Meine Woche mit Oma

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Anstrengend, intensiv, traurig, auch lustig, schön und manchmal auch nicht.

Gefühls-Mischmasch sind meine letzten Tage.

„Du musst lauter sprechen, die Uroma hört dich sonst nicht“, sage ich meinen Kindern ständig.

Denn die Uroma ist schon 91 und wir, die Kids und ich, passen seit Sonntag auf sie auf.

Sie braucht Hilfe, was ich ganz normal finde, in dem Alter. Sie findet es schrecklich.

„Ich hab immer für mich alleine sorgen können“, sagt sie mit dünner Stimme.

Nun nicht mehr.

Diese Frau, meine Lieblingsoma.

Die, die die besten Schnitzel machen kann.

Die, die nach dem Krieg die Heimat verlassen musste. Die  während der Flucht in Scheunen schlief, bei Bauern betteln, hungern, sich durchschlagen musste.

„Wir waren nicht gerade gern gesehen, wir Flüchtlinge.“

Dann lernte sie meinen Opa kennen, vier Jahre jünger als sie und mit einem verschmitzen Lächeln.

„Ein guter Mann.“

Zwei Töchter, acht Enkel – eins davon ich.

Oft lagen wir gemeinsam auf dem grünen Samtsofa in ihrer Wohnung. Sie kraulte meine Haare, während sie vom Krieg erzählte.

Sie zeigte uns Fotoalben aus den 60ern. Opa und sie im Italienurlaub. Sie und ihre Schwestern beim Sonntagsspaziergang. Immer im Kleid, die Haare fein gemacht.

Als ich das erste Mal schwanger wurde, strickte sie eine wollweisse Babydecke. Als ich sie auspackte, weinte ich, so schön war sie.

Lieblingsoma, so tief in meinem Herz.

Dünn ist sie geworden. Sitzt viel im Stuhl und guckt raus. Oder schläft. Und weint.

Sagt, dass sie nicht mehr will. Und ob sie mir zur Last falle.

Stefanie Hertel ist wieder mit Stefan Mross zusammen, steht auf dem Titel des Blättchens, das auf ihrem Küchentisch liegt. "So ein Quatsch, die haben doch längst Kinder mit anderen Partnern", sagt Oma. Oma weiss eben bescheid. 

„Nimmst Du Dein Gebiss noch mal für mich raus, Uroma?“, fragt meine Tochter begeistert.

Wir lachen alle. Meine Oma trinkt einen großen Schluck Weizenbier. Das muss sein. Jeden Abend. Seit Jahrzehnten.

Ein dicker Kloß in meinem Hals.

Ich weiß, diese Woche ist ein Abschied nehmen. 

 

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11 comments

  1. Liebe Katharina,

    Liebe Katharina,
    ich habe erfahren, dass Deine Oma, die ich ja auch kennengelernt habe, letzte Woche gestorben ist und Deinen Oma-Text noch einmal aufgerufen. Ich finde, da hast Du eine wunderschöne Hommage für sie geschrieben. Wie schön, dass sie so lange bei Euch sein und die Geburt Deiner drei Kinder und der vielen anderen Urenkel miterleben durfte. Bei mir brennt jetzt eine Kerze für sie.

  2. Mir liefen die Tränen
    beim Lesen. Eine Oma ist so wichtig. Meine Mama hatte vor knapp drei Jahren einen Schlaganfall und ist ein ganz anderer Mensch geworden; unsere Rollen sind mittlerweile vertauscht. Was würde ich dafür geben, einen Besuchstermin im Himmel zu bekommen, um mir meinen Kummer bei Omama von der Seele zu reden ❤️

  3. Selten schafft es ein Blog
    Selten schafft es ein Blog-Artikel mich zu Tränen zu rühren… Hier sitze ich nun mit meinem IPad und weine… Und denke an meine Omas…

  4. Schön
    …du kannst dich soooo glücklich schätzen, dass ihr einander sooo lange habt. Es ist nicht selbstverständlich. Meine Großeltern sind viel zu früh gegangen. Mein Lieblingsopa schon als ich erst 11 Jahre alt war. Das ist nicht einfach, denn ich vermisse ihn heute mit 38 Jahren noch genauso wie damals als er starb.

  5. Musste mich zusammenreißen…
    …nicht richtig loszuweinen. Ich hatte auch ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Omas. Die letzte ist 4 Tage vor der Geburt meines Sohnes vor 4 Jahren gestorben. Sie hatte Demenz,die letzten Jahre wusste sie gar nicht mehr wer ich war. Meine andere Oma hat mir auch immer viel vom Krieg und ihrer Kindheit erzählt. Das habe ich geliebt. Genieße die Zeit mit Deiner Oma in vollen Zügen-sie ist so wertvoll!

  6. Dein Artikel ging mir soooo
    Dein Artikel ging mir soooo nah. Meine Oma ist letztes Jahr gestorben. Genieße jeden Tag den Du mit Ihr hast!

  7. Kloß
    Ich weiß so genau was Du meinst und Du hast es so gut beschrieben. Ich hatte auch eine Lieblingsoma. Und auch ich habe ihre Geschichten aus dem Krieg gern gehört und sie ermuntert zu erzählen. Auch wenn sie dachte sie langweilt mich, das hat sie nie. Sie ist immer bei mir und ich denke oft an sie.

  8. Hab geweint
    Danke für diesen Artikel. Hatte auch ein ganz enges Verhältnis mit meiner Oma. Leider ist sie vor fünf Jahren gestorben. Ich denke jeden Tag an sie