19 Brüche in 6 Monaten: Theo hat die Glasknochenkrankheit

Glasknochen

Ihr Lieben, eure Geschichten sind das, was Stadt Land Mama ausmacht. Auch wir lernen jeden Tag durch euch etwas Neues und bedanken uns sehr für euer Vertrauen in uns. Heute erzählt uns Lena von ihrem Sohn Theo, der die Glasknochenkrankheit hat, was das für alle bedeutet.

Liebe Lena, heute geht es um deinen Sohn Theo. Kurz nach der Geburt wurde bei ihm die seltene Krankheit Osteogenesis Imperfecta – umgangssprachlich auch als Glasknochenkrankheit – festgestellt. Gab es in der Schwangerschaft Hinweise darauf und wann und wie haben die Ärzte das dann diagnostiziert?

In der Schwangerschaft gab es keinerlei Hinweise auf eine mögliche Krankheit. Ganz im Gegenteil, alle Screenings waren unauffällig und Theo entwickelte sich super. Unsere Hebamme hatte jedoch direkt nach der Geburt den Verdacht, dass etwas nicht stimmt und nur wenige Stunden nach der Geburt wurde Theo in ein anderes Krankenhaus mit einer Kinderintensivstation verlegt.

Der erste Verdacht auf „Glasknochen“ wurde schnell geäußert und dann zwei Tage nach seiner Geburt bestätigt. Ein Röntgenbild zeigte, dass er schon einige Frakturen vor der Geburt hatte. Ganz offiziell diagnostiziert wird Osteogenesis Imperfecta (O.I.) dann aber erst mittels einer Genanalyse, die in unserem Fall ca. 2 Wochen später vorlag.

Was bedeutet diese Diagnose für deinen Sohn. Welche Prognosen haben die Ärzte gegeben?

O.I. (kurz für Osteogenesis Imperfecta) hat viele Gesichter und Verläufe. Es gibt Menschen, die ganz leicht betroffen sind und die Diagnose zufällig bekommen und es gibt schwer Betroffene, die an den Folgen von O.I. früh versterben.

Zu den Symptomen zählen neben Knochenbrüchen auch Kleinwuchs, Skoliose und Schwerhörigkeit. Grundsätzlich kann man aber festhalten, dass die Diagnose in keinster Weise die kognitiven Fähigkeiten beeinflusst, sondern vor allem die motorische und muskuläre Entwicklung. Es handelt sich um eine Störung bei der Bildung von Kollagen, ein Protein, was für den Knochenaufbau benötigt wird, aber auch in Organen und im Bindegewebe verarbeitet wird, z.B. in den Muskeln.

Die Ärzte wollten uns am Anfang keine richtige Prognose geben, das kann man eben erst nach den ersten 1-2 Lebensjahren, wenn man weiß wie sich das Kind entwickelt. Einerseits hätten wir uns das anders gewünscht, schließlich war eine unserer größten Fragen: was bedeutet das für Theo’s und für unsere Zukunft als Familie? Andererseits ist so auch noch alles offen, und es ist kein Verlauf schon “in Stein gemeißelt”. Für uns war dann klar, wir möchten die Prognose versuchen mit zu gestalten, und zwar zum Positiven.

Für euch Eltern kam das völlig unerwartet. Wie seid ihr damit umgegangen? 

Erstmal war das natürlich ein Schock. Wir haben uns dann bewusst dazu entschieden dem großen Drang O.I. zu googlen zu widerstehen und uns die ersten Tage im Krankenhaus kaum damit beschäftigt. Natürlich sind viele Tränen geflossen, aber wir haben so einen unglaublichen Halt und Unterstützung durch unsere Familien und Freunde erfahren, das war so ein besonderes Gefühl für uns und hat uns unglaublich Kraft gegeben.

Wir waren uns sofort einig und sicher: egal, was jetzt auf uns zukommt, wir schaffen das – mit dem Wunder was uns im Arm lag konnten wir auch gar nicht anders als glücklich sein.

Theos Knochen brechen sehr schnell. Beschreib mal, welche Situationen bereits für ihn gefährlich werden.

Theo’s erste Brüche nach der Geburt waren Oberarm und Schienbein. Der Arzt in der Notaufnahme fragte, wie es passiert ist und ich musste ihm sagen: Ich weiß es nicht.

Den Blick des Arztes und mein Schuldgefühl nicht zu wissen, wie sich mein eigenes 4 Wochen altes Baby Knochen brechen konnte, werde ich nie vergessen. Heute weiß ich aber, das ist O.I. Es kann 100x etwas gut gehen und beim nächsten Mal bricht der Knochen. Keiner weiß warum und man kann nichts machen. Wir mussten lernen, dass manchmal schon Muskelkontraktionen reichen, damit der Knochen bricht.

Wir waren nur bei en ersten Brüchen im Krankenhaus, heute schienen wir selbst. Es hat den gleichen Effekt und ist deutlich stressfreier für das Kind. Wenn sie noch so klein sind, wird eh nicht operiert. Ein Gips oder eine Schiene soll die Ruhigstellung garantieren. Mein Mann ist mittlerweile Experte darin Schienen aus allem möglichen zu bauen, denn Theo hatte bereits 19 Brüche…

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für Theo?

Man spricht bei der Therapie von O.I. von 3 Säulen. Säule 1 ist die Physiotherapie, Muskelaufbau ist immens wichtig.

Säule 2 ist die Orthopädie, die Behandlung von Knochenbrüchen. Säule 3 sind die Bisphosphonate, diese werden per Infusion alle 3 Monate gegeben und hemmen den natürlichen Knochenabbau (das Medikament kommt eigentlich aus der Therapie von Osteoporose). Alle 3 Säulen dienen der Therapie, nicht der Heilung, und hierbei hat sich in den letzten 20 Jahren nichts fundamental geändert.

Ihr seid dann selbst aktiv geworden. Erzähl mal.

Wir haben kurz nach der Geburt angefangen mithilfe unseres Netzwerkes Kontakte zu Ärzten, Wissenschaftlern und Genetikern weltweit zu knüpfen um die Diagnose und die damit verbundenen Möglichkeiten für Therapie und Heilung besser zu verstehen.

Wir haben schnell festgestellt, dass es tolle und innovative Ansätze zur Therapie und auch Heilung von O.I.,gibt, aber es fehlt das Geld, um diese Projekte mit der nötigen Geschwindigkeit zu verfolgen. Das möchten wir ändern.

Deshalb habt ihr eine Initiative gegründet. Was steckt da dahinter?

Unsere Initiative Einzigartig will zeigen, dass Einzigartigkeit etwas Wertvolles ist und kein Nachteil sein sollte. Auch wenn O.I. eine sehr seltene Krankheit ist, verdient jeder (einzigartige) Betroffene Therapie- und Heilungschancen.

Wie kann man die Initiative unterstützen?

Über zwei Wege: Zum einen geht es uns darum Aufmerksamkeit für O.I. zu erzeugen. Dementsprechend ist jeder Beitrag oder auch jedes Gespräch über uns eine Unterstützung. Je mehr Menschen von O.I. hören und etwas darüber lernen umso besser.

Und zum anderen sammeln wir Spenden über unsere Website: https://www.initiative-einzigartig.de/ Diese fließen dann über die Stiftung Care4BrittleBones in ausgewählte Forschungsprojekte zur Behandlung und Therapie von O.I.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft?

Dass Theo und auch anderen O.I. Betroffenen Therapie- und Heilungsmöglichkeiten zur Wahl stehen. Und sie ihre “Prognose” verändern können.

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1 comment

  1. Schön das man mal was lesen kann über „ UNS „ leider gibt es hier in Berlin leider keine entsprechende Angehörigen-Betroffenengruppe,der Austausch daher hier schlecht möglich.
    Bin Betroffene mit betroffenen Sohn.
    Vielleicht habt Ihr,du ein Tipp außer die OI-Gesellschaft die mir nicht weiterhelfen konnte,desöfteren schau ich in den Medien ob ich dementsprechende berliner Information finde.

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