Rechtsaußen-Influencer: So beeinflussen sie unsere Kinder im Internet

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Ihr Lieben, dass sich im Internet so einige merkwürdige und gefährliche Menschen herumtreiben, wissen wir alle. Das Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (IfKW) an der Ludwig-Maximilians-Universität hat sich nun intensiv mit Rechtsaußen-Influencer:innen auf Telegram beschäftigt und festgestellt, dass diese spezielle Strategien nutzen, um extremistische Ideologie zu verbreiten und junge Leute dazu zu bringen, sich offline für deren Aktivitäten zu engagieren. 

Wie diese Influencer:innen vorgehen und wie wir unsere Kinder auf die Gefahren aufmerksam machen können, darüber haben wir mit Sophia Rothut vom IfKW gesprochen:

Liebe Frau Rothut, heute geht es um Rechtsaußen-Influencer:innen. Wie muss ich mir die vorstellen? Sind sie optisch klar erkennbar, also sehen sie so aus, wie man sich Neo-Nazis vorstellt oder ist das heute ganz anders?


Das ist eine sehr gute Frage! Häufig stellt man sich den typischen Anhänger von Rechtsaußen-Bewegungen als männlich, in Springerstiefeln und mit Glatze vor – also wie einen ‚typischen Neo-Nazi‘. Das Klischee ist heutzutage aber definitiv nicht mehr zutreffend. Die meisten haben ein ganz normales, eher sogar trendiges, harmlos wirkendes Erscheinungsbild. Das ist oft auch Strategie. Man möchte so wirken, wie die nahbare, am besten sogar ‚coole‘ Gruppe von nebenan.

Sie haben in einer Studie die Social-Media-Kanäle von Rechtsaußen Influencer:innen untersucht. Welche Kanäle nutzen sie und warum eignet sich Social Media so gut für ihre Zwecke?

In unserer Studie haben wir uns auf die Plattform Telegram fokussiert. Telegram gilt als eine der wichtigsten, wenn nicht momentan als DIE wichtigste Plattform für Rechtsaußen-Akteure – meine Kollegin Heidi Schulze hat im Rahmen des Forschungsprojekts MOTRA zur Relevanz von Telegram geforscht. Wir haben uns erstmal auf eine Plattform konzentriert, um einen ersten Zugang zu finden, und vor allem, weil sich Soziale Medien so hochgradig unterscheiden.

Das betrifft beispielsweise die Funktionalitäten, aber auch die Nutzer:innenschaft und die Plattformpolitik. Gerade große Plattformen wie Facebook oder Instagram sperren Rechtsaußen-Inhalte oder -Accounts schneller, wenn Sie darauf aufmerksam werden. Von Telegram und anderen sogenannten ‚Alternativen Plattformen‘ ist bekannt, dass sie weitaus weniger restriktiv vorgehen und weniger regulieren. Aber natürlich finden sich auch auf den großen Plattformen, wie Instagram, Facebook oder Twitter, noch Rechtsaußen-Influencer:innen.

Diese kommunizieren dann in der Regel – durchaus strategisch und absichtlich – weniger extrem und benutzen Codes, um die extremistische Gesinnung zu verschleiern.

Je größer die Plattform, desto größer natürlich auch die Reichweite, die Rechtsaußen-Akteure über die Plattformen erreichen können. Insgesamt sind Soziale Medien für extremistische Akteure so relevant, da sie schnell und mit verhältnismäßig geringem (finanziellen) Aufwand ihre Ideologie verbreiten können. Die Kommunikation kann sehr anonym erfolgen und die Vernetzungsmöglichkeiten erlauben nicht nur (trans-)nationalen Austausch mit Gleichgesinnten, sondern können auch zur Mobilisierung (z. B. Protest, Gewalt) und Werbung genutzt werden. Extremistische Akteure gelten als ‚Early Adopters‘ digitaler Technologien und sind in Teilen sehr geschickt darin, die digitalen Möglichkeiten zu nutzen.

Die Frage nach der Anzahl von bestimmten Online-Phänomenen oder -Inhalten bekommen wir als Kommunikationswissenschaftler:innen immer wieder gestellt. Aber das ist gar nicht so einfach und wir haben dazu auch keine Zahlen. Dafür müssten wir das gesamte Internet kennen und das ist schlichtweg nicht möglich. In der Studie haben wir knapp 250 eingeschlossen. Dabei handelt es sich überall um öffentlich-zugängliche Kanäle. Die Zahl ist aber keineswegs fix. Auch, wenn wir versucht haben, mit unserem Forschungsdesign einen so breiten Zugang wie möglich zu erhalten, kann es sehr gut sein, dass wir einige nicht kennen. Und natürlich ist die Zeit auch ein Faktor – über die Zeit können auch neue Rechtsaußen-Influencer:innen hinzukommen oder verabschieden sich wieder von der Szene.

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Beschreiben Sie doch mal, wie dort rechte Botschaften verbreitet werden?

Das passt sehr gut zur Frage davor. Auf großen Plattformen ist es tendenziell so, dass versucht wird, extremistische Ideologie sehr implizit und unterschwellig zu vermitteln. Einfach, damit man nicht so schnell auffällt und an der Grenze von dem, was noch als ‚in Ordnung‘ erachtet wird, balanciert. Auf Alternativen Plattformen ist die Kommunikation zum Teil schon wesentlich expliziter. Mit nur ein bisschen Wissen über die Akteure und Inhalte stößt man insbesondere auf Telegram schnell auf extremistische und gewaltbereite Kanäle – oft sind diese jedoch auch geschlossen, so dass sie nicht einfach von Außenstehenden eingesehen werden kann.

Die Akteure, die wir im Rahmen unserer Studie untersucht haben, kommunizieren jedoch weitaus weniger extrem, was sicherlich auch daran liegt, dass wir uns nur öffentliche Kommunikation angeschaut haben. Wir gehen davon aus, dass sich diese Akteure ihrer Rolle als Influencer:innen sehr bewusst sind und aktiv so kommunizieren, dass sie niemanden abschrecken. Was in privaten Kanälen passiert, können wir nicht sagen. Aber man kann davon ausgehen, dass es dort wesentlich harscher zugeht.

An wen richten sich diese Botschaften?

Wir wissen von anderen Studien aus der Extremismus- und Radikalisierungsforschung, dass junge Menschen eine beliebte Zielgruppe von radikalen Akteuren sind. Jugendliche und junge Erwachsene befinden sich noch in einem Identitätsbildungsprozess, also in einer Phase, in der sich noch sehr viel entwickelt – unter anderem die politische Einstellung. Das weiß die Rechtsaußen-Szene natürlich und versucht, hier zu intervenieren.

Aus der anderen Perspektive, nämlich aus der Forschung zu (unpolitischen) Social-Media-Influencer:innen, wissen wir außerdem, dass sich diese Art der Social-Media-Bekanntheiten auch an junge Menschen richtet. Influencer:innen-Kommunikation ist einfach ein Trend und ganz natürlich und selbstverständlich in jugendlichen Lebenswelten.

Das heißt, für junge Menschen muss das Phänomen der Rechtsaußen-Influencer:innen besonders kritisch, vorsichtig und umsichtig betrachtet werden. Trotzdem gehen wir davon aus, dass es auch weitere Zielgruppen gibt, beispielsweise Menschen, die mit dem Umgang zu ganz spezifischen politischen Themen (z. B. Klimawandel, COVID-19-Politik) stark unzufrieden sind. Je nach thematischer Ausrichtung des jeweiligen Influencers bzw. der jeweiligen Influencerin kann sich das sicherlich unterscheiden. In unserer Studie haben wir unterschiedliche Typen an Rechtsaußen-Influencer:innen herausgearbeitet. Es gibt zum Beispiel rechts-esoterische, verschwörungsideologische Influencer:innen oder solche, die sich regional stark engagieren. Hier liegt nahe, dass unterschiedliche dieser ‚Typen‘ auch unterschiedliche Zielgruppen fokussieren.

Bleibt das alles in der Online-Welt oder verlagert sich das dann später auch in die reale Welt?

Interessante Frage! Wir sehen definitiv, dass sich die Online-Kommunikation auch auf der Straße niederschlägt. Demonstrationen und andere Protestaktionen sind hier typische Beispiele, die gerade auch während der Pandemie auf Telegram ganz groß waren. Die Influencer:innen rufen dazu auf und wenn jemand an solchen Straßenprotesten teilnimmt, dann können so natürlich weitere Kontakte zu anderen Personen mit ähnlichen Einstellungen entstehen. 

Auch ein gewisser Lifestyle wird beworben. Einige Influencer:innen rufen ihre Follower:innen zum Beispiel auf, Pullis mit politischen Statements zu tragen, Sticker zu verteilen oder ganz bestimmte (Protest-)Musik zu hören. Online und Offline ist heute an sich auch gar nicht (mehr) zu trennen, beides verschränkt sich immer mehr.

Wie kann ich mein Kind davor schützen, mit den Rechten in Kontakt zu kommen?

Das ist natürlich sehr wichtig und wir haben leider kein Geheimrezept dafür. Um Kinder und Jugendliche vor Rechtsaußen-Inhalten online zu schützen, sind Bewusstsein und Widerstandsfähigkeit zentral. Medienkompetenz ist hier ein wichtiges Stichwort. Medien und gerade das Internet sind heute so selbstverständliche Bestandteile des Alltags, dass Kinder schon früh für ein bewusstes und umsichtiges Verhalten online sensibilisiert werden sollten. Falschinformationen haben es im Internet zum Beispiel besonders leicht und werden durchaus gezielt zur ideologischen Beeinflussung gestreut. Hier gibt es viele Ratschläge und Herangehensweisen, wie man ‚falsche‘ von ‚echten‘ Infos unterscheiden kann. Ganz wichtig ist es, immer die Quelle zu beachten und zu hinterfragen. Ist die Quelle vertrauenswürdig und kann ich den Inhalten glauben?

Generell sollten Eltern darauf achten, ob sich das Verhalten der Kinder verändert. Ziehen sie sich plötzlich zurück? Kapseln sie sich von ihrem bisherigen Freundeskreis ab? Solche Verhaltensänderungen können vielfältige Ursachen haben, hier bedarf es dann also Sensibilität für den individuellen Kontext. Was die tatsächliche Beeinflussung durch Rechtsaußen betrifft, geht man in der Radikalisierungsforschung davon aus, dass der alleinige Kontakt mit radikalen Inhalten und Personen nicht zu Radikalisierung führt, sondern dass gewisse Faktoren, die jemanden für Radikalisierung empfänglich machen, vorhanden sein müssen, damit die Inhalte ‚wirken‘ können. Solche Faktoren sind zum Beispiel existenzielle Ängste und Unsicherheiten, Einsamkeit und soziale Isolation. Das unterstreicht noch einmal mehr, wie wichtig ein stabiles, vertrauensvolles Familienumfeld ist.

An der Stelle verweisen wir gerne auf Jugendschutz.net. Dort finden Eltern viele großartige Ressourcen und Tipps zu einem sicheren Online-Verhalten, was unterschiedliche Gefahren im Internet betrifft, darunter auch Ressourcen zu politischem Extremismus.

Welche Gefahr stellen diese Rechtsaußen Influencer:innen für die ganze Gesellschaft dar?

Rechtsaußen-Influencer:innen können dazu beitragen, dass die Rechtsaußen-Szene als Ganzes stärker wird. Das schließt zum Beispiel die Rekrutierung von neuen Mitgliedern ein, aber auch die ideologische Festigung von Personen, die der Bewegung schon folgen oder mit gewissen Vorstellungen sympathisieren. Ein Erstarken von Rechtsaußen kann dazu führen, dass öffentliche Diskussionen hassgeladener werden, dass bestimmte Gruppen ausgegrenzt oder sogar angefeindet werden und dass Misstrauen gegen diese Gruppen, gegen Eliten und auch gegen das demokratische System geschürt wird.

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11 comments

  1. Auch Linksaussen und der ganze aggressive linke Block der Antifa stellt für mich eine Gefahr dar. Wird leider immer wieder verharmlost. Alles was extrem ist, ist zu verurteilen

  2. „Auch ein gewisser Lifestyle wird beworben. Einige Influencer:innen rufen ihre Follower:innen zum Beispiel auf, Pullis mit politischen Statements zu tragen, Sticker zu verteilen oder ganz bestimmte (Protest-)Musik zu hören.“ Also im Juni trugen meine Bank, IKEA, Autohersteller uvm. den Regenbogen im Logo. Auf Klamotten und in Werbeslogans wird Pride beworben. Kreuze im öffentlichen Raum müssen abgehängt werden, muslimische Angestellte dürfen kein Kopftuch tragen, Fußballer nicht den albanischen Adler machen. Jokos Klimadoku&Lastenrad sind stylisch, Flugreisen sind böse. Wer legt denn fest, welche Botschaften im Lifestyle beworben werden dürfen(aka „nicht räääächts“), und welche nicht?

    1. Ich verstehe dein Kommentar nicht. Es ist doch ein Unterschied, ob mit der Regenbogenflagge im Logo signalisiert wird, dass ein Unternehmen/ eine Person, die Pride Bewegung und damit ja letztlich das Grundrecht aller Menschen, zu lieben wen und wie sie wolle, unterstützt. Oder eben ob eine Influencerin durch Verbreitung rechter Parolen genau das verhindern möchte.

      Ich hätte mir allerdings auch etwas konkretere Beispiele gewünscht.

  3. Auch ich kann mit dem Interview gar nichts anfangen. Was ist denn mit „rechten Botschaften“ gemeint? Spontan denke ich an Ausländerfeindlichkeit. Was das betrifft, erlebe ich aber (zum Glück) die jungen Menschen deutlich toleranter als die ältere Generation.

  4. Ich hab den Artikel nur halb gelesen. Seit das bei euch mit der Werbung so überhand nimmt, nervt mich das Lesen auf eurer Seite. Vor allem die bewegte Werbung ist unglaublich irritierend, da sie auch überhaupt nicht zu den Artikeln passt, man aber trotzdem immer wieder drauf schaut, weil im Augenwinkel wieder eine Bewegung wahrgenommen wird. Wahrscheinlich werde ich euch nach langen Jahren nicht mehr folgen, so langsam ist es einfach zu nervig.

    1. danke. ja so sehe ich das auch
      generell Werbung ist voll ok. aber es ist einfach viel zuviel und man kann den text kaum mal 5 Sätze lang lesen ohne das der von Werbung überschattet zu wird.

      1. Liebe Katharina, in dem Text sind zwei Anzeigen geschaltet, Die meisten Textblöcke also ohne Werbung. Welche Werbung stört dich denn am meisten? Die im Text oder die an der Seite?

        1. Die Werbung im Textverlauf stört kaum. Die Werbung unten am Bildrand ( dauerhaft, bewegt sich mit, baut Elemente auf und ab) stört extrem!

          Sie kann man auch kaum wegklicken, und zieht durch Bewegung/ Aktionen immer wieder die komplette Aufmerksamkeit vom Text weg.

  5. Schließe mich dem vorherigen Kommentar an. Und mir fehlt hier einiges. Zum Beispiel das auch Mädchen konkret über die Schiene“ heile, reine Familie“, „reine Frau“ angesprochen werden. Dort geht es über Zugehörigkeit, Heimatverbundenheit, die “ richtige“ Gemeinschaft bzw Partnerwahl. Dieses veraltete Frauenbild ( diese sogenannten weissen Frauen die nur in heller Kleidung posten alles in hellen Farben halten, weiss, elfenbein…). Leider fehlt mir in diesem Artikel das Wichtigste. Das unsere Kinder dem begegnen wissen wir Eltern leider steht hier nichts Genaueres nur schwammige Allgemeinplätze. Schade!

  6. Hmm, das Interview lässt mich etwas ratlos zurück. Es ist für mich zu unkronkret. Ich würde mir da mehr konkrete Beispiele wünschen.

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