Abschied vom Spielplatz: Übers Aufatmen und traurig sein

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Nicht weit von unserem Zuhause gibt es einen richtig schönen Spielplatz, auf dem ich früher sehr viel Zeit verbracht habe. Unzählige Male habe ich die Hand unter die Popos meiner Kinder gehalten, wenn sie die Treppe zur Rutsche hochgeklettert sind. Stundenlang habe ich ihnen beim Schaukeln Anschwung gegeben, einhändig, weil ich mit der anderen Hand durch Instagram gescrollt bin. Ich habe Tonnen von Sand-Eis und Sand-Kuchen probiert, noch mehr Tonnen Sand aus den Schuhen geschüttet, bevor wir nach Hause gingen. Meine Kinder haben dort Millionen Male „Maaaamaaaaa, schau mal!“ gerufen und ich habe Millionen Male geantwortet: „Super!“. Natürlich hatte ich nicht Millionen Male hingesehen, aber hunderttausend Male bestimmt.

Der Spielplatz war ein Treffpunkt für uns Eltern

Das Schöne an diesem Spielplatz war, dass ich eigentlich immer jemand dort kannte. Andere Mamas, andere Papas, mit denen man ein kurzes Schwätzchen halten konnte, die man um Reiscracker anschnorren konnte, wenn die eigenen Kinder plötzlich unbändigen Hunger bekamen. Mit diesen Eltern habe ich viele, vielen Stunden zwischen Kita und Abendbrot verbracht, sie waren so oft meine Rettung, auch fürs Hirn – weil sie manchmal meine einzigen Erwachsenengespräche des Tages waren.

Dann kam Corona, rotes Flatterband wehte monatelang an unserem Spielplatz. Als er wieder geöffnet hatte, verabredeten sich die Kinder plötzlich lieber mit ihren Freunden, der Sohn hatte mittlerweile ein sehr zeitaufwendiges Hobby. Dann meckerte der TÜV über die gesamte Anlage und der Spielplatz wurde wieder abgesperrt. Die Renovierung sollte ganz schnell gehen, doch dann schossen die Holzpreise in die Höhe, weltweit gab es Lieferschwierigkeiten für so viele Materialen und schwups schon wieder waren Monate vorbei.

Das Wiedersehen mit dem Spielplatz

Letzte Woche sagte mein Sohn: „Lass uns doch mal wieder auf den Spielplatz gehen!“ Und so zogen wir los, die Kinder rannten vor, ich stand etwas verloren neben den neuen Reckstangen. Ich suchte nach bekannten Gesichtern, nach jemandem zum Quatschen. Und kannte niemanden. Eine neue Elterngeneration hatte diesen Spielplatz übernommen, locker 10 Jahre jünger als ich. Die Papas mit Baseball-Caps und bunten Socken, einen Säugling im Tagebuch vor der Brust. Die Mamas in Grüppchen mit coolen Jeans und definitiv weniger Falten auf der Stirn als ich. Sie standen zusammen in Grüppchen, hatten Babys auf dem Arm, wiegten beim Reden immer von einem Fuß auf den anderen, um das Kind zu beruhigen. Sie saßen im Sand, buddelten mit bunten Förmchen, verzierten die Kuchen mit kleinen Stöcken. Sie rochen an Kleinkind-Popos, ob die Windel voll ist und erzählten vom Kinderturnen.

Ich sah sie an, mit leichtem Schmerz in der Brust. Aus dieser Zeit bin ich rausgewachsen, ich habe keine Kleinkinder mehr. Meine Kinder spielen alleine auf den Geräten und ich kann mich einfach auf die Bank setzen, mein Gesicht in die Sonne halten. Ich habe deine Dinkelstangen und Feuchttücher mehr in der Handtasche, muss nicht mehr aufpassen, dass das Kleinkind sich einen Stein in den Mund steckt.

Die Sehnsucht nach dem Nichts-Tun-müssen

Ich weiß, wie oft ich mich danach gesehnt habe, einfach auf der Bank sitzen – als ich noch vom Sand hockte und Kuchen backte. Nun sitze ich auf der Bank und schiele wehmütig zu den Sandkästen herüber.

Wann ist das passiert, dieses Altern, dieses Rauswachsen, diese neue Phase, frage ich mich. Und ist es normal, dass das im Herzen piekt?

„Mama, schau mal!“, schreit da mein Sohn. Er hängt kopfüber vom Klettergerüst. Ich kriege keine Schnappatmung, habe keine Angst. Er kann das, er kommt da alleine runter, ohne sich zu verletzen. Ich strecke ihm „Daumen hoch“ entgegen, lehne mich zurück, spüre einen kleinen Kloß in meinem Hals. Schließe dann die Augen und genieße die Sonne auf meiner Haut.

Foto: Juliane Dunkel

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15 comments

  1. Sehr schön geschrieben, genauso geht es mir auch. Meine Jungs sind noch etwas älter und diese kleine Sehnsucht nach dem vergangenen ist auch bei mir zu spüren. Ich fülle sie nach und nach mit neuen Aufgaben z. B:mehr Stunden im Job, ein Hobby und mal ausruhen.

  2. @ Silvia und Katharina:
    Danke für eure lieben Worte!

    Ich weiß, dass ich die Distanz zu den jüngeren Müttern in erster Linie selbst aufbaue. Tatsächlich habe ich nie auch nur ansatzweise so etwas wie komische Blicke oder so erlebt.
    Es geht mir einfach so, dass ich sehr große Unterschiede zwischen mir und den anderen Müttern wahrnehme. Aber – ich könnte ja stattdessen auch mal die Gemeinsamkeiten in den Fokus rücken. 🙂

  3. Liebe Mona,
    entschuldige das ich komplett am Thema vorbei schreibe! Aber Du musst vor Niemandem rechtfertigen wann oder warum Du “ erst“ mit Ende 30 Mama wurdest!!! (Wenn man das Hipp- Sein erst raushängen lassen muss, ist man auch nicht hipp sondern unsicher.) Also bleib Dir treu sagt eine 48jährige Mama eines 11jährigen!

  4. Dieses Erleben à la „Huch, die anderen Mütter auf dem Spielplatz sind ja so jung und stylish“ kenne ich auch, allerdings aus einer etwas anderen Perspektive. Aus einer Reihe von Gründen habe ich meinen 3-jährigen Sohn erst mit 38 bekommen. Von den Kleinkindmüttern auf dem Spielplatz bin ich fast immer die mit Abstand Älteste. Ich habe auf dem Spielplatz kaum Kontakte geknüpft. In Punkto Haare, Falten, Kleidung und Figur fühle ich mich schon ein gutes Stück weit weg von den hippen Um-die-30-Jährigen und habe immer die latente Befürchtung, aufgrund meines Alters abgelehnt zu werden.
    Ich freue mich über jede Ü40-Kleinkindmutter, die ich auf Spielplätzen (oder sonstwo) sehe.

    1. mona ich kann dir sagen das nicht jede mutter um die 30 so ist.
      ich sitze normalerweise mit jogginghose da und die haare sind nur im einfachen pferdeschwanz….. bei uns stört das niemand. und ob man mit anderen eltern befreundet ist hängt nicht davon ab wie alt sie sind sondern nur ob man sich versteht. mir hat da geholfen in spielgruppen/ kinderturnen usw zu gehen aber nur da wo auch ich noch wohl gefühlt habe. und wir haben das riesen glück das um uns herum sehr viele kinder wohnen, da trifft man sich dann auf der straße. kontakt über den spielplatz haben wir ganz ehrlich auch keinen geknüpft ( außer man kannte sich eh über den ort und es den kiga oder das turnen oder so).
      Ich würde mir da ganz ehrlich nicht so gedanken über alter und aussehen machen, viel mehr zählt doch was in einem steckt. und wer da nur oberflächlichkeiten wichtig findet-will man mit dem überhaupt kontakt?!
      und oft war das eis gebrochen wenn man mal in situationen einfach kurze kommentare mit den anderen müttern ausgetauscht hat. ich musste da auch oft über meinen schatten springen. bin ja auch keine „hippe stylische „ mutti, auch wenn ich erst anfang 30 bin….

  5. Ein toller Beitrag!
    Ich bin Ende 30 und 5fache Mama von ganz Großen (20 und 16), mittelgroßen bis kleineren (12 und 6) und ganz kleinen (2) Kindern.
    Und obwohl ich noch in der Kleinkindphase drin bin, ist es irgendwie doch nicht mehr dasselbe wie damals, merke ich irgendwie, dass es nicht mehr „meine“ Zeit ist.
    Die heutigen Spielplatzeltern sind mindestens 10 Jahre jünger als ich und ihr Erfahrungsschatz endet bei der Kita-Eingewöhnung. Sie wissen nicht, wie es ist, mit einem Schulkind Vokabeln zu üben. Oder mit einem Teenager Diskussionen über Handy- und Ausgehzeiten zu führen. Sie wissen auch nicht, wie es sich anfühlt, wenn ein Kind volljährig und damit offiziell erwachsen wird. Oder wenn nicht mehr alle Kinder mit in den Urlaub kommen.
    Schon ein komisches Gefühl, wenn einem klar wird, dass ein Teil der heutigen Eltern noch in der Grundschule saß, als man selbst (zugegebenermaßen noch seeeehr jung) das erste Kind bekommen hat.😉
    Damals, als frischgebackene Zweifachmama Anfang 20, war ich das Küken unter den Kleinkindmüttern, heute bin ich die „Oma“, mein erstes Kind so alt wie ich damals.
    So ändern sich die Zeiten…🥲

  6. Ohje, ich muss sagen, ich bin richtig froh, dass es nicht nur mir so geht. Wir haben 3 Kinder in nicht einmal 2 Jahren bekommen und ich habe sehnsüchtig darauf gewartet, dass es „leichter“ wird, dass ich länger als 5 Minuten irgendwo sitzen bleiben kann/darf. Und nun ist es soweit und ich bin ziemlich wehmütig…
    Fühl mich grad von der Blüte des Lebens quasi in die Wechseljahre geschmissen, irgendwie übernacht…
    Und natürlich genieße ich die Sonne, aber ein bisschen mit Wehmut im Herzen…

  7. Bei uns ist es der letzte Abschied vom Kindergarten der ein weinendes und lachendes Auge hat.
    Wobei ich die Selbstständigkeit des Großen und ein bisschen mehr Freiheit für mich schon sehr genieße. Das die nächste Eltern Generation da ist führt einem nur schmerzlich vor Augen das man in den letzten 12 Jahren mit Kindern echt gealtert ist und zack – plötzlich 40 wird. Daran habe ich echt zu knabbern.

  8. Liebe Katharina, genau das selbe Gefühl hatte ich neulich auf dem Spielplatz. Der Beitrag passt genau in meine Lebenssituation momentan. Ich gehöre irgendwie nicht mehr dazu. Ich habe jetzt noch ein Nachzügler Kind, fünf Jahre alt, trotzdem ist es nicht das selbe wie früher mit den beiden ganz kleinen. Auch aus Zeitgründen sind wir gar nicht mehr so oft auf dem Spielplatz und ein bisschen Wehmut ist auf jeden Fall dabei. Will man nicht irgendwie genau das, was man nicht hat? einerseits war die Zeit mit den ganz kleinen Kindern auch wahnsinnig anstrengend. Da hoffte man natürlich mal auf 2 Minuten Ruhe auf der Bank. Heute haben wir automatisch mehr Ruhe auf der Bank, weil keiner mehr eine volle Windel hat. Ich denke nur: genießen! Solange es noch geht. Und sie überhaupt noch klettern.

  9. Liebe Katharina,
    du schreibst mir aus der Seele. Meine beiden Jungs sind im Alter von deinen beiden „Kleinen“ und ich hab mich letztens mit anderen Muttis zum Frühstück verabredet. Und weil bei uns an der Spielplatz direkt an in der Kita liegt, haben wir uns dort verabredet. Und während ich gewartet habe, kam ein Vater mit seinem Kleinkind, die wir vorher noch gehetzt überholt hatten. Total entspannt die beiden haben sie sehr viel Ruhe ausgestrahlt. Und dann kam wieder die Sehnsucht nach dem dritten Kind hoch und den Vormittagen auf dem Spielplatz in der Elternzeit. Zum Glück kamen dann die anderen und die Freude über entspanntes Frühstücken hat überwogen.
    Liebe Grüße Maria

  10. Witzig! Genau der selbe Stich ins Herz hat letztens auch mich erfasst – selber Ort, selbe Situation. Und trotzdem bin ich dankbar und stolz- auf die Kinder, wie sie plötzlich so selbständig werden und den kleineren Kindern auf die Rutsche helfen und auch auf mich- weil ich sie so toll hingekriegt hab. Lass uns das einfach genießen!

  11. Ich hatte gerade einen ähnlichen Moment. Wie oft habe ich meinen Kindern eine warme Milch ans Bett gebracht. Früher in der Flasche, dann im Becher am Wochenende. Einfach so, weil es gemütlich ist beim Spielen, Kuscheln, Hörspiel hören. Und nun? Da wurde mir am Sonntag ein Kaffee ans Bett geliefert. Einfach so, damit ich noch ein bisschen liegen bleiben kann und lesen kann. Ich war so gerührt 🙂

  12. Hallo, oh ja, auch ich kenne das. Mit der Weile gehen meine Kinder lieber erst gegen Abend auf den Spielplatz, wenn die „Kleinen“ weg sind. Da sind dann auch meist keine Eltern mehr da… obwohl manchmal verabrede ich mich dann gezielt mit anderen Eltern und wir trinken Kaffee… Alles hat seine Zeit. Ich genieße es sogar, dass ich keine Sandspielsachen mehr mit schleppen brauche. Und gerade, wenn ich mich auf die Bank gesetzt habe, ruft meine Tochter, dass ich ihr bitte mal beim Hüftumschwung helfen soll, oder den Sohn kurz die Hand halten soll, weil er aus der Affenschaukel abspringen will und nicht immer auf den Füßen landet… Noch darf ich mit auf den Spielplatz, ich war früher am liebsten in diesem Alter schon nur mit Freunden alleine ohne Eltern da.

  13. Oh ja dieses Gefühl hatte ich neulich. Ich dachte noch, boah endlich in Ruhe lesen. Aber dann.. Habe ich es doch vermisst. Das was ich früher manchmal nervig fand und die Eltern auf Bank beneidet habe. Nun sitze ich auf der Bank und vermisse die Kinder. Da wird es mir bewusst. Ich muss den Schmerz zulassen, ich muss es akzeptieren, damit die Kinder Flügel bekommen.
    Ach, lass uns genießen, das wir die Arbeit getan haben und sie durch uns Selbstvertrauen gelernt haben

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