Angie, 21: „Der Unfall nahm mir beide Beine – nicht aber meinen Mut“

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Ihr Lieben, manchmal entscheiden schon Sekunden über unser weiteres Leben… für Angie Berbuer änderte sich im November 2019 einfach alles. Auch bei ihr war es nur ein winziger Augenblick, der ihr bisheriges Leben in ein Davor und ein Danach teilte.

Sie begann den Tag als fröhliche junge, 20jährige Frau, die mal beim Bundeskriminalamt arbeiten will und beendete ihn auf der Intensivstation – als Person, die ab nun auf einen Rollstuhl würde angewiesen sein. Angie hat bei einem Unfall beide Beine verloren. Und ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich diese Frau beeindruckt mit ihrem Optimismus, ihrem Mut und ihrem Tatendrang.

Liebe Angie, wie geht es dir grad?

Im Moment bin ich etwas müde. Durch meinen neuen, kleinen Welpen habe ich nicht mehr ganz so viel Schlaf…

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Du hast im November 2019 als 21jährige bei einem Autounfall beide Beine verloren. Den Unfall konnte man eigentlich nicht überleben, du lagst erst im Koma und hast dich dann wieder ins Leben gekämpft. Wann genau hast du so richtig realisiert, was passiert ist?

Nachdem ich aus dem Koma aufgewacht bin, wurde mir das Ganze erzählt. Ich habe es aufgenommen und abgespeichert. So richtig realisiert habe ich es aber erst circa zwei Tage später, als ich dann auch gesagt habe, dass ich mal keinen Besuch haben möchte, um nachzudenken.

Kurz nach dem Unfall trugst du im Krankenbett ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „I have lost my legs, but not my sens“. Was hatte es damit auf sich?

Das Shirt war ein Geschenk von der lieben Kalli, sie brachte mir das mit ins Krankenhaus. Und das musste ich dann einfach zeigen.

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Du hast recht schnell nach dem Unfall auch deinen Instagram-Account genutzt, um über dein Schicksal zu erzählen, die Leute auf dem Laufenden zu halten. Würdest du das wieder tun?

Natürlich, das qwürde ich jederzeit wieder tun! Ich gebe so vielen Menschen täglich Hoffnung und verbreite meine positive Einstellung und motiviere andere Menschen dazu, Gutes zu tun und ihr Leben zu genießen. Das ist doch einfach schön.

Wie geht es eigentlich deinem Kumpel, der beim Unfall dabei war? 

Mit ihm ist alles gut.

Wie machst du das denn mit dem Alleinewohnen? Wie kannst du zum Beispiel Duschen?

Ich dusche einfach im Sitzen, viele Dinge im Alltag werden nun vereinfacht und natürlich muss ich meine Mitmenschen hin und wieder um Hilfe bitten. Dies ist natürlich nicht einfach, vor allem wenn man sich wie ich jahrelang eine gewisse Unabhängigkeit erarbeitet hat…

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In einem der Filme über dich bezeichnest du die ersten Versuche mit dem Rollstuhl als „Freiheitsgefühl“. Andere bezeichnen ihn als Einschränkung. Ist das alles Sache der Sichtweise? Und falls ja: Hat dich diese „Das Glas ist halb voll, nicht halb leer“-Taktik bislang gut durch all das getragen, was dir in den letzten Monaten widerfahren ist?

Der Rollstuhl gibt vielen Menschen die Möglichkeit das Bett wieder zu verlassen. Ich verstehe nicht, wieso man so etwas als Einschränkung sehen sollte. Ich finde eher, dass das Umfeld und die Umgebung einen einschränken. Man sollte immer beide Seiten betrachten. 

Man sollte immer schauen, was positiv ist und sich nicht an Dingen festklammern, die einen runterziehen und die man nicht beeinflussen kann.

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Trotzdem sagst du, dass es schon eine Umstellung war mit dem Rollstuhl, weil du nun viel kleiner bist und die Leute auf dich „herab schauen“. Was ist das für ein Gefühl? Und meinst du, du musst dich jetzt mehr anstrengen, um gehört und ernstgenommen zu werden?

Ich finde, jeder sollte sich mal ein oder zwei Tage in einen Rollstuhl setzen, um gewisse Alltagssituationen zu bewältigen und zu verstehen, das der Rollstuhl das Leben nicht unbedingt weniger lebenswert macht oder dass man dadurch zu bemitleiden wäre. 

Aber ja, man wird angesehen wie ein Küken, behandelt wie ein rohes Ei. Man wird weniger für voll genommen, das höre ich auch von anderen Rollstuhlfahrern.

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Du bist nach dem Unfall erstmal wieder zur deiner Mutter gezogen, dann aber auch bald wieder aus und in eine eigene Wohnung. Erzähl mal, wieso, und was das mit deiner Stimmung gemacht hat. 

Das Alleinewohnen hat mir sehr viel Freiheit und Seelenfrieden zurück gegeben. Irgendwie hat mein neues Leben damit erst so richtig begonnen. Dadurch konnte ich lernen, mich selber zu lieben.

Auch deine Lebenseinstellung hat sich recht stark geändert, du ärgerst dich nicht mehr über Kleinigkeiten, bist weniger oberflächlich und auch dein Freundeskreis hat sich verändert, oder?

Ja, ich habe ganz tolle neue Freunde bzw. auch alte Bekannte, die Freunde geworden sind. Das Krasseste sind meine Seelenverwandten, „die anderen Verkürzten“, es ist eine so krasse Verbindung, die wir alle haben, dadurch dass wir alle so was Heftiges durchgestanden haben.

Hast du manchmal noch Flashbacks vom Unfall – oder erinnerst du dich gar nicht mehr? 

Ich erinnere mich an gar nichts mehr, ich denke aber auch nicht, dass das gut oder schlecht ist. Ich denke, selbst damit könnte ich umgehen.

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Hast du noch immer Phantomschmerzen oder legt sich das irgendwann?

Ich habe dauerhaft Phantomgefühle und hin und wieder Phantomschmerzen. Ob das irgendwas anders sein wird, kann ich jetzt nicht sagen, da ich  leider nicht in die Zukunft sehen kann. 

Wann fragst du dich in deinem heutigen Alltag am ehesten: Mensch, warum eigentlich ich? Warum musste das grad mir passieren?

Solche Fragen stelle ich mir gar nicht.

In einem Film sagst du, dass auch – so oberflächlich das klingen mag – auch Beauty ein Thema für dich war. Erzähl doch mal. 

Sowohl Frau als auch Mann: Jeder Mensch will sich ja hübsch und schön fühlen. Früher waren Hübsch und Schön für mich dasselbe. Heute weiß ich, dass es zwei verschiedene Paar Schuhe sind, da Schönheit von innen kommt. Wenn man sich schön findet, strahlt man dies auch aus.

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In deinem Alter verlieben sich Menschen, gehen aus… Du lernst, die neuen Prothesen richtig zu nutzen und glaubst, dass der Mann, der dich so nimmt, wie du bist, vielleicht dann auch für immer bleibt, weil da eine Ehrlichkeit von Anfang an ist…

Ich kann die Prothesen zum Glück bereits richtig nutzen, denke aber nicht dass die Prothesen für den Partner notwendig sind, um sich in mich zu verlieben. Liebe wächst mit den Erlebnissen und ich habe mich noch nie in die Beine eines Mannes verliebt. Ich denke, dass Liebe nicht am Körper ausgemacht wird, sondern vom Inneren. 

Eigentlich wolltest du beruflich mal zum Bundeskriminalamt – wie sind deine Pläne jetzt?

Ich konzentriere mich nun auf mich. Das Wichtigste für mich war, wieder auf die Beine zu kommen – also im übertragenen Sinne. Nun muss ich geregelte Strukturen im Alltag entwickeln. Das, was wirklich alles in meinem Leben passiert, ist viel komplexer, als dass man das jetzt einfach beschreiben könnte. So ganz kann man das nämlich gar nicht.

Ich lerne ständig neue Dinge über mich und meinen Körper. Muss also immer wieder neu planen und neu überlegen: Was brauche ich und inwieweit muss ich meine Kraft wofür aufteilen? Dinge sind für mich so viel anstrengender als früher. Nicht weil ich faul bin. Nein, mein Körper ist nun eben komplett anders. Damit muss man erstmal lernen, umzugehen und das braucht seine Zeit.

Magst du uns allen vielleicht noch einen Mutmacher mit auf den Weg geben? 

Ich möchte anderen Menschen Mut machen und ihnen zeigen, dass jeder Stein, der dir im Weg liegt, helfen soll, dir dein Leben aufzubauen, also alles noch so Schlechte und Negative kann irgendwie genutzt werden, um daraus etwas Großes zu schaffen.

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