Re: Ist mein Kind (10 Monate) zu klein für die Kita?

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Liebe Caro,

endlich komme ich vor lauter eigenem Kita-Eingewöhnungsstress dazu, dir mal deine Frage zu beantworten, ob ich der Meinung bin, dass dein zehn Monate altes Baby noch zu klein ist für eine Kita.

Eins vorab: Ich kann dir diese Frage nicht eindeutig beantworten, in mir selbst tobt da ein Kampf.

Wahrscheinlich habe ich einfach schon zu viel zum Thema gelesen. Die einen sagen: „Oh Gott, Studien beweisen, dass Kinder erhöhte Adrenalinspiegel haben, wenn sie zu früh von Mama getrennt werden und diese führen dazu, dass sich das kleine Gehirn nicht richtig entwickeln kann“. Andere wiederum sagen: „Super, dann gehen die ganzen Neurosen der Mütter nicht ungebremst aufs Kind über.“ Und ich meine: Früher, als man noch in intakten Dörfern wohnte und in der Großfamilie – da kümmerte sich ja auch nicht ausschließlich die Mama um den Nachwuchs, sondern auch die Nachbarn, Freunde und Verwandten.

Das Problem ist ja: Wie will man nachweisen, ob ein Kind sich ohne Krippe anders entwickelt hätte? Ich mein, ich könnte das ja in einem Selbstversuch echt ausprobieren mit meinen eineiigen Zwillingen. Den einen früh betreuen lassen, den anderen bei mir lassen und dann schauen, wie sich die Umwelteinflüsse bei genetisch gleichen Voraussetzungen am Ende des Lebens bemerkbar machen. Aber STOP! Wer will denn Menschenversuche? Niemals würde ich meine Kinder zu Versuchskaninchen machen, ich möchte ihenn selbstverständlich die gleichen Voraussetzungen ermöglichen. Verstehst du doch, oder?

Wir müssen also akzeptieren, dass wir niemals Gewissheit haben werden, was das Beste für das Kind ist. Punkt. Aber: Wichtig ist, bei dem, was wir tun, darauf zu achten, dass wir ein gutes Gefühl dabei haben! Wenn du als Mutter beim Abschied von deinem zehn Monate alten Baby regelmäßig in Tränen ausbrichst, ist es sicherlich nicht die richtige Variante. Denn dein Kind spürt ja, dass da jetzt was gehörig nicht stimmt.

Meine Jungs sind ja nun schon vier. Sie gehen in die Kita, seit sie zwei sind. Durch den Umzug müssen sie jetzt neu eingewöhnt werden. Neue Erzieher, neue Freunde, neue Umgebung. Das ist Stress. Da muss man sich erstmal dran gewöhnen. Und ja, ich habe letzte Woche, als ich meinen Kleinen schreiend dort zurücklassen musste, die gesamte Autofahrt geheult wie ein Schlosshund. Wirklich! Danach war´s dann aber auch gut. Er gewöhnt sich dran, ich gewöhne mich dran und ich weiß: Es tut ihm gut, mit Gleichaltrigen zu spielen, die nicht sein Bruder sind. Ich habe das Gefühl, es ist richtig. Das zählt.

Wichtig ist aber auch: vorauszuschauen. Manchmal denke ich: Mann, die sind erst vier und besuchen schon seit zwei Jahren eine Einrichtung. Krass. Das denke ich JETZT. Als sie zwei waren, dachte ich: Boah, sind die schon groß, die können jetzt durchaus mal was erleben, was nicht in unseren eigenen vier Wänden stattfindet. ICH brauchte diese Einrichtung, weil ich sonst wahrscheinlich bekloppt geworden wäre.

Mit ein bisschen Abstand sehe ich das aber differenzierter: Hätte ich sie nicht auch drei Jahre zu Hause lassen können? Musste ich dringend in der Zeit arbeiten, in der sie noch so klein waren, die Zeit kommt ja nie wieder. Was sind schon zwei, drei Jahre im Rückblick, wenn man es auf das ganze Leben hochrechnet? Müssen wir denn immer mithetzen mit den Anforderungen an die heutigen Arbeitgeber? Können wir uns nicht einfach auch mal zurücknehmen und sagen: Dieses Kind ist jetzt mein Lebensabschnittsbegleiter und in ein paar Jahren ist er groß und dann bin ich wieder dran? Schwierig!

Ich konnte das nicht und beantworte die Frage nach dem „Musste das sein“ meist mit einem JA! Aber machmal manchmal kommen eben doch die Zweifel. Geht dir später sichrlich auch so. Wenn er dann 15 ist, dir nichts mehr erzählt und du denkst: Hätte ich die wenige Zeit mit ihm nicht mehr nutzen sollen? Mein Trost ist dann immer, dass ich wohl tatsächlich bekloppt geworden wäre, ohne Hilfe mit drei Kleinkindern zu Hause. Und dass es den Kindern mehr gebracht hat, ein paar Stunden am Tag mit ihren Freunden zu spielen, als mich dabei zu beobachten, wie ich verrückt werde.  Und dann nachmittags eine entspannte, durch die Arbeit zufriedene Mutter anzutreffen.

Ist zwar jetzt ein bisschen lang geworden diese Abhandlung, aber es war mir wichtig, dir da verschiedene Gesichtspunkte aufzuzeigen. Mich würde mal interessieren, wie das unsere Leser so sehen? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?

 

 

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5 comments

  1. Meine Gefuehle
    Ich finde diese Frage auch schwierig. Mein Sohn ist in China zur Welt gekommen, da ich dort gerade arbeite. Wir (mein Mann, mein Sohn und ich) leben immer noch hier. Inzwischen ist er 7 Monate alt und ich arbeite wieder seit er 4,5 Monate alt ist. Da ich im Bildungsbereich arbeite, bin ich nicht 40 Stunden pro Woche weg, sondern kann viel Arbeit auch zu Hause erledigen. Aber ich hasse es, zur Arbeit zu gehen und mein Kind in ‚fremden‘ Haenden zu lassen. Hier in China gibt es keine Tagesmuetter oder Kindergrippen fuer Babies in dem Alter. Also haben wir eine Nanny. Mein Sohn mag sie und ich weiss, dass sie ihm genug Liebe und Aufmerksamkeit gibt. Trotzdem denke ich, dass ich das besser koennte. Ich kenne meinen Sohn schon so viel laenger und wir haben schwere Zeiten zusammen durchgemacht. Er war ein Schreibaby und ist auch jetzt noch oft sehr unruhig. Er zeigt wenig Trennungsaengste, wenn ich gehe. Auf jeden Fall jetzt nicht mehr, seit er die Nanny besser kennt. Am Anfang hat er geweint und ich auch. Trotzdem habe ich das Gefuehl, dass er am ruhigsten und entspanntesten ist, wenn ich bei ihm bin. Dann ist er ruhig genug, um mehr Schlaf zu bekommen.
    Jetzt fragen sich sicher einige, warum ich dann arbeiten gehe. Die Antwort ist einfach. Weil ich MUSS. Es gibt finanziell keine andere Moeglichkeit und die gaebe es auch nicht, wenn wir in Deutschland lebten, abgesehen von Sozialhilfe, die ich natuerlich vermeiden moechte. Erst heute habe ich meinen Mann weinend angerufen (er war bei der Arbeit) und gesagt, dass ich meinen Job kuendigen moechte. Trotzdem wissen wir, dass das so nicht geht. Also werde ich wohl damit leben muessen, dass ich nicht so viel von zu Hause weg bin und dass ich weiss, dass mein Sohn in guten Haenden ist. Und das bezieht sich leider nur darauf, dass ich weiss, dass die Nanny ihn liebt und gut auch ihn aufpasst. Die kulturellen Unterschiede fuehren dann aber doch dazu, dass sie ihn 24/7 am liebsten tragen wuerde. Ich bin ein Fan von vielem Tragen. Aber mittlerweile ist er in einem Alter, in dem er das Krabbeln lernen koennte, wenn sie ihn dann lassen wuerde. Oder die Nanny hat eine Erkaeltung fuettert aber das Kind mit ihren Essstaebchen mit in Oel und Salz ertraenktem Gemuese. Das ist eines von vielen Beispielen, bei denen wir die Haende ueberm Kopf zusammenschlagen. Wir versuchen ihr Step by Step zu erklaeren, dass wir das fuer nicht besonders sinnvoll halten, aber sie versteht oft nicht, was wir meinen. Anyways, das Leben erfordert eben Kompromisse. Und ich werde wohl oder uebel ueber meinen Trennungsschmerz hinwegkommen koennen und unser Sohn lernt mit viel Liebe von der Nanny, dass es sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt und spaeter einmal schlaegt er dann nicht die Haende ueber dem Kopf zusammen, wenn die Nanny seiner Kinder etwas macht, was er auf keinen Fall gemacht haette.

  2. Danke!
    Danke, ihr Lieben für Eure Antworten. Ich denke, das Thema wird mich noch eine Weile beschäftigen, zumal die Eingewöhung bei Max (10 Monate) ja noch läuft und ich natürlich sehr aufmerksam und auch (ein bisschen) besorgt bin wie er sich macht…

  3. Beobachtungen
    ich habe einfach schon recht früh fest gestellt, das mein kind am zufriedensten wirkt, wenn wir unter leuten sind – kleine menschen, große menschen, egal. ich habe mich recht früh bemüht, ihn abzugeben, nach dem motto ‚willst du mal halten‘. dann die großeltern und die tante babysitten lassen, damit mein kind merkt: hauptsache, jemand da, der mich hält. von daher hatte ich ein gutes gefühl, als er mit einem jahr bei der tagesmutter blieb (von schlechten phasen aber nicht zu schweigen). ich glaub, es gibt kein pauschalrezept, aber prinzipiell denk ich auch – man kann nicht so viel falsch machen, wenn man sich und sein kind gut einschätzen kann…