Vorsatz Nr. 1: Guten Mutes bleiben, trotz allem!

Host Julia Portrait

Julia Schmidt-Jortzig, Host des Podcasts ELTERNgespräch ist froh, dass 2020 fast rum ist. Und wie immer am Jahresende reflektiert sie, was so war – was lief schlecht (`ne Menge), was lief gut (erstaunlich viel) und welche persönlichen Ziele hat sie für 2021 – Ihr wisst, schon, Vorsätze. 

Du liebe Güte, was war das für ein Jahr! Nun ist es geschafft. Haken dran. Aber zwischendurch fühlte ich mich wie die Blumen im Garten: ausgetrocknet und von Unkraut umgeben. Alles war irgendwie zu extrem: gemäßigtes Klima? Fehlanzeige. Und auf jedem Morgen lastete gefühlt ein Tau aus Blei, angerührt aus Klimakatastrophe, Corona und dem Grusel-Clown in Washington. Da konnte man schon mal das Köpfchen hängen lassen. 

Erstaunlicherweise aber, wenn ich drüber nachdenke, passierte das gar nicht so häufig wie ich erwartet hatte. Warum eigentlich?

Nun, einige Dinge liegen auf der Hand: Ich habe noch einen Job und es gibt bei uns keine häusliche Gewalt – wie wir wissen, nicht selbstverständlich.

Aber es gibt auch Antworten darüber hinaus, und die fand ich im Familienalbum: Als ich es, vor ein paar Wochen, wie jedes Jahr, unser zusammenstellte und wurde ich überrascht: Hatten wir so viele schöne Momente erlebt? Trotz allem?

Homeschooling – was für ein Albtraum….

Klar, vom Albtraum Homeschooling haben wir jetzt nicht so viele Fotos gemacht, nicht von Immo, wie er tagelang im Keller in alarmierten Videokonferenzen verschwindet, nicht von mir, wie ich ihn wütend angehe, weil mir oben im Haus mit Kindern und meiner Arbeit alles über den Kopf wächst. Nicht vom gemeinsamen Wäsche-Zusammenlegen um 23 Uhr 30. 

Aber sogar aus dieser Zeit gibt es Fotos, auf denen ich mit den Kindern male (wie lange hatten wir das nicht mehr gemacht?), Fotos, die zeigen, wie wir gemeinsam kochen und im Wald spazieren gehen. Dem Wald, der hier schon immer vor der Tür war, nur, dass er plötzlich wimmelte von Familien wie uns. Familien, die – wie wir – sonst immer irgendwo anders hin geflohen waren: in Freizeitparks, an überfüllte Ostseestrände, an Pools im Ausland.

Und dann kam der Sommer vor der zweiten Welle. Wir konnten nirgendwo hin, aus verschiedenen Gründen. Also strickten wir Notlösungen: Juri besuchte seine Patentante und entdeckte die nahe liegende holsteinische Schweiz mit dem Kanu; Mattis Patenonkel samt Familie kam vorbei, und wir alle sagten uns auf einmal minütlich wie sehr wir aneinander hingen; ich erfüllte Smilli einen Herzenswunsch und fuhr mit ihr auf ein großes Landesgestüt auf der Schwäbischen Alp, wo mich zuvor keine zehn Pferde hinbekommen hätten (aus heutiger Sicht einfach dumme Arroganz). Auf der Fahrt war es mega heiß, die Klimaanlage im Auto war hin, wir fuhren 11 Stunden pro Strecke, aber dort war es schön: nur wir zwei, wunderschöne Landschaft und 500 Pferde auf Bilderbuch-Koppeln. 

Sommer 2020: Wir chillen im Pool zu Hause

Weil alle sagten: ‚Da musst Du hin, wenn du mal da unten bist!‘, machten wir einen Abstecher in die OUTLET-City nahe Stuttgart. Ein einschneidendes Erlebnis, denn nach den Wochen des Lockdowns und des Rückzugs, kam mir ein riesiges Outlet, dessen einziges Ziel es ist, mich zu Schnäppchenjägerin umzuprogrammieren, geradezu pervers vor; so als würde man einem Verdurstenden die Vorteile eines Gläschen Proseccos anpreisen. Wir kauften nix und fuhren weiter. 

Wieder zu Hause ergatterten wir den letzten Pool, den die deutsche Schwarmintelligenz zurück gelassen hatte – und blieben einfach dort. Alles in allem sahen wir sehr wenige Menschen – dafür die, die wir wirklich sehen wollten und zuvor schmerzlich vermisst hatten. 

Wir blieben maßvoll, und das tat gut.

All das glitt auf den Fotos wieder vor meinem Auge vorbei, die guten Momente, die aus diesem ganzen Corona-Krampf erwachsen waren.

Eines der letzten Fotos im Familienalbum 2020 zeigt mich im Pyjama (das Bild ist eines Sonntag nachmittags um drei Uhr entstanden…). Ich lese neue Buch des Schauspielers Joachim Meyerhoff. 

Juri hat das Bild gemacht, denn es ist ein Running Gag bei uns, dass ich hoffnungslos in Joachim Meyerhoff verliebt bin. Streng genommen stimmt das aber nicht. Der Mensch Meyerhoff würde mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verrückt machen; in was ich allerdings verliebt bin, ist seine Art, das Leben mit all seinen absurden Begebenheiten humorvoll umzudeuten ohne dümmlich und platt zu werden. Jeder noch so dramatischen Wendung in seinem Leben, jedem Scheitern, jedem Versagen gewinnt er eine komische Seite ab, aber nicht, indem er sich über andere lustig macht, sondern vor allem über sich selbst – und zwar nachsichtig und liebevoll. In seinem letzten Buch „Hamster im hinteren Stromgebiet“ erzählt er davon, wie er mit Anfang 50 einen Schlaganfall erleidet und wie Sprache und Humor ihn den Todesängsten entreißen, die ihn Nacht für Nacht heimsuchen. 

Das Buch be-schreibt und er-schreibt seine Heilung auf eine Weise, die auch heilsam ist, für alle, die es lesen. Denn jedes Mal nach der Lektüre seiner Bücher sehe ich danach wochenlang alles viel leichter oder einfach anders an, was mir und uns widerfährt.

Und in eben diesem Buch von Meyerhoff findet sich (unter anderem) dieser schöne Satz: „Kinder sind die zuverlässigsten Lieferanten der Gegenwart.“ 

Sofort dachte ich: Genau, und deshalb halten wir durch.

Manchmal wird alles zu viel

Da ich seit einiger Zeit ein aufwendiges Bullet Journal führe, in dem ich meine Tages- und Monats-ToDos vermerke, kleine Ziele und Ereignisse, Bücher, die ich (eines Tages…) lese möchte, Dinge für die ich dankbar bin, die ich gern tue etc – schrieb ich das Zitat sogleich in meiner Zitate-Sammlung auf. Denn es stimmt ja auch hier, was sich so oft zeigt: Alles hat zwei Seiten. Ja, Kinder sind oft zu viel von allem: Wie kleine Bulldozer rumpeln sie mit ihren Anliegen, Wünschen, ihrem Kummer und ihrer Freude lautstark durch unser sorgsam arrangiertes (oder arg durcheinander gewürfeltes) Leben und abends fühlt man sich, als hätte man den ganzen Tag erfolglos versucht, das Rätsel des Zauberwürfels zu lösen.

Aber sie ver-sorgen zu müssen, sie um-sorgen zu müssen, ist gleichzeitig auch die Lösung fasst aller Probleme. Ja, natürlich bringt die Betreuung und das Auffangen der Kinder in diesen Corona Zeiten uns an die Grenzen, aber nichts ist heilsamer gegen düstere Gedanken als das Zubereiten von Spaghetti mit Tomatensauce oder die gemeinsame Freude über einen wiedergefundenen Turnschuh im Hundekorb. Und das kleine Einmaleins, das weiß ich heute, ist die beste Medizin gegen Grübeleien (wenn man nicht gerade parallel eine Powerpoint Präsentation am Hals hat oder Dienst auf der Intensivstation – ich ziehe meinen Hut vor denen die DAS irgendwie vereint kriegen)

Welche Erkenntnis bleibt also aus diesem Jahr, was hat verdient, mit ins neue Jahr zu kommen? 

Ganz einfach: Zu Hause dürfen wir die Maske ablegen – auch im übertragenen Sinne. Zu Hause dürfen wir uns berühren. Wie wertvoll das ist, das immerhin hat uns 2020 gelehrt. Wenn ich also meinen Koffer packe für 2021, dann darf diese Erkenntnis mit hinein – und die macht mich guten Mutes.


Hier noch zwei Podcast-Empfehlungen, die Julia ganz besonders wichtig sind:

„>Warum sagen die sowas, Mama? Alltagsrassismus gegen Kinder

„>Wie erkenne ich Kinder, die sexuellen Missbrauch erleiden?

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