Kleine Fluchten – großes Glück: Vera Schroeder über ungewöhnliche Ideen für ein entspanntes Familienleben

VeraSchroeder

Foto: Frank Stolle

Ihr Lieben, das Leben könnte so schön sein, wenn doch da der Alltag nicht wäre. Oder? Gerade als Familie geraten wir doch viel zu häufig ins Hamasterrad.

Mit ihrem Buch Kleine Fluchten, großes Glück (Affiliate Link). zeigt uns Journalistin Vera Schroeder (war unter anderem Chefredakteurin von Nido und SZ Familie) einen Ausstieg aus dem ewigen Gerenne und zwar im Miniaturformat. Es braucht nämlich gar keine riesigen Sprünge, um ab und zu verschnaufen zu können.

Sie schreibt darüber, wie wir in unserem Alltags-Wahnsinn das ganz persönliche Familienglück wiederfinden, wir wir Chaos zulassen und Kontrolle abgeben können. „Wir müssen nicht unser ganzes Leben umkrempeln, damit es wieder leicht und lustig wird!“, heißt es im Klappentext. „Wir müssen in erster Linie herausfinden, was uns als Familie stärkt – und zu einem winning team werden lässt“.

Liebe Vera, du wünschst dir, dass das Familienleben für viele wieder lustiger wird. Allein dieser Satz rührt mich schon sehr nach diesem Jahr, das wie eine nasse Decke auf mir liegt und irgendwie lähmend wirkt. Wie schaffen wir das mit der Leichtigkeit im Alltag, hast du da einen konkreten Tipp – oder mehrere? 

„In every job there musst be done, there is an element of fun“ mit diesem Satz hat mal mein Schwager Mary Poppings zitiert, während er versuchte mit einer alten Zeitung einen sich nach hinten durchbiegenden Kleinkinderpopo auf so einem löchrigen Metallstuhl an der Bushaltestelle „groß“ zu reinigen, während der sich nähernde Bus schon den Blinker gesetzt hatte. Ist ein (Über-)Lebensmotto für mich geworden, der Satz. Ich glaube wirklich: Am Ende muss man einfach üben, den Wahnsinn Familienleben zu umarmen, mit allem, was dazu gehört. Wenn es ganz schlimm wird, hilft es viel mehr, die Szenen des eigenen Scheiterns von außen wie in so einer amerikanischen Soap mit eingespielten Lachern anzugucken, als in Selbsthass und Kleinfamilientristesse zu versinken. Das ist eigentlich auch schon die ganze Idee von dem Buch: Alltagstipps aufzuschreiben, die dabei helfen, das eigene Chaos normaler zu finden oder manchmal sogar lustig. 

Dein Buchcover ziert eine Kugel Eis, die sofort Appetit macht. Was hat es mit diesem Eis auf sich?

Da geht es um ein Beispiel, warum es manchmal hilft, für immer wiederkehrende Streitthemen in Familien sehr klare Regeln zu verabreden. Das Beispiel sagt: Ab 20 Grad Außentemperatur gibt es eine Kugel Eis am Tag für jeden Mensch der Familie. Ab 30 Grad sind es zwei Kugeln, ab 40 drei … Aber im Grunde geht es um die Art, wie man sich als Familie auf solche Regeln einigt, weshalb sie das Leben erleichtern können – und warum man sie auch immer mal wieder über den Haufen werfen sollte.

Die Illustrationen in deinem Buch sind von Krieg und Freitag, auf der letzten Seite umarmen sich zwei Personen, die eine sagt: „Ich habe das Gefühl, dir tief in deine Seele blicken zu können.“ Worauf die andere antwortet: „Dann möchte ich mich vielmals für die Unordnung entschuldigen.“ Inwiefern passt das zu deinem Inhalt?

Haha, ja, ich liebe die Illustrationen von Krieg&Freitag sehr und habe mich riesig gefreut, dass wir ihn für das Buch gewinnen konnten. Weil im Grunde macht er mit seinen Strichfiguren genau das, worum es für mich in Familien geht: Er zeigt ganz viel Liebe und Verletzlichkeit und auch Traurigkeit und Schmerz. Gleichzeitig sind die Situationen sehr vertraut. Die Szenen fühlen sich wie „zuhause“ an – und es erleichtert ungemein, dass es anscheinend auch viele andere gibt, die so empfinden. Ich muss über mich selbst lachen, wenn ich die Illustrationen von Krieg&Freitag angucke. In einer sehr ernsten, zu mir selbst liebevollen Art und Weise.

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Kleine Fluchten – grosses Glück von Vera Schroeder

Eine weitere Illu stellt ein Früher („Ich wünschte, ich könnte fliegen“) einem Heute („Ich wünschte, ich könnte aufstehen“) entgegen. Wie hat dich selbst deine Mutterschaft verändert in Bezug auf Träume, Wünsche, Kräfte?

Wir fahren seit 14 Jahren im Sommer mit drei anderen Familien in den Urlaub ans Meer. Bei der ersten Reise hatten wir als Gruppe zwei Einjährige dabei. Dann kamen viele Urlaube mit vielen Kleinkindern, anstrengende Urlaube, immer war jemand schwanger oder ist beim ins-Bett-bringen eingeschlafen, oder alle haben einen Magen-Darm-Infekt bekommen oder haben sich mit ihren Partnern über die falsche Mückenspraymarke gestritten. Diesen Sommer dann waren neun Kinder dabei, alle außer unserem Nachzüglerbaby so alt, dass niemand mehr Schwimmflügel aufblasen musste. Wir Eltern saßen nachts länger als die 15Jährigen auf der Terrasse und haben deutlich mehr Alkohol getrunken und politische Gespräche geführt. Und tagsüber haben die Paare sich verliebt den Rücken eingeschmiert und „Schatz, welches Buch magst Du denn jetzt als nächstes lesen?“ geflüstert. Was ich damit sagen will: Man kann das nicht glauben, wenn die Kinder klein sind und es so turbomäßig anstrengend ist, aber es kommt wirklich alles viel schneller zurück, als man denkt. Verrückterweise macht diese Beobachtung und Selbsterkenntnis es sehr einfach, noch so ein Nachzüglerbaby wie wir dabei zu haben und trotzdem lange wach zu bleiben …

Nun geht es auch in deinem Buch um kleine Fluchten für Familien. Was setzt du Menschen entgegen, die sagen: „Warum sollte man denn fliehen, die haben sich doch selbst für Kinder entschieden, dann sollen sie sich jetzt halt drum kümmern und nicht rumjammern.“

Abgesehen davon, dass ich das Wort „jammern“ nicht mag, oder andersrum finde, dass wirklich jeder und jede ein Recht hat, immer mal wieder zu jammern: Ich glaube dass es eine große Elternkunst und eigentlich Lebenskunst ist, sich ab und an rausnehmen zu können und ganz allein auf sich selbst oder die eigene Familie zu gucken. Aber es ist auch sehr schwer. Denn konsumgesellschaftlich ist dieses sich rausnehmen eigentlich nicht vorgesehen. Ich glaube, dass Menschen, die anderen Menschen, egal ob mit oder ohne Kinder, das Flüchten aus dem Alltagsrattenrennen absprechen möchten in Wahrheit selbst verzweifelt sind, nicht entkommen zu können.

Du schreibst, dass Mitgefühl mit sich selbst sehr wichtig ist in der Elternschaft, was genau meinst du damit?

In den ersten Jahren merkt man das vielleicht noch nicht dauernd so deutlich, aber ich finde zu den verschiedensten Bedürfnissen eines 13Jährigen zum Beispiel kann man eigentlich nur dann eine glaubhafte und authentische Haltung einnehmen, wenn man mit sich selbst okay ist. Das ist tricky, weil dieser Kontakt mit sich selbst in den Kleinkinderjahren leicht vernachlässigt wird. Aber ich bin ganz sicher: Es lohnt sich, das nicht aus den Augen zu verlieren. Auch für nach den Kindern. Das Leben ist so viel länger noch als man aus dem Sandkasten heraus sehen kann. 

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2 comments

  1. Wie toll! ‚In every job that musst be done, there is an element of fun‘ und ‚Das Leben ist so viel länger als man aus dem Sandkasten sehen kann‘ … so weise Worte, die ich ab heute zu meinem Motto mache. Am liebsten würde ich jetzt gleich mit meinen Töchtern ein Eis außer der Reihe essen und Mary Poppins kaufen… das Buch schenk ich mir spätestens zum Nikolaus.

  2. Vielen Dank für das Interview. An dem Buch wäre ich wahrscheinlich vorbeigegangen, aber dank des Interviews kommt es dick auf die Liste!
    Gerade die Sprüche haben es mir angetan, es ist etwas dran: Das Leben ist so viel länger noch als man aus dem Sandkasten heraus sehen kann 🙂

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