„Mein Sohn soll jeden Tag eine Stunde quer durch die Stadt zur Schule“ – Interview mit Sophie über die Berliner Schulkrise

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Liebe Sophie, in Berlin haben gerade die Sommerferien begonnen – doch von Entspannung kann bei Euch keine Rede sein. Dein 11-Jähriger wechselt nach den Ferien auf die Oberschule (in Berlin geht die Grundschule 6 Jahre). Und genau da gibt es ein Problem. Erzähl mal. 

In Berlin ist es so, dass man sich in der Regel im Februar mit dem Halbjahreszeugnis der 6. Klasse an der Wunsch-Oberschule anmeldet. Zudem darf man auf dem Anmeldebogen zwei weitere Schulen eintragen, die das Kind gern besuchen würde, wenn dem Erstwunsch nicht entsprochen werden kann. Es gibt keine Einzugsgebiete mehr, wie das bei den Grundschulen ist.

Der Berliner Senat nennt das „Wahlfreiheit“ und es klingt eigentlich ganz toll. Das Land Berlin gibt auch jedes Jahr einen schön gestalteten „Schulwegweiser“ heraus, der Familien helfen soll, die richtige Wahl zu treffen. Dort stehen kann Sätze wie "Welche Lieblingsfächer hat mein Kind und welche Interessen?“ oder „Welche Schulen befinden sich in Wohnortnähe? Welchen Schulweg kann und will ich meinem Kind zumuten?“.

Genau nach diesen Kriterien haben wir uns für drei Gymnasien entschieden, die ein naturwissenschaftlich-mathematisches Profil haben und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen sind. Wohl wissend, dass die Plätze an Oberschulen knapp sind, haben wir auch über die Bezirksgrenzen von Friedrichshain-Kreuzberg hinaus geschaut und eine Schule im Nachbarbezirk gewählt, die vom Profil her passt und immer noch gut erreichbar wäre.

Mitte Mai flatterte dann der Schulbescheid ins Haus und war für uns ein Schock. Der Erstwunsch wurde abgelehnt, beim Zweitwunsch wurde unser Sohne für eine Schule abgelehnt, die wir nie angegeben hatten und der Drittwunsch wurde ebenfalls abgelehnt. Stattdessen soll er jetzt einen Schulweg von knapp einer Stunde auf sich nehmen und ein Gymnasium in Charlottenburg-Wilmersdorf besuchen, das ein sprachbetontes Profil hat.

Der Bescheid ließ uns ahnen, was für ein Chaos im Schulamt herrschen musste. Dieser Verfahrensfehler könnte für uns persönlich unser Glück im Unglück sein, denn wir haben natürlich Widerspruch eingelegt. Im Netz machten aber an diesen Tagen mehrere Eltern, die es mit ähnlichen Schulzuweisungen getroffen hatte, ihrem Ärger Luft.

Auch ich habe einen wütenden Beitrag auf Facebook gepostet, den Ihr hier lesen könnt. 

Dein Sohn hat einen prima Notendurchschnitt – und wurde trotzdem abgelehnt. Welche Auswahlkriterien gibt es denn an den Oberschulen und musstet Ihr Euch richtig "bewerben?"


Von der Grundschule bekommen die Familien vor dem Übergang in die weiterführende Schule eine sogenannte „Förderprognose“ für das Kind, welche Schulart am besten wäre. Hat das Kind eine Durchschnittsnote von 2,2 oder besser, kann es aufs Gymnasium. Man kann sein Kind sogar mit einer 3,0 noch am Gymnasium anmelden, wenn man vorher ein Beratungsgespräch wahrnimmt. Eltern, die schon Kinder im Schulalter haben, wissen, dass manche Kinder erst später an der Schule so richtig Fahrt aufnehmen – obwohl ihnen in der Grundschule noch nicht zugetraut wurde, das Abitur zu schaffen.

Wenn für eine Schule mehr Anmeldungen eingehen als Plätze vorhanden sind, greifen bestimmte Aufnahmekriterien. Bis zu 10 Prozent der Plätze werden für Härtefälle vergeben, danach für Kinder, die ein Geschwisterkind an dieser Schule haben. 60 % kommen über Kriterien rein, die die Schule festgelegt hat, wie z.B. einen Numerus Clausus. Die restlichen 30% der Plätze werden verlost.

Der ehrliche Weg bei dieser Schulsituation in Berlin wäre gewesen, wenn der Senat gesagt hätte: „Her mit den Namen eurer Kinder. Wir tun sie alle in einen Lostopf, mischen ordentlich durch und dann ziehen wir irgendeine Schule.“ Stattdessen macht man den Eltern Hoffnung, sie könnten nach Wohnortnähe und Interessen des Kindes eine Auswahl treffen.

Da sitzen dann die Kinder mit einem Gefühl, trotz eines guten Durchschnitts nicht „gut genug“ gewesen zu sein. Wer zudem noch nicht einmal über das Losverfahren Glück hatte, bekommt eine Schule durch das Schulamt zugewiesen. Das ist für die Kinder ganz bitter. So kurz vor den Sommerferien erfahren sie, dass sie künftig eine Schule besuchen müssen, die ihnen irgend jemand Fremdes zugeteilt hat. Die, wie in unserem Fall, bis auf den Schultyp auch überhaupt nicht zu dem passt, was man sich vorher mit dem Kind gemeinsam ausgesucht hat.

In Zeiten, in denen der Zugang zu guter Bildung für alle so wichtig ist, ist diese Situation einfach nur ein Armutszeugnis für unsere Hauptstadt.

In Berlin gibt es momentan einfach zu wenig Oberschulen, richtig?

Wichtig ist, dass alle Eltern erkennen, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt, nicht um traurige Einzelschicksale. Seit Jahren ziehen mehr Menschen nach Berlin. Ganze Wohnviertel entstehen neu. Trotzdem wurden Schulen abgerissen oder an Privateigentümer verkauft. Das Problem ist also selbst verschuldet. Spätestens mit der Kita-Krise in Berlin hätte aber der Berliner Senat aufwachen müssen, denn aus einer Kita-Krise wird einige Jahre später eine Schulkrise.

Dazu muss man keine Wissenschaftlerin oder Politikerin sein. Ein gesunder Menschenverstand hätte gereicht. Kinder fallen nun mal nicht ganz plötzlich vom Himmel.
Speziell für unseren Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte der Bezirksschulstadtrat zugegeben, dass der überproportionale Bevölkerungszuwachs seit 2009 bekannt sei. Da frage ich mich natürlich: „Was habt ihr zehn Jahre lang getan?“

Berlin feiert sich aktuell für seine „Schulbauoffensive“. Ich werde wirklich wütend, wenn ich diesen Begriff höre oder lese, denn hier wird lediglich zaghaft das angefangen, was seit vielen Jahren längst überfällig war.

Euer Sohn soll nun jeden Tag quer durch die Stadt fahren. Welches Gefühl hast Du dabei?

Wenn man nicht in Berlin wohnt, ist der Ärger von Eltern, dass das Kind in einen anderen Stadtbezirk fahren muss, vielleicht etwas komisch an. Deswegen will ich das am Beispiel unserer Situation kurz einordnen.
Unser Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte 285.963 Einwohner zum Stichtag 30. Juni 2018, sodass wir davon ausgehen können, dass es jetzt sogar noch mehr sind. Der flächenkleinste der zwölf Berliner Bezirke hat zugleich die höchste Bevölkerungsdichte und das geringste Durchschnittsalter.

Damit hat allein dieser Stadtbezirk mehr Einwohner als Kiel, Braunschweig oder Gelsenkirchen. Man stelle sich also vor, eine Familie aus Braunschweig hätte solch einen Bescheid bekommen, in dem steht, dass das Kind keinen Platz an einer der drei Wunschschulen bekommen wird. Und dass die Schule, die dem Kind zugewiesen wird auch nicht einmal mehr in Braunschweig liegen wird. Stattdessen soll sich der Elfjährige jetzt in die Bahn setzen und eine knappe Stunde weit fahren.

Für die Kinder bedeutet das, dass sie komplett aus dem Sozialraum herausgerissen werden. Selbst wenn sie an der zugewiesenen Schule schnell neue Kontakte knüpfen, werden sie die kaum pflegen können. Gemeinsam noch etwas unternehmen oder einfach nur zusammen abhängen? Daraus wird nichts, wenn nach dem Unterrichtsschluss alle ihren weiten Heimweg in verschiedene Richtungen antreten müssen. Sportvereine und Hobbys werden ebenfalls schwer, wenn die Zeit schon dafür draufgeht als „Schultourist“ durch die halbe Stadt zu fahren.

Du hast dich sicher gleich nach den Absagen ans Schulamt gewandt. Was waren dort die Reaktionen?

Wir haben sofort von unserem Recht auf Widerspruch Gebrauch gemacht. Jetzt haben die Ferien angefangen und wir haben bisher nichts in der Hand außer der Eingangsbestätigung mit dem Hinweis, dass die Bearbeitung längere Zeit in Anspruch nehmen könnte. Das bedeutet, dass wir parallel zu dem laufenden Widerspruch unseren Sohn erst einmal an dieser Schule anmelden mussten. Je nachdem, wie der Widerspruchs bescheid ausfällt, werden wir den Klageweg beschreiten.

Aber es ist genau diese Tatsache, dass jede Familie sich nun als Einzelkämpfer durchboxen muss, die mich wütend macht. Nicht alle Familien haben die Zeit, das Geld und die Kraft dazu. Manche haben einfach ganz andere „Baustellen“ und können sich nicht auch noch mit dem Schulamt herumschlagen.

Hast Du noch weitere Schritte unternommen, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen?

Als Elternvertreterin an unserer Grundschule bin ich seit letzten Jahr auch im Bezirkselternausschuss aktiv. Das ist die Elternvertretung auf kommunaler Ebene. Dort setzen wir uns sehr aktiv mit der Schulsituation auseinander, holen uns die Verantwortlichen aus Verwaltung und Politik dazu und machen Druck. Das ganze bringen wir über den Landeselternausschuss natürlich auch auf die Landesebene, aber die Mühlen mahlen langsam.

Natürlich nutze ich auch Kiezgespräche und widerspreche dort gern auch laut unserem Bezirksschulstadtrat, wenn er bestehende Tatsachen politisch schön reden will. Sich zumindest kommunalpolitisch zu engagieren, ist etwas, das Eltern noch viel mehr tun sollen.

Leider ist es ja so, dass die Ämter der Elternvertretung nicht als besonders sexy gelten. Ich denke da nur an die ganzen gesenkten Köpfe auf der Elternversammlung, wenn gefragt wird, wer sich zur Wahl stellen will.

Dabei geht es weniger darum, den Kuchenbasar zum Sommerfest zu organisieren, sondern sich in den entsprechenden Gremien gemeinsam für unsere Kinder stark zu machen. Mein Appell an alle Eltern ist tatsächlich: Lasst euch als Elternvertretung wählen, quält euch am Anfang ein bisschen durch die Leitfäden, die euch die einzelnen Gremien erklären und werdet aktiv.

Du hunterstützt nun jetzt eine Petition, die hoffentlich ganz viele unsere Leser unterschreiben. Erzähl mal, um was es genau geht und wie unsere Leser Dich unterstützen können

Auf meinen wütenden Facebook-Beitrag habe ich viele Nachrichten bekommen von verzweifelten Eltern, deren Kinder einen noch viel weiteren Weg zurücklegen sollen. Ich war schon drauf und dran, eine eigene Petition zu starten, da wurde ich auf die Petition „Berliner Bildungsnotstand stoppen“ aufmerksam, die ein Vater aus Prenzlauer Berg gestartet hatte. Er hat ebenfalls drei Kinder und bei ihm ist die jüngste Tochter in der gleichen Situation wie unser Sohn. Als ich sah, dass die Petition gerade einmal knapp die 100er Marke überschritten hatte, wusste ich, dass ich hier wiederum etwas tun kann.

Machen wir uns nichts vor: Unser aller Tag hat nur 24 Stunden. Keiner schafft alles alleine. Umso wichtiger sind jetzt Kanäle wie zum Beispiel euer Blog und natürlich Instagram, Facebook und Twitter, um zu zeigen, dass wir uns das als Familien nicht gefallen lassen, wenn bei der Bildung gekürzt wird und unsere Kinder das ausbaden sollen.

11.000 Unterschriften sind für das Quorum nötig und dafür haben wir noch rund 160 Tage Zeit. Ich kenne solche Abende nur zu gut, wenn man auf dem Sofa sitzt und nur noch mit dem Daumen auf dem Smartphone herumdaddeln kann. Zu mehr sind Köper und Geist einfach nicht mehr in der Lage. Aber wenn jeder, der das hier liest, die Petition unterzeichnet (geht online wunderbar vom Sofa aus) einmal über sein Netzwerk teilt, dann werden wir unser Anliegen ins Abgeordnetenhaus von Berlin einbringen können.

Dabei sollten wir auch die Eltern ins Boot holen, die jetzt noch keine Schulkinder haben. Wenn wir jetzt nichts tun, trifft es sie sonst in einigen Jahren.

Die ganze Situation ist sehr belastend. Wie geht es Euch als Familie damit und vor allem deinem Sohn?

Wir haben zum Glück einen ganz tollen Sohn, der weiß, dass wir derzeit an allen Fronten etwas bewegen wollen, der aber auch gut damit umgeht, dass er wohl erst einmal an die zugewiesene Schule gehen muss. Mit einer ordentlichen Portion Zweckoptimismus sind wir jetzt in die Sommerferien gestartet.

Was ihn tatsächlich trifft, ist die räumliche Distanz zu seinen Freunden. Alle sind auf verschiedene Schulen verstreut und den Kontakt zu halten, wird schwer werden.

Was würdest Du Dir für sofortige Änderungen im Berliner Schulsystem wünschen? 

Ein bisschen bitter ist, dass von allem, was wir jetzt tun, die Kinder, die aktuell betroffen sind, gar nichts mehr haben werden.

Ich wünsche mir aber, dass die Berliner Ämter endlich zusammenarbeiten und eine konkrete Bedarfsplanung erstellen – und zwar für Kindertageseinrichtungen, Grundschulen und weiterführende Schulen. Wie viele Kinder es künftig an Schulen geben wird, ist spätestens dann klar, wenn man ins Geburtsregister der Standesämter schaut.

Dazu kommen die Familien, die mit ihren Kindern nach Berlin ziehen. Es ist bekannt, dass man für 1.000 neu errichtete Wohneinheiten mindestens einen neuen Zug an einer Schule (Zug = 150 Kinder) braucht. Wer in Berlin Wohnungen bauen will, muss künftig die Auflage erhalten, dass entsprechende Kitas und Schulen eingeplant werden, sonst gibt es keine Baugenehmigungen.

Es kann auch nicht sein, dass um mich herum lauter neue Einkaufszentren aus dem Boden schießen, es aber an Kitas und Schulen mangelt.

Aber das Thema ist komplex und ich habe keine Lösung auf dem Silbertablett.

Wir Eltern arbeiten in der Regel in ganz anderen Berufen und sind daher keine Fachleute in Sachen Stadtentwicklung und Schulplanung. Es wird engagierten Eltern daher auch immer gern vorgeworfen, dass wir selbst keine guten Vorschläge hätten. Das ist eine Argumentation, mit der man diejenigen, die sich engagieren, gern mundtot machen möchte.

Aber es ist auch nicht unser Job als Eltern, gleich die Lösungen mitzuliefern, sondern die Aufgabe derjenigen, die die entsprechenden Stellen in der Verwaltung besetzen.

Wir sollten als Eltern aber auf die Missstände aufmerksam machen und ein Zeichen setzen – auch über die Grenzen unserer Hauptstadt hinaus. Was gerade in Berlin passiert, kann anderen Städten genauso passieren.

—-UND HIER KOMMT IHR ZUR PETITION! Bitte helft mit, die Situation in Berlin zu verbessern. 

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26 comments

  1. Es war ein Fehler eine Schule
    Es war ein Fehler eine Schule in einem anderen Bezirk als Zweitwahl zu nehmen. Bei der Zweitwahl werden nämlich immer immer die Bezirkskinder bevorzugt. Würde bei Losverfahren nicht etwas „nachgeholfen“ werden, würden wir noch mehr „Bezirksfremde“ in den Schulen haben und noch mehr Kinder müssen weiterfahren. Auch bei der Jungen/Mädchenverteilung muss immer wieder getrickst werden, insbesondere bei Schulen mit einem „NC“ von unter 1,5. Sonst hätte man an solchen Schulen nämlich fast nur Mädchen.

  2. Das Problem sind nicht die
    Das Problem sind nicht die Anzahl der Schulplätze, sondern das Vergabeverfahren. Mit vernünftigen und großzügigen Einzugsgebieten würde das nicht passieren. Das jetzige Vergabeverfahren führt zum Gegenteil, was die Berliner Politik erreichen will. Da schafft man die Hauptschulen ab, um dann erneut durch das vermurkste Vergabeverfahren solche Schulen wieder zu generieren und nimmt gleichzeitig in Kauf, dass Kinder ewig durch die Stadt fahren um zur Schule zu gehen, obwohl 10 andere Schule näher dran wären. Absurd. Aber es gibt keine Einsicht. So viele Gespräche mit Herrn Thomas D. und es kommt nichts bei rum. Dazu kommt auch noch, dass die Berliner Elternvertreter einem immer wieder in den Rücken fallen und Herr Thomas D. dies gerne als „die Eltern wollen es doch auch so“ verkauft. Dazu kommt dann noch die Berliner Verwaltung, die wahrscheinlich gar nicht in der Lage wäre die Kinder vernünftig zu verteilen, wenn es ihre Aufgabe wäre. Wenn man mal bei so einer „Konferenz“ dabei war, wo die Kinder, die keine Wunschschule bekommen haben, verteilt werden, dann fragt man sich wie man solche Menschen über das Schicksal von Kindern entscheiden lassen kann. Sie möchten gar nicht wissen was da alles an Unvermögen hinter den Kulissen läuft.

  3. Unglaublich
    Ich finde es unglaublich, dass ein einstündiger Schulweg von den Behörden als zumutbar empfunden wird. Haben Menschen, die solche Einschätzungen abgeben, eigentlich selbst Kinder?

  4. Starkes Zeichen
    Das Thema ist ja nun schon älter und es passiert schon Jahre lang nichts. Bei uns ist es in zwei Jahren soweit – was mir durchaus Angst macht. Sollte uns das passieren habe ich in meiner gedanklichen Trotzreaktion eigentlich schon heute festgelegt, mir dann halt wieder ein Auto zuzulegen, und mein Kind zur Schule zu fahren. Da kann er noch ein bisschen weiter schlafen. Spannend wäre zu sehen, was passiert, wenn die betroffenen Kinder – geschlossen – einfach ihrer Schulpflicht nicht nachkommen – quasi streiken und das in großer Zahl. Das wäre durchaus ein Zeichen. Gibt es denn Zahlen, wieviele Schüler von einem so langen Fahrtweg betroffen sind?

    1. Eltern die ihre Kinder aus
      Eltern die ihre Kinder aus diesem Grund nicht zur Schule zu schicken haben innerhalb von 2-3 Wochen eine Klage am Hals. Haben schon einige probiert und sind dann doch eingeknickt.

  5. Wahnsinn…
    …einfach nur Wahnsinn! & das betrifft nicht nur Berlin & die Schule, sondern die ganze Bundesrepublik beginnend bei der Vergabe der Krippenplätze (respektive Tagesmütter /-väter). Mehr dazu auch hier: https://www.vatersohn.blog/krippengesuch-wenn-familien-auf-der-strecke-bleiben/

    Wir sollten weg von diesem starren clustern nach Noten. Meiner Erfahrung nach sagen diese einfach zu wenig bis gar nichts über die Leistungsfähigkeit & vor allem die individuellen Interessensgebiete unserer Kinder aus!

    LG, Richard & Hugo vom https://www.vatersohn.blog/

  6. Die andere Seite
    Es ist sehr interessant als Lehrerin mal die andere Seite kennen zu lernen. Ich unterrichte (in Berlin) an einem nicht so stark nachgefragten Gymnasium, und wir haben regelmäßig Probleme mit unmotivierten zugewiesenen Schülern, die sich von Anfang an nicht mit unserer Schule anfreunden können.
    Ich kann also (im Sinne der Kinder) nur an die Eltern appellieren zwar hinter den Kulissen alle Hebel in Bewegung zu setzen, aber insgesamt für ihre Kinder aufgeschlossen der zugewiesenen Schule gegenüber zu bleiben, um nicht unnötig Vorbehalte zu schaffen die zu einem unguten Start führen können!

    1. Hallo Rebecca,

      Hallo Rebecca,

      was ist das für ein Gymnasium und wie weit fährt man von Friedrichshain-Kreuzberg aus? Dann kommen wir zu euch!

      Spaß beiseite. Dein Appell ist wirklich wichtig. Es tut weder den Kindern noch den Lehrkräften gut, da bin ich ganz bei dir. Wir waren ja bei „unserer“ Schule und haben sie uns angesehen. Nun ja, so gut das eben ging. Und wir haben uns natürlich auch gefragt: „Hätten wir uns womöglich für diese Schule entschieden, wenn sie näher am Wohnort gewesen wäre?“

      Ich finde es auch wichtig, dass Eltern die zugewiesene Schule nicht durch ihre Äußerungen zur „schlechten Schule“ machen. Aber das verlangt sehr viel Fingerspitzengefühl. Vermutlich wird auch unser Sohn erst einmal auf die zugewiesene Schule gehen. Und wir werden das Beste daraus machen.

      Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass ich mich auch dort freiwillig zur Elternvertreterin wählen lasse, denn allein schon beim Anblick des Schulhofes wurde klar: Da gibt es noch eine ganze Menge, wofür man sich einsetzen kann!

    2. Als ob das jetzt daran liegt.
      Als ob das jetzt daran liegt. Die nicht nachgefragten Schulen bekommen eben durch dieses Vergabeverfahren die schlechten Schüler.

  7. Unglaublich!!!
    Vielen Dank für Deinen Beitrag, Petition ist natürlich unterschrieben!

    Unglaublich, dass sich ein Land wie Deutschland so ein Schulsystem und so eine Organisation leisten kann. Es fängt mit der Dezentralität auf Länderebene an. Jeder macht, was er will.
    Wir sind noch nicht mal in der Grundschule angekommen (angemeldet für nächstes Jahr) und haben hier schon Unglaubliches erlebt. Ich bin gespannt, was das Schulleben noch für uns bereit hält :-(((

    1. Hallo KaLuNe,

      Hallo KaLuNe,

      dass wir in Sachen Bildung immer noch in der Kleinstaaterei stecken geblieben sind, ist auch für mich unglaublich. Hier muss sich wirklich noch viel bewegen!

  8. Köln auch – zu wenig Schulplätze in Großstädten
    Ist leider ein weiterverbreitetes Problem in Großstädten: Wir kommen aus Köln und hatten eine ähnliche Situation. Unsere Tochter hat insgesamt drei Schulen abgelehnt bekommen (1. Gesamtschule 2. Gymnasium Erstwunsch 3. Gymnasium Zweitwunsch) – auch mit uneingeschränkter Gymnasialempfehlung. Und statt dessen eine Zuweisung zu einer Schule, zu der sie pro Strecke knapp eine Stunde mit ÖPNV fahren muss. Lt. Bezirksregierung ist knapp eine Stunde absolut zumutbar. Wir haben auch Widerspruch eingelegt, das ist allerdings ziemlich aussichtslos und der ist erwartungsgemäß abgelehnt worden. Das Problem – wie es die Verfasserin schon selbst sagt – es ist jahrzehntelang zu wenig in die Bildungsinfrastruktur investiert worden. Gerade kleinräumige Bildungsstatistiken sind hilfreich, denn ebenso wie in Berlin ist auch in Köln der Platzmangel an weiterführenden Schulen in sehr beliebten Wohnvierteln am stärksten. Wir haben uns „gerettet“, indem wir „klappern“ gegangen sind zu allen Gymnasien, die fahrttechnisch gut erreichbar sind. Und es hat tatsächlich nach mehreren Anläufen geklappt, wir haben jetzt eine gute Schule gefunden, die deutlich näher liegt (nur ca. 20 Minuten Anfahrt) und uns noch viel sympathischer als die zugewiesene Schule. Mein Tipp: Die Energie lieber direkt in die Suche nach einer neuen Schule stecken. Es gibt immer Kinder, die noch umziehen oder aus anderen Gründen den Platz doch nicht annehmen und so sind wir auch über Warteliste noch an einen anderen Schulplatz gekommen. Widerspruchsverfahren sind schwierig auch weil meist die zuständige Bezirksregierung (in Berlin ja die Senatverwaltung direkt) mit den Schulen „zwangskooperiert“ und es relativ selten ist, dass man ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gewinnt. Widerspruch sollte man aber immer einreichen. Für uns war es auch eine aufreibende Zeit und ich finde z.T. nicht zumutbar, dass 10-jährige Kinder zusätzlich zu einer Ganztagsschule (ursprünglich wollten wir bewusst ein Halbtagsgymnasium, zugewiesen wurde eine Ganztagsschule) noch 2 Stunden Fahrtweg pro Tag haben.

    1. Hallo Tatjana,

      Hallo Tatjana,

      danke für deinen Erfahrungsbericht. Ich denke auch, dass wir uns nicht allein auf den Widerspruch verlassen können und mehrere Strategien fahren müssen.

      Es macht mich so wütend, wenn große, strukturelle Probleme von jeder Familie im Kleinen gelöst werden müssen. Es gibt so viele, die dafür eine Kraft und keine Zeit haben. Ich denke da z.B. an Alleinerziehende.

      Deshalb bin ich dafür, dass gerade zum nächsten Schuljahresbeginn alle Eltern mobilisiert werden sollten.

  9. Generell
    finde ich es nicht toll, wenn Kinder heutzutage noch einen ewig langen Schulweg haben.
    Auch, dass planlos irgendeine Schule zugewiesen wird, finde ich schrecklich.

    Aber die langen Schulwege gibt es auch so.
    Wir wohnen in Bayern. 15 km vor der Stadt.
    Die Kinder müssen mit Bahn und Bus zur Schule plus Fußweg.
    50-60 Minuten sind beide Kinder täglich unterwegs.
    Vorausgesetzt, der Zug ist pünktlich, nicht überfüllt (Das gilt auch für den Bus) oder fährt überhaupt. Ansonsten wird es noch länger.
    Haben die Kinder 7 Std Schule, fährt der Zug erst eine Stunde später.
    Es ist so viel verlorene Zeit
    Ich komme aus einer Kleinstadt und hatte alles vor Ort
    Meine Kinder verlieren jeden Tag bis zu 2 Std aufgrund der Verbindungen.

    Auch ist es hier nicht sicher, die Wunschschule zu bekommen, weil es immer mehr Anmeldung gibt. Aber es werden zumindest die 2. Oder 3. Wahl berücksichtigt.

    Und hier sind die Kinder dann erst 9 oder 10, wenn sie so lange unterwegs sind.

    Aber wohnen in der Stadt, geht finanziell auch nicht. Aber ich wäre schon um bessere Anbindungen froh.

    Ich drück die Daumen, dass es mit der WunschSchule doch noch klappt.

    1. Hallo Sany,

      Hallo Sany,
      hab vielen Dank. Eure Situation ist auch nicht besser. Auf dem Land wird auch immer mehr eingespart. Immer mehr Gemeinden werden zusammengelegt. Die Wege werden weiter, die Infrastruktur dagegen schlechter.
      Ich drücke euch die Daumen, dass nicht noch mehr eingespart wird.

  10. Berlin ist ein failed state
    Hier in Pankow ist es die gleiche Situation, ich kenne schon Eltern, die ihr Kind ab der 5. Klasse (in Berlin hat die Grundschule 6 Klassen) aufs Gymnasium anmelden, obwohl es gar nicht überdurchschnittlich gut ist, nur um einen Schulplatz zu bekommen. Der Vollständigkeit halber: die Krise ist auch keine Krise der Gymnasien, es betrift auch Oberschulen (=Gesamtschulen).
    Wenn ich die Statistiken richtig kenne, hat die ganz große Schülerwelle in Berlin erst mit dem letzte Einschulungsjahrgang (2018) begonnen. Ich bin gespannt, wie sich die nächste Berliner Regierung aufstellt. Für alle Nicht-Berliner: neben der Oberschulkrise, die neu ist, tobt in Berlin auch noch die Grundschule (mittelneu) und die Kitakrise.
    Wie Anna oben schreibt (ich komme aus HH und kenne dort noch viele Leute, auch in MUC): es zeichnet sich in Berlin ab, dass es nicht nur nicht mehr genug Kitaplätze gibt, sondern auch zunehmend zu wenig Schulplätze gibt. Dann läuft es wie immer: der Senat legt eine Schulbauoffensive auf, bei der von Anfang an absehbar ist, dass sie so nicht funktionieren kann und wird (analog: radfreundliche Stadt etc.).
    Seit ich mich damit arrangiert habe, dass Berlin ein failed state ist, lebe ich besser.

    1. Hallo Mimamo,

      Hallo Mimamo,
      genau diese Tendenz, die Kinder früher aus der Grundschule zu nehmen und in die Schnell-Lerner-Klassen zu stecken, ist ganz fatal. Dafür war der Wechsel nach der 4. Klasse nie gedacht. Zum einen werden die Kinder dazu gedrängt, auch ja den Numerus Clausus dafür zu schaffen zum anderen führt das zu einem Problem an den Grundschulen.

      Wir hatten diesen Fall an unserer Grundschule: Wenn durch den Weggang nach der 4. Klasse die Klassenstärke unter 25 Schüler*innen fällt, wird der Schule eine Lehrkraft entzogen. Die Klasse wurde aufgeteilt. Ein ganz schlimmer Kreislauf, der da in Gang gesetzt wird!

      1. Und ich finde es gerade dann
        Und ich finde es gerade dann fatal, wenn das Kind einfach nur ganz gut ist. Hätte ich ein Kind mit Supernoten, das mehr und schnelleres Lernen möchte, wären die Schnelllerner-Klassen ab der 5. eine Option. Aber nur um sich einen Platz zu sichern?
        Wobei ich auch das Gefühl habe, dass das Gymnasium ab der 5. immer stärker zu einer sozialen Frage wird. Vor allem konservative leistungsorientierte Eltern wollen den „Pöbel“ früher aus dem Schullleben ihrer Kinder entfernen. Der Aspekt prägte auch stark die Diskussion über die Verlängerung der Grundschulzeit in Hamburg vor ein paar Jahren. Wobei ich auch ein einheitliches Schulsystem deutschlandweit grundsätzlich sinnvoll fände.

  11. … bei uns ist es auch so.

    … bei uns ist es auch so.
    Wir wohnen in Berlin, haben keinen Wunschplatz für unsere Tochter bekommen und nun soll sie ca 50 Minuten entfernt auf eine Schule, die uns überhaupt nicht zusagt.
    Auch wir haben Widerspruch eingelegt, aber laut unserem Anwalt stehen die Chancen sehr schlecht 🙁
    Das Gefühl nicht selbst entscheiden zu können ist schon erdrückend.
    Ich wünsche euch viel Glück

    1. Hallo Lena,

      Hallo Lena,
      uns wurde auch gesagt, dass der weite Schulweg allein als Begründung kaum eine Aussicht auf Erfolg hat. Bei uns könnte es der Verfahrensfehler sein, weil unser Zweitwunsch nicht einmal geprüft wurde, sondern eine falsche Schule.
      Aber mich macht die Tatsache wütend, dass das jede Familie für sich ausfechten soll.
      Das müssen wir echt dem Berliner Senat deutlich machen, dass das nicht sein kann und er strukturelle Probleme nicht auf die Kinder abwälzen kann.

      1. Verfahrensfehler
        Ich würde mir da keine großen Hoffnungen machen. Auch wenn Frau Pietsch oder wer sie auch immer berät, da vielleicht eine minimale Chance sieht. Die Richter in Berlin haben schon viel schwerere Verfahrensfehler einfach ignoriert. Vielleicht haben sie Glück und treffen auf einen gnädigen Richter.

  12. Horror
    Wenn ich diesen Bericht lese, bin ich unendlich dankbar, dass ich erstens in Hamburg wohne, zweitens, dass wir unsere Wunschschule bekommen haben, die mein Sohn bequem zu Fuß in 7 Minuten erreicht und drittens, dass uns dieses Einspruchtrara erspart bleibt. Was für ein missöungener Start für das arme Kind. Wir wohnen sehr günstig. 2 Gymnasien und eine Stadtteilschule sind fußläufig erreichbar. Alkes Gute für deinen Sohn

    1. Dass das in Hamburg nicht
      Dass das in Hamburg nicht passiert, ist so zumindest für die Grundschule nicht wahr, wie wir vor drei Jahren feststellen mussten, als unsere drei Wünsche durchfielen und wir eine Schule zugewiesen bekamen. Den entsprechenden Schulweg hätte kein Grundschüler allein bewältigen können (ÖPVN mit Umsteigen an einer großen Kreuzung). Die „Wahlfreiheit“ ist also hier auch nur Makulatur. Und zumindest in Eimsbüttel bangen die Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schule regelmäßig darum, ob die individuelle Entfernung zur Schule (das oberste Entscheidungskriterium in der Zuweisung) ausreicht.
      Ein Widerspruch hatte in unserem Fall übrigens nur Erfolg, weil noch ein Platz an einer nahegelegenen Grundschule frei wurde…

      1. Das will ich auch gar nicht so sagen
        ich bekomme das in meinem Umkreis schon mit, dass es zu diversen Problemen kommen kann, angefangen bei der KITAwahl. Und mir wird daher auch klar, was für ein Glück ich anscheinend mit allem hatte. Beide Kids besuchten eine Kita, die 10 Minuten Fußweg entfernt war. Danach bekamen wir ohne jegliche Probleme unsere Wunschgrundschule (sehr beliebt und begehrt in unserer Gegend) – 5 Minuten Fußweg (wir wohnen ziemlich dicht dran) und jetzt ohne Probleme (aber zugegebenermaßen mit etwas Zittern) unser Wunschgymnasium (auch beliebt hier in der Gegend – wir wohnen im Hamburger Westen), welches mit dem Fahrrad in 5 Minuten erreichbar ist. Es sind fast luxuriöse Zustände, ich weiß. Daher bin ich unendlich dankbar für unsere Situation und wünsche allen anderen hier vielviel Glück. Petition ist unterschrieben!

        1. das freut mich ehrlich für euch
          und bei uns ist es am Ende ja auch glücklich ausgegangen.
          In jedem Fall ist da bei den Statistikern und Städteplanern was grundsätzlich schief gelaufen, wenn am Ende alle zittern müssen.
          Drücke uns allen die Daumen, dass sich in den nächsten Jahren die Situation wieder entsprannt.

    2. Hallo Anna,

      Hallo Anna,
      vielen Dank. Die Verhältnisse sind vermutlich auf die gesamte Stadt Berlin gerechnet gar nicht so schlimm. So kann man natürlich auch die Zahlen schön rechnen.
      Aber Berlin ist einfach so Riesen groß und diese Stadtverwaltung tut Dinge, die einfach an der Lebenswirklichkeit von normalen Menschen vorbei geht…

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