Wann ist diese Krankheitswelle endlich vorbei? Fragen an die Kinderärztin

Kinderärztin

Foto: Pixabay

Ihr Lieben, seid ihr auch krank oder eins eurer Kinder? Bei uns Stadtlandmamas waren die letzten Wochen ziemlich chaotisch, weil sowohl die Stadt- als auch die Landfamilie von ganz fiesen Krankheitswellen erfasst wurden. Lisa lag letzte Woche mit Schüttelfrost, Fieber und übelster Stimme flach, nachdem sie schon Weihnachten mit Corona verpasst hatte, bei mir ist seit dem 28.12.2023 (!) immer einer krank, ich habe euch ja schon von meinem verkorksten Start ins neue Jahr erzählt. Letzten Sonntag dann wurde meine siebenjährige Tochter richtig krank, sie hatte solche Halsschmerzen, dass jedes Schlucken zur Qual wurde.

Ich kann gar nicht sagen, WIE dankbar ich bin, dass ich einige Ärzte in meinem Bekannten- und Freundeskreis habe, die ich im Notfall anrufen darf. So auch Katharina Schroth, sie ist Kinderärztin und hat selbst vier Kinder. Außerdem klärt sie über ihren tollen Instagram-Kanal über alle relevanten Gesundheitsthemen für Kids auf. Total informativ und wichtig, also unbedingt folgen!

Kathi Schroth hat am Sonntag dann also eine bakterielle Mandelentzündung bei meiner Tochter festgestellt, wir kamen ins Quatschen, warum gerade eigentlich gefühlt ALLE krank sind. Mitten im Gespräch sagte ich dann: „STOPP! Das sind alles so tolle Infos, das MUSS ein Artikel für den Blog werden!“ Und voilà – hier ist er!

Schriot

Liebe Kathi, gefühlt sind gerade alle krank, inklusive meiner Kinder. Irgendwie scheint es in diesem Winter besonders heftig zu sein – ist das nur meine Wahrnehmung oder auch deine als Kinderärztin?

Tatsächlich sind auch aus Arzt-/Praxisperspektive gefühlt diesen Winter wieder massiv viele Kinder erkältungskrank. Aber anscheinend nicht nur gefühlt, wenn man sich die RKI-Statistik anguckt. Sie zeigt für den letzten Dezember die höchste Anzahl an akuten Atemwegserkrankungen bei Kindern an – selbst im Vergleich zum Vorjahr, als ja der RSV so grassiert und die Zahlen in die Höhe getrieben hat. Die erste heftige Erkrankungswoge konnte man wie fast jedes Jahr Anfang Dezember spüren, momentan ebbt die Welle wieder ab, meist startet sie leider Ende Januar/Anfang Februar nochmal durch!

Was geht denn gerade alles rum?

Den Großteil machten bisher – wie jedes Jahr – Virusinfekte aus (Corona, Influenza, Parainfluenza, Adeno, RSV usw.) mit einem bunten Krankheitsbild aus Husten, Schnupfen, Halsweh, Durchfall, Erbrechen und Ausschlägen, alles meist begleitet von Fieber. Dazwischen gab es immer wieder auch bakterielle Erreger wie Streptokokken (viel diesen Herbst und Winter finde ich!) und Mykoplasmen. Diese verursachen Scharlach, Mittelohr- oder Lungenentzündungen. Das alles ist zwar belastend für die Kinder und deren Familien, medizinisch gesehen aber in der großen Mehrzahl der Fälle unbedenklich.

Diese Wintersaison gibt es zwar zum Glück weniger RSV-Infektionen als letztes Jahr, dafür hat diese Saison die Grippewelle bereits Mitte Dezember begonnen, also die Infektion mit dem echten Influenza-Virus (nicht zu verwechseln mit Viren, die ‚grippeähnliche‘ Symptome machen).

Der Influenza-Subtyp dieses Jahr – das Virus mutiert ja jedes Jahr und hat damit jede Saison einen neuen Charakter – ist leider einer, der besonders auch Kinder und Jugendliche anfliegt und krank macht: nicht dramatisch schlimm, ein Krankenhausaufenthalt ist höchstselten nötig, aber 5-7 Tage hohes Fieber sind natürlich trotzdem eine echte Belastungsprobe für Eltern und Kind.

Viele Kinder haben dauerhaft Schnupfen und leichten Husten. Hast du eine Faustregel, wann Kinder fit genug für die Kita/Schule sind und wann man sie besser zu Hause lassen sollte?

Ja und zwar: bevor Kinder nach einem Infekt wieder die Kita oder Schule besuchen, sollten sie…

1.) … mindestens 24 Stunden fieberfrei sein (Gerne auch 48 oder 72 Stunden, wenn die
Fieberperiode lang und hochfieberhaft war!)
2.) … mindestens 1 bis 2 ‚gute‘, tief durchgeschlafene Nächte gehabt haben (ohne ‚Doping‘!)
3.) … .in den Augen der Eltern wieder ‚die Alten‘ sein mit Fröhlichkeit, Spiel- bzw Lerninteresse usw…

Egal ob nach einer kurzen akuten Infektion oder bei chronischem ‚Dauerschnupfhusten‘: man sollte das Kind immer nach dem Allgemeinzustand beurteilen – das bedeutet: zeigt es Allgemeinsymptome wie Apathie, Temperaturerhöhung (ab 37,5 Grad), reduzierten Appetit, unruhigen Schlaf (Schmerzen? Atmung?), eine schnelle Überreizung/Ermüdung tagsüber, dann arbeitet der ganze Körper offensichtlich noch an irgendeiner Front und braucht noch länger Ruhe!

Ist das Kind jedoch fröhlich, voller Energie und ohne zusätzliche Symptome wie hartnäckigem Husten, Durchfall o.ä., kann es auch mit einem Rotznäschen in die Kita bzw. in die Schule!

In unserer Familie hatten wir gerade auch mit Mandelentzündungen zu tun. Kannst du nochmal erklären, was der Unterschied zwischen bakterieller und viraler Mandelentzündung ist, wie man das feststellt und wie man beides behandeln kann?

Statistisch ist die virale Mandelentzündung sehr viel häufiger (ca. 80%) als die bakterielle. Grundsätzlich macht ein Virus immer den ganzen Körper krank, es sorgt oft an mehreren Stellen für eine Entzündung und macht dementsprechend ein sogenanntes `buntes Bild‘ mit verschiedensten Symptomen wie Husten, Schnupfen, Kopfweh, Fieber, Bauchweh, Durchfall, Gliederschmerzen und eben auch Halsweh, wenn der Rachen/die Mandeln entzündet sind.

Eine bakterielle Infektion findet (mit Ausnahme der Sepsis) an nur EINER bestimmten Stelle im Körper statt, so daß es dort allein besonders schmerzt, wie z.B. ein Abszeß, eine eitrige Mittelohrentzündung und eben auch eine bakterielle Mandelentzündung. Letztere wird fast immer durch Streptokokken verursacht, so daß man die bakterielle Mandelentzündung quasi mit ‚Streptokokkenangina‘ gleichsetzen kann.

Leider ist diese Theorie (buntes Bild versus nur eine entzündete Stelle) in der Praxis gar nicht so hilfreich, da Kleinkinder mit chronischem ‚Schnupfhusten‘ ja irgendwie immer ein ‚buntes Bild‘ zeigen und man bei ihnen dadurch allein bei Halsschmerzen die Streptokokken nicht ausschließen kann.

Es stimmt leider auch nicht, dass sich weißliche Beläge nur bei bakteriellen Erregern auf den Mandeln finden, ich finde sogar fast das Gegenteil ist der Fall, bei den viralen Entzündungen ist es meist nur eben Fibrin und nicht Eiter (siehe z.B. Pfeiffersches Drüsenfieber durch das EBV-Virus). Beide Formen können von hohem Fieber, starken Gliederschmerzen, ausgeprägten Lymphknotenschwellungen begleitet werden und bei beiden Formen kann sich ein sehr ähnlicher Ausschlag zeigen!

Tendenziell würde ich sagen, sind Kinder mit Streptokokken einfach schwerer krank, die Halsschmerzen und Schluckbeschwerden stehen stark im Vordergrund, den Kindern ist oft übel, sie haben einen Würgreiz und wollen erbrechen aufgrund der starken Rachenentzündung, erbrechen meist jedoch nur ein- oder zweimal und meist nur gallig oder trocken.

Wie sieht der Hals bei Steptokokken aus?

Der Rachen ist oft tiefrot mit flohstichpunktartigen Einblutungen am Gaumen (eben oft KEINE
weißlichen Beläge!) und einem glasigem Zäpfchen. Manchmal – wenn es ein toxinproduzierender Streptokokkenstamm ist – zeigt sich an Tag 2-3 eine Himbeer- bzw. Erdbeerzunge (beides richtig: Erdbeere beschreibt hier die noppige Oberfläche der Zunge ‚wie bei einer Erdbeere‘, Himbeere beschreibt die typische tief rosarote Farbe der Zunge), ein weißes Munddreieck und evtl. ein feinfleckiger stammbetonter hellrosa Ausschlag, der von den Leisten her aufsteigt und nicht juckt. Wenn das alles zusammen kommt, nennt man dieses klinische Vollbild Scharlach!

Eine Streptokokkeninfektion im Rachen kann aber auch OHNE oder nur mit ein oder zwei all dieser Symptome auftreten. Für die sichere Diagnose – wenn z.B. das klinische Symptombild nicht ganz
eindeutig ist – kann der Kinderarzt einen Streptokokken-Schnelltest durchführen, dafür wird an den Mandeln abgestrichen. Bakterielle Mandelentzündungen sollten immer antibiotisch behandelt werden,
da Streptokokken (die sind es in mehr als 90% der Fälle) durch eine Autoimmun-Reaktion Spätfolgen an Herz, Nieren und Gelenken verursachen können. Mittel der Wahl ist Penicillin über 7 Tage (Achtung 10 Tage ist veraltet!). Bis das Antibiotikum ‚anspringt‘ an Tag 2-3, können natürlich Schmerz- und Fiebermittel verabreicht werden.

Ich selbst hatte eine virale Mandelentzündung und war schon etwas schockiert, dass man praktisch nichts machen kann außer warten…

Eine virale Mandelentzündung kann, wie alle viralen Erkrankungen, nicht ursächlich behandelt, sondern nur symptomatisch gelindert werden, bis das Virus von selbst beschließt, sich wieder zu verziehen. Das heißt, man kann ein Schmerzmittel (Ibu oder PCM) verabreichen, was ja gleichzeitig gegen Fieber
wirkt, ansonsten heißt es aber Abwarten und natürlich viel Tee trinken! Ein kaltes Wassereis ist bei einer Mandelentzündung jeder Art auch was Schönes, es lindert den Schmerz, gibt Flüssigkeit und bringt gute Laune!

Frische Luft, gesundes Essen – das stärkt die Abwehr. Was können Eltern gerade noch tun, um das Immunsystem der Kids zu stärken?

Ja, damit hast du im Grunde schon fast alles genannt! Frische Luft und die Bewegung draußen aktivieren das Immunsystem optimal, eine Vitamin D-Gabe ist auch sinnvoll, da wir alle hier in Deutschland damit unterversorgt sind. Es ist nicht nur wichtig für die Knochenentwicklung, sondern auch für die kognitive Entwicklung der Kinder und ja: es macht auch weniger infektanfällig!

Auch Vitamin C ist nachweislich gut als Infektprophylaxe (am besten mehrmals täglich, da ein Überschuss sofort wieder ausgeschieden wird). Ansonsten ist es nicht erwiesen, daß die Subsitution von Ergänzungsmitteln ein Kind weniger infektanfällig macht! Gesundes ballaststoff- und vitaminreiches Essen und ausreichend Trinken ist generell natürlich super für die Abwehr, allerdings gibt es auch Kinder, die monatelang nur Nudeln und Gurke essen und trotzdem superfit sind – ich würde mich damit also auch nicht allzu verrückt machen!

Hinzufügen würde ich lediglich noch den Schlaf: Kinder brauchen, insbesondere wenn sie im Winter dauernd was anfliegt, viel guten Schlaf: In den Tiefschlafphasen ‚dampft‘ das Immunsystem auf Hochtouren, hier repariert und heilt der Körper am effektivsten!

Wenn Eltern völlig verzweifelt sind, weil sie einfach nicht aus dem Viren-Karussell aussteigen – was kannst du als Ärztin ihnen sagen, um ihnen Mut zu machen?

Die ersten beiden Kitawinter sind einfach knallhart… vielleicht: sich vor Augen halten, daß es medizinisch gesehen selten eine wirkliche Bedrohung gibt und daß diese Phase ganz sicher irgendwann vorbei ist!
Und bis dahin – auch wenn es leicht gesagt klingt (schwierig natürlich für alleinerziehende, erwerbstätige Mütter)

  • Hilfe holen! (Großmütter, Babysitter etc.) und
  • einmal als Stoßkur komplett für mindestens 1 Woche aussteigen so gut es geht und sich und dem Kind totale Ruhe gönnen mit sehr viel Schlaf, gutem Essen und ohne Termine!

Die Kinderarzt-Praxen sind ja auch übervoll. Gibt es etwas, was du dir da von den Eltern wünschen würdest?

Geduld mitbringen und immer die höfliche Form wahren (machen aber die Allermeisten). Und tatsächlich gibt es eine kleine 3-Punkte-Checkliste für Eltern, um abzuschätzen, ob sie etwas akut vorstellen sollten oder nicht:
1.) Wenn ein Problem schon länger besteht,
2.) Wenn dieses Problem sich zuletzt nicht schnell verschlimmert hat und
3.) Wenn das Kind keinen Leidensdruck hat (Schmerzen, Juckreiz etc)
… dann reicht ein geplanter Termin in naher Zukunft in der Praxis aus und es ist KEIN Fall für die Ambulanz oder die Akutsprechstunde am gleichen Tag!

Und jetzt bitte noch ein Hoffnungsschimmer: Ab wann wird es erfahrungsgemäß besser mit den Krankheiten?

Meist lässt die Infektwelle mit den ersten Sonnenstrahlen nach, also im März etwa! Manchmal gibt es dann nochmal einen kleinen Rebound im April, aber den kann man dann schon wieder besser verkraften. Also: Noch ein bisschen durchhalten, der Frühling kommt bestimmt!


Für mehr tolle Infos von Dr. Katharina Schroth: HIER klicken, um auf ihren Instagram-Kanal zu kommen

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4 comments

  1. Toller Artikel!!! Informativ und hilfreich ❤️ vor allem der Tipp, falls möglich auch mal eine Woche Ruhe oder Kita-Pause.

    Und wer möchte, kann sich von Kinderarzt- oder Hausarzt Praxis beraten lassen bzgl Impfung- allermeistens gut verträglich und mildert Krankheitsverlauf ab (zB Influenza/Grippe, Covid oder für manche Babys RSV)

  2. spannend, meine Tochter und Ich nehmen auch täglich Vitamin D Tropfen.
    Noch gestern habe ich allerdings einen Artikel in einem Nachhaltigkeitsmagazin gelesen, wo davon aus gesundheitsgefährdeten Gründen dringend von abgeraten wurde…
    Da weiß man auch nicht mehr, was man glauben soll…

    1. Hallo Melli, da ich bei mehreren Vitaminen Mangel habe, hab ich mich in das Thema etwas eingelesen. Vitamin D einzunehmen ist grundsätzlich sinnvoll. Aber soweit ich es weiß, kann eine längere Überdosierung zu Nierenschäden führen. Deswegen sollte man den Vitaminspiegel beim Arzt oder in der Apotheke messen lassen und dann sich beraten lassen, welche Dosis man nehmen soll. Und am besten ein Präperat ohne weitere Zusätze oder andere Vitamine, außer man hat einen Mangel.

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