„Und Ihr so?“ Heute bei Spielplatz-Skeptikerin Julia aus dem Hamburger Speckgürtel

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Wer seid Ihr?

Mein Name ist Julia (46), Journalistin und Podcasterin bei ELTERN (ELTERNgespräch) und ich bin die allermeiste Zeit glücklich und zufrieden verheiratet mit Immo (46). Zusammen haben wir drei Kinder (Juri (13), Matti  (12) und Smilla (7)) und einen furchtbar schlecht erzogenen, braungelockten Labradoodle namens Flocke (benannt nach dem Hockeyspieler Flocke Fuchs). Wir lieben Musik und gutes Essen (Flocke leider auch, also unser Essen!)

Was heißt für Euch Heimat?

Klingt nicht sehr fancy, aber Heimat ist und bleibt (hoffentlich!) für uns Norddeutschland – dort lebt unsere sehr große Familie (meine ist groß, weil Patchwork), Immos einfach so (seine Eltern haben 15 Enkelkinder!) Heimat ist für uns Weite, Horizont, Knicks am Feldrand, Meer, Wind, Matjes und ganz doll unser heißgeliebtes Haus!

Wie wohnt Ihr?

Wir leben im Speckgürtel von Hamburg in einer Kleinstadt im Eigenheim – das wir uns heute gar nicht er leisten könnten, weil die Preise so angezogen haben. Gott sei Dank, rechtzeitig gekauft!

Wir haben einen großen Garten mit einer riesigen Eiche darin – was schön klingt, aber zu sehr viel Streit führt, weil alle Gartenarbeit hassen. Wir haben ein Eckgrundstück und dadurch 300 Meter Bürgersteig, der stets gefegt und von Laub oder Schnee befreit werden muss – 80 Säcke Laub im Jahr!

Vorstadtleben ist super entspannt und schön, allerdings gibt es kein Restaurant und keine Bar, auf die man Lust hat, wenn man als Paar mal ausgehen will. Auch sind Vorstadt- Eltern (wozu ich mich natürlich zähle) definitiv anders als eher hippe Eltern, die bewusst in der City leben. Das sollte man wissen, wenn man sich dafür entscheidet. Dafür stimmt größtenteils die soziale Mischung, was ich super finde und wichtig, damit die Kinder nicht abheben.

Toll ist auch: es gibt hier ohne Ende Parkplätze direkt vor der Tür und die Kinder können früh viel selbst mit dem Fahrrad erledigen! Wir lieben die Wälder und Wiesen in der ganz nahen Umgebung – auch Flockes wegen. Und man hat nicht ständig das Gefühl, irgendwas shoppen zu müssen – was ich in der Hamburger City immer hätte.

Die Kehrseite: Es geht viel Zeit für die Anfahrt zur Arbeit drauf und die Möglichkeiten der Kinderbetreuung sind eine Katastrophe – und teuer! Denn in Schleswig-Holstein zahlt man noch für die Kita. Das haben wir jetzt – Gott sei dank  – hinter uns gelassen. Aber auch Hortplätze sind Mangelware. Jetzt kommt die Offene Ganztagsschule, mal sehen wie das wird.

Wie hat sich Eure Wohnsituation verändert seit Ihr Kinder habt?

Wir haben angefangen in Hamburg Eimsbütel im 5. Stock. Mit Kleinkind kein Vergnügen – und heiß unterm Dach! Dann in einem Mietshaus in Hamburg Winterhude, in dem wir die einzigen mit Kindern waren. Sehr nervig, mit Nachbarn, die ständig genervt guckten und sich auch richtig beschwerten über nächtliche Ruhestörungen.

Ich fand auch das Spielpatz-Dasein FURCHTBAR! Von da ab, haben wir immer versucht eher dörflich in kleinen Häusern mit Garten zu wohnen: Mal in Mecklenburg auf einem Bauernhof mal in der Nähe von Bonn auf dem Dorf, jetzt Kleinstadt und Eigenheim – je nach Job. Wir lieben unser Haus, es hat für uns viel Sinn gemacht, sich für ein Haus weiter draußen zu entscheiden, statt für eine kleine Wohnung in der City, aber das Eigenheim macht viel Arbeit und bringt viele versteckte Kosten mit sich – also Obacht! (Instandhaltung und Reparaturen, Versicherungen)

Was tut Ihr vormittags?

Die Kinder gehen jetzt alle zur Schule, ab Sommer haben wir in der Grundschule zumindest eine Offene Ganztagsschule. Die Großen kommen ab zwei/halb drei nach Hause. Bisher haben wir eine Leih-Omi, die drei Tage pro Woche zwei Stunden kommt und für uns kocht – die beste Idee, die ich je hatte, denn das spart soviel Zeit und Energie! Sonst könnte ich gar nicht arbeiten, denn Hortplätze bekamen wir nie.

Und nachmittags?

Die Kinder sind in der Woche nachmittags zu Hause  bzw. haben dann noch Sport oder Musik etc. Wir haben versucht alles, so zu organisieren, dass es mit dem Fahrrad geht oder zu Hause stattfindet. Allerdings spielt Matti jetzt Vibraphon, ein Instrument das soviel kostet wie ein Kleinwagen – und das wir deshalb aus einem Instrumentenfundus leihen – aber auch immer wieder mal zurückbringen müssen für Proben. Da es so groß ist wie ein Dreisitzer-Sofa etwas nervig, aber was tut man nicht alles. Gut dass wir einen Bus haben….

Wie steht es um Deine Vereinbarkeit?

Ich habe alle Erwerbsarten durch; wenn auch immer in Teilzeit seit wir Kinder haben. Freiberuflich fürs Fernsehen, selbstständig mit eigener Firma und eigenem Projekt und jetzt festangestellt. Als Fernsehjournalistin war ich sehr glücklich, aber zuviel zu unplanbar unterwegs.

Mit der Art der Festanstellung meines Mannes war das nicht zu vereinbaren – durch die Unplanbarkeit auf meiner Seite konnte er sich nicht richtig einbringen, weil er viele Konferenzen mit zig Leuten hat, die von langer Hand geplant werden. Deshalb bin ich dann in die Selbstständigkeit gegangen und habe mit zwei Kolleginnen ein eigenes Projekt ins Leben gerufen (www.family-unplugged.de).

Aber die ganze Bürokratie der Selbstständigkeit hat mich sehr genervt. Deshalb bin ich jetzt bei Gruner&Jahr festangestellt, wo man mir unglaublich viele Freiheiten lässt. Ich kann mich komplett selbst organisieren. und weiß das sehr zu schätzen – auch das meine Kollegen das alles wohlwollend mit ansehen. Wenn New Work so aussieht, ist alles gut!

Ich arbeite vormittags im Homeoffice, einen Tag die Woche fahre ich ganztags im Verlag, da kommt die Leih-Omi länger. Summa summarum arbeite ich etwa 30 Stunden. Immo arbeitet Vollzeit – eher 50 als 40 Stunden. An den Wochenenden sind wir so viel wie möglich einfach nur zu Hause.

Immo hat über die Jahre immer mehr Verantwortung bekommen für inzwischen viele Mitarbeiter und bemüht sich sehr, hier mit anzupacken, aber das ist nur bedingt möglich – und er ist unser Hauptverdiener und sein Tag randvoll. Also im Grunde doch alles ziemlich klassisch bei uns.elterngespraech kachel julia kopie

Wie glücklich seid Ihr mit der Situation?

Ich würde mir wünschen, dass wir die Kinderbetreuung mehr aufteilen könnten, aber das Finanzielle ist immer das Totschlagargument, das uns beiden klar ist. Mit Journalismus ist auf der Autorenebene nicht gut Geld zu verdienen. Denn ich bin ehrlich: Geld spielt eine Rolle – Urlaube, Unternehmungen, Kleidung, ein Hund, Hausabtrag – dafür braucht man einfach Geld mit 5 Personen.

Einmal im Monat haben Immo und ich jetzt ein Blind Date eingeführt – abwechselnd überraschen wir uns mit Kino oder Restaurant- Besuch oder oder oder. Seit die Kinder kaum mehr Babysitter brauchen, geht das super und ist auch bezahlbar. Jahrelang haben wir an Paarzeit gespart, war auch ok. Aber jetzt ist es schön, dass wieder mehr geht.

Was bedeutet Gleichberechtigung für Dich?

Respekt vor dem anderen  – auch in Chatgruppen mit Kumpels/Freundinnen. Ich bin sehr empfindlich gegenüber frauenfeindlichen Äußerungen oder Witzen auf Kosten anderer – die Immo Gottlob nie macht. Loyalität in guten wie in schlechten Tagen – in beide Richtungen. Keine finanziellen Nachteile durch Kinderbetreuung zu haben – weder für Männer noch für Frauen. Leider sind wir als Gesellschaft davon weit entfernt.

Was ist etwas, mit dem Du nie gerechnet hast bevor Du Mutter/Vater wurdest?

Die Liebe!!!! Die Müdigkeit!!!!! Und dass soviel Angst und Sorge mit der Liebe für Kinder einhergeht; bei mir jedenfalls. Aber ich bin sehr happy, wie es bei uns läuft alles in allem. Hätte ich als Scheidungskind nicht gedacht.

Inwiefern würdet Ihr Euer Leben optimieren, wenn Ihr könntet?

Eine Haushälterin, die die ganze Hausarbeit macht! Das wär’s!!! Eine saftige Gehaltserhöhung für mich, gerne auch grundlos, damit wir neu denken könnten. 🙂

Aber gerade durch meine vielen Interviews mit anderen Familien mit zum Teil schwerkranken Kindern oder in echter Not im Podcast ELTERNgespräch sehe ich sehr bewusst: wir haben es sehr gut und deshalb bin ich zutiefst dankbar für alles, was wir haben.

Was ist Euch als Familie wirklich wichtig?

Wir versuchen immer zusammen zu essen, so dass man Zeit zum Quatschen hat. Damit alle mitreden könne, gibt es bei uns einmal die Woche Familienrat, naja meistens.

Und wir pflegen ein ganze enges Familienleben mit allen, die dazugehören. Dass wir die Großeltern regelmäßig sehen, die Cousins und Cousinen usw., dass wir Dinge mit den Kindern unternehmen und ihnen viele Erfahrungen ermöglichen.

Und uns ist wichtig, dass wir regelmäßig Freunde sehen mit regelmäßigen Einladungen und Verabredungen usw.

Kein Wunder, dass man ständig müde ist, oder?

 

 

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