fühlt man sich so als sei die Trauer nicht angebracht wobei gerade die Welt für einen zusammen gebrochen ist.

    Toll, dass du nachfragst und dir solche Gedanken machst.

  3. Ich würde garnicht viel reden, wenn es nicht von ihr aus kommt…Eine Umarmung, ein Händedruck helfen auch und gleichzeitig vermitteln das man für ein Gespräch/Fragen offen ist. Wichtig finde ich den Vater des Kindes mit ein zu beziehen, auch er hat sein Kind verloren.
    Als ich meine Fehlgeburt hatte und mein Mann zur Untersuchung dabei war, wurde er vom Arzt wie Luft behandelt, das fanden wir beide ganz schlimm.
    Allein das du dir Gedanken machst wie es sein wird ,zeigt das du es gut meistern wird, weil es dir nicht egal ist und das spürt deine Patientin!!!

  4. Könnt ihr Deine Patientin so einbestellen, dass sie keine lange Wartezeit hat?
    Oder sie ggf. vorziehen oder schon im Besprechungszimmer warten lassen?
    Damit sie den angstbesetzten Termin schnell hinter sich hat.
    Sie so einbestellen, dass sie keiner Schwangeren begegnet, ist womöglich schwierig.

    Ich glaube, mehr als „Es tut mir sehr leid, dass ihr Baby gestorben ist.“ brauchst Du gar nicht sagen. Es ist entsetzlich traurig und das Schlimmste, was passieren konnte. Da tröstet gar nichts.
    Vielleicht noch fragen: „Wie kommen Sie zurecht?“ und einfach zuhören.

    Frag auf jeden Fall nach dem Namen des Babys und nenne ihn.

    Und halte Taschentücher bereit.
    Und wenn es geht, den Raum danach frei, falls die Patientin nach der Untersuchung noch Zeit braucht, um sich zu sammeln, bevor sie geht.

    Ich glaube, es ist völlig okay, wenn man Dir anmerkt, dass die Situation für Dich keine Routine ist und Du unsicher bist.
    Eine Ärztin, die „echt“ ist und sich nicht verstellt, ist viel wert.

    Überleg Dir vielleicht auch, was Du vor und nach dem Termin für Dich brauchst.
    Danach 30 min Pause ohne Patienten?

  5. Liebe Marie,

    ich finde es super, dass du dir darüber Gedanken machst. Es ist wirklich ein schwieriges Thema und so viele Mediziner könnten da noch sensibler werden. Ich habe mein Kind in der 34. Woche still zur Welt gebracht und habe eine Menge richtig blöder Reaktionen erlebt, aber auch sehr nette. Ich finde, man darf auch Ärzten und Ärztinnen ihre Betroffenheit und Unsicherheit anmerken, es sollte nur nicht dahin gehend ausarten, dass die Betroffene sich in eine Trösterrolle gedrängt oder sich auch noch schuldig fühlt, jemand anderen so viel Kummer zu machen.

    Am hilfreichsten fand ich einfach, wenn jemand gesagt hat. „Es tut mir so leid für euch.“ Und wenn er/sie gefragt hat, wie ich/wir klarkommen und dann vor allem zugehört hat ohne zu werten oder zu vergleichen. Auch ernst gemeinte, konkrete Hilfeangebote fand ich schön. Im Falle meiner Ärztin damals, dass sie mir angeboten hat, mich über den Mutterschutz hinaus krankzuschreiben. Oder mir Anlaufstellen für Betroffene raussuchen. Selbsthilfegruppen, Therapeuten mit einem passenden Schwerpunkt, Trauerbegleitung, Angebote für verwaiste Eltern/Geschwister o.ä. Wenn es die Situation zulässt, könntest du auch nach dem Namen des Kindes fragen oder wie die Bestattung war. Man hat als frisch entbundene Mama fast immer das Bedürfnis über sein Kind zu berichten, auch, wenn es tot ist. Ganz wichtig finde ich aber, dass Grenzen sofort akzeptiert werden. Wenn sie keine Hilfe will oder nicht darüber sprechen, solltest du sie natürlich nicht drängen.

    Unpassend empfand ich alles, was beschwichtigend war. Z. B
    „Du bist noch jung.“, „Du kannst noch weitere Kinder bekommen.“, „Beim nächste Mal klappt es bestimmt.“, „Du hast ja schon Kinder.“, „Das Kind war sicher krank und hätte sowieso kein schönes Leben gehabt.“, „Es war sicherlich für irgendwas gut.“, „Die Natur weiß schon, was sie macht.“, „Du hast jetzt einen Schutzengel, der jetzt über dich wacht.“ All das ist in meinen Augen null hilfreich und ein kläglicher Versuch mit Gewalt etwas positives in etwas durch und durch negatives zu bringen. Der Verlust des eigenen Kinder ist einfach furchtbar ohne jeden positiven Aspekt. Das sollte anerkannt werden, auch wenn die Trauer des Gegenübers vielleicht schwer auszuhalten ist.

    Und noch etwas: Ich würde versuchen, das Wort „Fehlgeburt“ zu vermeiden. Es impliziert einen Fehler. Ein totes Kind ist aber kein Fehler, und die Mutter hat auch keinen Fehler gemacht. Ich persönlich finde auch Totgeburt nicht unbedingt angenehm und bevorzuge die Bezeichnung stille Geburt.

    Liebe Grüße
    Christine

    1. Ich finde deine Antwort sehr gut, Christine. Das kann ich genau so unterschreiben.
      Ergänzen würde ich noch:
      Ich habe mir immer und gegen jede Logik Gedanken gemacht, ob ich etwas falsch gemacht habe. Alles mögliche habe ich in Erwägung gezogen: Eine Creme, die ich meiner größeren Tochter aufgetragen habe, eine falsche Bewegung, eine stressige Situation auf der Arbeit.
      Ich habe diese Gedanken erst sehr spät offen geäußert und lange mit mir herumgetragen. Sie haben mich sehr belastet. Als ich sie irgendwann geäußert habe, hat die Frauenärztin mir deutlich gesagt, dass ich keinen Einfluss darauf hatte.
      Vielleicht hätte es mir geholfen, wenn ich in einem früheren Gespräch schon diese Aussage mitgegeben bekommen hätte…

  6. Hallo,
    ich finde es sehr berührend und großartig, dass Du Dir Gedanken machst. Da ich selbst so etwas mitmachen musste, kann ich Dir schreiben, was mir damals geholfen hat. Aus meiner beruflichen Erfahrung heraus kann ich Dir aber jetzt schon sagen, dass jeder Mensch verschieden ist und wenn jemand trauert und Angst hat, dann braucht jede*r Verschiedenes.
    Vielleicht erstmal aus meiner beruflichen Praxis: Versuche nicht, sie mit Worten zu trösten, denn es gibt erstmal keinen Trost. Wahrscheinlich ist der Besuch der Arztpraxis auch mit Angst verbunden. Angst, die Kontrolle zu verlieren, Angst in einen Trauerabgrund zu fallen und nicht mehr rauszufinden. Wenn Deine Patientin ihre Ängste und Trauer zeigt, dann ist das gut. Denn Gefühle, die raus dürfen, bleiben nicht im Untergrund und können somit verarbeitet werden. Also wenn sie weint, lass sie einfach. Gib ihr ein Taschentuch, damit sie weiß, dass es ok ist, werde langsam in dem was Du tust, damit Du sie nicht rausschieben musst für die nächste Patientin. Viel sagen musst Du gar nicht. Höchstens nach einer Weile, dass sie sich Zeit nehmen darf (wenn es geht). Bitte lass alle Floskeln, egal in welche Richtung. Kein, es wird besser. Kein, sie können noch Kinder kriegen. Es sei denn sie fragt danach. Dann sag ihr, wie es ist. Falls sie sich entschuldigt, dass sie so weint und dich aufhält, dann ist der Moment, alles, was bisher passiert ist, zu normalisieren, denn dann zeigt sie dir, dass sie unsicher ist, ob sie trauern darf. Dann sag ihr, dass viele Frauen das gleiche durchmachen müssen. Dass da bestimmt sehr viel Angst und Trauer vorab da waren und dass es gut ist, wenn sich das entlädt, statt innendrin zu gären. Trauer zeigen ist Selbstfürsorge. Und (so zumindestens lese ich es bei deinem Beitrag raus) dass Du auch das zu begleiten als deine Aufgabe ansiehst. Falls sie ganz gefasst ist und nichts zeigt, dann frag sie respektvoll bei der Besprechung hinterher, ob sie denn für sich Zeit hat, um alles zu begreifen und zu verarbeiten oder ob sie dafür Unterstützung möchte. Und dann wäre es gut, Adressen /Flyer zu haben für Beratungsmöglichkeiten, Trauergruppen und Ähnliches, aberauch das erst nach ein paar Minuten Gespräch, um ihr zu zeigen, dass sie nicht einfach weggeschickt wird. Wenn sie vorab großen Stress zeigt und sich schwer tut ins Untersuchungszimmer zu gehen, dann frag sie, was sie braucht, um diesen Gang zu schaffen. Betone aber auch, dass die Untersuchung notwendig ist.
    Aus meinen persönlichen ERfahrungen: Es war nicht gut, dass der diagnostizierende Arzt mich aus dem Untersuchungszimmer geschoben hat, ohne mit mir zu klären, wie es weitergeht (war im KKH). Das machst Du bestimmt nicht. 😉 Du könntest es ihr leichter machen, wenn Du sie nicht einbestellst, wenn alle Schwangeren ihren US kriegen. (So ist es mir gegangen, das war sehr hart.). Für mich war es auch sehr schlimm, dass bei allen fälligen Nachuntersuchungen, die Arzthelferinnen nicht auf dem Schirm hatten, dass die SSW nicht mehr bestand und mich nach der Art der Vorsorgeuntersuchungen gefragt haben im Vorraum und ich vor allen Anwesenden erklären musste, dass ich eine Totgeburt hatte. Beim dritten Termin bin ich explodiert und habe meine Meinung dazu sehr laut kundgegeben… Also hilfreich wäre es, das Praxispersonal für solche Situationen zu sensibilisieren.
    Ich finde Dein Engagement toll, alles Gute Dir!

  7. Liebe Marie,

    ich finde es richtig toll, dass du dich fragst, wie du hier am besten reagieren könntest.

    Du hast die Überschrift sicherlich nicht gewählt, aber es wäre wichtig, dies anzupassen, da deine Patientin eine stille Geburt erlebt hat.

    Ich selbst habe das Gleiche erlebt wie deine Patientin, sogar 2 mal, dabei hatte ich eine Frauenärztin, die gar nicht empathisch und eine die es war.

    Deine Patientin wird vor diesem Termin, die allergrößte Angst haben. Das letzte Mal, das sie bei dir war, wurde entdeckt, dass ihr Kind verstorben ist. Für sie gibt es ein Vorher und ein Nachher. Und das wird noch lange so sein.

    Vielleicht machst du es euch leichter, wenn du ihr eine Karte schreibst oder sie vor dem Termin anrufst. Sage oder schreibe, dass du in Gedanken bei ihr bist und ihr Verlust unermesslich sei. Vielleicht schreibst du ihr, dass du dir vorstellen kannst, wie schwer ihr der Besuch in der Praxis fallen wird und dann höre zu. Frage nach dem Namen ihres Kindes und erwähne den Namen.

    Deine Patientin wird unheimlich traurig sein und das wird auch der Termin.

    Es ist wirklich toll, dass du nach Rat suchst.

    Ich danke dir dafür.

    Liebe Grüße
    JoJo

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