Selbstversorger in Portugal: So leben wir als Familie

Selbstversorger in Portugal

Ihr Lieben, weil ihr Aussteigergeschichte so liebt, haben wir der Familie Libbe direkt zugesagt, als sie uns anbot, ein bisschen was zu ihrem Leben als Selbstversorger in Portugal mit drei Kindern zu erzählen. Hier kommt ihre Geschichte.

Als Selbstversorger in Portugal: Raus aus der Enge, rein ins Leben

Wenn mir jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, dass ich heute mit drei Kindern, Schafen und Solaranlage auf einem Stück Land in Portugal lebe, hätte ich wahrscheinlich nur gelächelt – und innerlich den Kopf geschüttelt. Doch manchmal führen Einen innere Überzeugung, äußere Umstände und ein bisschen Mut genau dorthin, wo man wirklich hingehört.

Warum wir gegangen sind

Wir sind eine fünfköpfige Familie: Mein Mann, ich und unsere drei Jungs im Alter von 1, 6 und 9 Jahren. Dazu gehören zwei Hunde, drei Katzen, acht Schafe (darunter zwei Lämmer), zehn Hühner, 13 gerade frisch geschlüpfte Küken – und ein Erpel, der gerade seine Frau verloren hat.

Wir kommen ursprünglich aus Deutschland und haben uns 2022 entschieden, auszuwandern – wegen der Schulpflicht, der wachsenden Regelwut, der Enge, die wir dort gespürt haben. Wir wollten mehr Freiraum. Mehr Natur. Mehr Eigenverantwortung.

Von der Ruine zur Selbstversorgerfarm

Gemuesegarten

Mittlerweile leben wir auf einem etwa fünf Hektar großen Grundstück im Zentrum Portugals. Damals standen wir auf einem ziemlich trostlosen Stück Land. Komplett überweidet von Schafen, eine verwitterte Ruine, kahle Erde, keine Infrastruktur. Und trotzdem: Es fühlte sich richtig an. Wie ein unbeschriebenes Blatt.

Heute – knapp drei Jahre später – ist daraus ein kleines Paradies geworden: ein legalisiertes Wohnhaus mit Solaranlage, eigenem Tiefbrunnen mit Trinkwasserqualität, großem Gemüsegarten, Baumhaus, Spielplatz und einem Alltag, der sich ganz anders anfühlt als früher.

Leben im Rhythmus der Natur

Wir leben in einem kleinen Haus mitten zwischen Oliven- und Orangenbäumen. Vieles spielt sich ohnehin draußen ab – unser Leben folgt dem Rhythmus des Wetters, der Jahreszeiten, der Tiere.

Warum Selbstversorgung mehr braucht als eine Familie

100 % Selbstversorgung klingt verlockend – aber ist als einzelne Familie kaum machbar. Es braucht dafür nicht nur Wissen, sondern auch Maschinen, Werkzeuge, Zeit und viele Hände. Was es wirklich braucht, ist ein gemeinschaftliches Denken. Mehrere Familien, die sich ergänzen. Eine Art Dorf. Und genau das wächst hier in Portugal: kleine, unterstützende Gemeinschaften, in denen jeder etwas einbringt.

Lernen vom Leben

Sonnenuntergang Grundstueck

Für uns bedeutet Selbstversorgung vor allem, im Einklang mit der Natur zu leben, bewusste Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen – sei es beim Bauen, bei der Lebensmittelverarbeitung oder im Umgang mit Stromausfällen und Ernteverlusten.

Unsere Kinder sind von Anfang an eingebunden: Sie helfen beim Mähen, ziehen Zäune, versorgen die Tiere oder beobachten aufmerksam das erste Aufstehen eines neugeborenen Lamms. Lernen geschieht dabei ganz nebenbei – in der Werkstatt, zwischen Beeten oder am Küchentisch.

Was wir alles selbst herstellen

Im Alltag zeigt sich diese Lebensweise auf ganz unterschiedliche Art. Wir backen regelmäßig, fermentieren Gemüse, stellen Joghurt sowie Frischkäse her und produzieren fast alle Reinigungs- und Pflegeprodukte selbst – aus wenigen, natürlichen Zutaten.

Auch unsere Hausapotheke ist größtenteils pflanzenbasiert, ergänzt durch selbst angesetzte Tees, Tinkturen und Salben. Kräuter sammeln und trocknen wir das ganze Jahr – zum Verfeinern von Speisen, als Räucherwerk, für Duftkissen oder wohltuende Aufgüsse.

Überschüsse aus dem Garten verarbeiten wir direkt weiter: Wir kochen Soßen ein, machen eigene Brühen, dörren Früchte und Gemüse oder pressen unser eigenes Olivenöl und Rosenwasser (für Marzipan). Wir nutzen Blätter, Blüten und Wurzeln – eben alles, was uns die Natur schenkt.

Es geht nicht um Perfektion

DIY Ackerringelblumenoel
Ackerringelblumenöl

Dabei geht es uns nicht um Selbstoptimierung oder völlige Unabhängigkeit – sondern darum, uns wieder dem Ursprünglichen zuzuwenden, vergessene Fähigkeiten neu zu entdecken und unseren Kindern zu zeigen, wie aus einfachen Dingen etwas Wertvolles entstehen kann.

Freilernen ist mehr als Bildung

Freilernen ist deswegen für uns mehr als eine Alternative zur Schule. Es ist unsere Art zu leben. Unsere Kinder lernen aus echtem Interesse, nicht nach Stundenplan. Natürlich gibt es auch mal Streit, Langeweile und Null-Bock-Phasen – aber im Großen und Ganzen erleben wir, wie das Lernen ganz natürlich geschieht, wenn Raum dafür da ist.

Kleine Tipps für Familien, die selbst starten wollen

Mit kleinen Schritten anfangen:
Ein paar Kräuter auf dem Balkon, selbst gemachtes Brot, ein paar Hühner im Garten – Selbstversorgung beginnt oft ganz unscheinbar.

Freier Tag, fester Rahmen:
Ohne Stundenplan, aber mit Orientierung: feste Mahlzeiten, Aufgaben, Pausen – das schafft Ruhe im Alltag, besonders für Kinder.

Lernen im echten Leben:
Unsere Themen finden uns: Wenn ein Lamm krank ist oder der Brunnen trocken bleibt, wird das zur Unterrichtsstunde – für uns alle.

Jeder kann etwas beitragen:
Schon die Kleinsten füttern Tiere oder helfen beim Gießen. Das macht stolz – und stärkt das Gefühl: Ich bin wichtig.

Nicht perfekt, aber erfüllt

Grundstueck vorher

Natürlich ist nicht immer alles einfach. Es gibt Tage, da fehlt uns Schlaf, Energie oder Zeit für uns als Paar. Es gibt Zweifel, Herausforderungen mit Sprache oder Behörden, und manchmal wünschen wir uns mehr Struktur oder Unterstützung. Aber diese Tiefs sind Teil des Weges – und sie machen das, was wir hier leben dürfen, umso wertvoller.

Warum ich trotzdem online bin

Der Telegram-Kanal „Wild&Whole“ ist entstanden, um unsere Erfahrungen zu teilen. Dort geht es um Selbstversorgung, Freilernen, Natur, Familie, Spiritualität – und um die vielen kleinen Momente dazwischen, die das Leben lebendig machen.

Eigentlich bin ich kein großer Fan von digitaler Arbeit und Social Media. Ich verbringe lieber Zeit draußen, in der Natur, fernab vom Bildschirm. Trotzdem habe ich einen Weg gefunden, mein Wissen und unsere Erfahrungen zu teilen – über unseren Kanal „Wild and whole“.

Abends, wenn die Kinder schlafen, sitze ich am Laptop, schreibe Beiträge, beantworte Fragen und halte den Kontakt zu unserer Community. Das ist nicht immer einfach, aber für mich ein sinnvoller Kompromiss: nah am Boden bleiben und gleichzeitig die Möglichkeiten der digitalen Welt nutzen, um andere zu inspirieren.

Ein Schritt zurück – und doch nach vorn

Für uns war der Schritt nach Portugal ein großer – aber genau der richtige. Nicht, weil hier alles perfekt ist. Sondern weil wir hier unser eigenes Leben gestalten können – Tag für Tag, mit dreckigen Händen, offenen Herzen und einem Gefühl von echter Freiheit.

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getrocknetes Obst

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