Daniel Duddek: Mein Weg vom Mobbing-Opfer zum Mobber, um schließlich Erzieher zu werden

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„Mit zwölf sah ich aus wie neun, mit 16 wie zwölf und ich hatte ein Problem: ich dachte, alle meine Freunde sind mehr wert, denn sie hatten Freundinnen und einen Bart. Ich hatte beides nicht“, so beginnt die Geschichte von Daniel Duddek – einem der erfahrensten und erfolgreichsten Mobbing- und Resilienz-Experten Deutschlands.

Heute erzählt er uns von seiner persönlichen Mobbing-Geschichte und darüber, wie Eltern dazu beitragen können, ihre Kinder erfolgreich vor Mobbing zu schützen. 

„Mobbing ist – entgegen vielen anderen Definitionen – aus meiner Sicht kein Zustand, sondern ein individuell gefühlter Prozess. Dieses Verständnis ist eines der Leitmotive, auf deren Basis ich heute Kinder und Eltern dabei unterstütze, mit Mobbing-Erfahrungen besser umzugehen. Was zählt, ist das Gefühl, das mit der Erfahrung einhergeht. Denn nur dieses sollte der Gradmesser und die Richtschnur dafür sein, wie viel und welchen Unterstützungsbedarf ein Mensch, der nach seinem Empfinden von anderen gemobbt wird, hat. Mobbing fängt immer in uns selbst an – auf Opfer- wie auf Täterseite – und ist immer stark mit unseren eigenen Bedürfnissen und Gefühlen (vor allem uns selbst gegenüber) verbunden. Hier müssen wir ansetzen, wenn wir Mobbing aus unserer Gesellschaft verbannen wollen. 

Auch ich litt in meiner Realschulzeit unter Mobbing, fühlte mich klar als Opfer. Ich war klein für mein Alter und weit entfernt von jeglicher Männlichkeit – und in dem Alter macht das etwas mit einem. So klein meine Körpergröße, so groß war mein Minderwertigkeitskomplex und ich fühlte mich immer unterlegen. Das trug ich (unbewusst) wie ein Schild vor mir her und das übertrug sich auch auf mein Umfeld und diente geradezu als Einladung: Ich wurde gehänselt, gedemütigt, geschubst. Sprüche, wie „Hey, bei deinem Bartwuchs reicht aber auch ein raues Handtuch, um dich zu rasieren“ oder „Alles Unwichtige steht in Klammern“ in Bezug auf meine O-Beine, Boxhiebe auf die Schulter und Sätze wie „Ha, guck mal, mal wieder eingelaufen?“ schmerzten, verletzen mich tief und machten den Schulalltag zur Qual.

Mit Abstand und meinem heutigen Verständnis würde ich das Verhalten meiner damaligen Mitschüler gar nicht unbedingt als böswilliges Mobbing bezeichnen und auch sie selbst sahen es damals sicherlich eher als Spaß und Fopperei. Was ihr Verhalten in mir bewirkte, wusste nur ich…

Irgendwann mobbte ich selbst…

Ich litt innerlich, versuchte aber einen Weg zu finden, wie ich nach außen damit klar kam. Ich war schon immer sprachlich gewandt und merkte irgendwann, dass es gut bei meinen Mitschülern ankam, wenn ich blöde Sprüche machte, gerade auch gegenüber den Lehrern. Je mehr ich mich mit ihnen anlegte und von ihnen schließlich als „Plärrmaul“ deklariert wurde, desto mehr stieg ich in der Achtung meiner Mitschüler. Auch mein Humor kam gut an und Stück für Stück sahen mich andere nicht mehr nur als Opfer, sondern als jemand, der auch eine Kompetenz hat – nämlich mein Gelaber und meine lockeren Sprüche, die ich in jeder Situation raushaute. 

Das sprach sich rum und verschaffte mir eines Tages Zugang zu einer „Jugendgang“, die in der Stadt ihr Unwesen trieb. Mit dem Preis, dass ich selbst damit auf die Täterseite wechselte. Aus Angst, selbst erneut zum Opfer zu werden, wurde ich zum klassischen Mitläufer – trotz meiner eigenen Erfahrungen und dem vollen Bewusstsein, was das mit denen machte, die wir nun gemeinschaftlich angingen.  

Den ersten Schritt hinaus aus diesem destruktiven Prozess machte ich mit meinem Eintritt in die Theater-AG der Schule, in der ich meine sprachliche Kompetenz nun im positiven Sinne voll ausleben konnte. Hier erfuhr ich plötzlich enorm positive Bestärkung von Seiten der Lehrer und auch der Mitschüler, die bei Aufführungen in der Aula für mich applaudierten.

Das war ein ganz neues Gefühl und brachte mich dazu, mich immer mehr auf die Dinge zu fokussieren, die ich gut konnte – reden, lustig sein, musizieren – und meine (vermeintlichen) Defizite, wie z. B. kleiner als andere und körperlich unterlegener zu sein, zunehmend zu ignorieren. Ich musste also irgendwann meine Minderwertigkeitskomplexe nicht mehr durch Mobbing kompensieren, weil ich einen anderen Weg gefunden hatte, zu erkennen, dass ich gar nicht so minderwertig bin. 

Auf der Suche nach dem richtigen Männerbild

Die tatsächlich tiefgreifendste Wendung kam schließlich mit meiner Erzieherausbildung, in der ich mein Lebensthema und meine Berufung fand. Das war zunächst eine lustige und traurige Geschichte zugleich: Denn meine Berufswahl nach dem schlechten Realschulabschluss war erst einmal geprägt von der Suche „nach dem Beruf mit den wenigsten Männern“. Ich hatte nach wie vor Angst davor, mit „gestandenen Männern“ zu arbeiten – das Sinnbild meiner nach wie vor existenten Komplexe, kein richtiger Mann zu sein. Ich dachte: Ich werde Erzieher, da gibt es nur Frauen und Kinder. Heute kann ich darüber lachen – damals war das alles andere als witzig. 

Aus der Not heraus bin ich also Erzieher geworden … und aus einem mittelmäßigen Realschüler wurde in kürzester Zeit ein Einser-Fachabiturient und staatlich anerkannter Erzieher. Ich hatte in meiner Ausbildung meinen Lebensinhalt gefunden. Ich fühlte, das ist es: Kinder ins Leben zu begleiten und sie stark zu machen, das gibt mir komplette Erfüllung. Und nicht nur das: es zeigte sich mein außergewöhnliches Talent für diese Aufgabe. Das spiegelten mir die Lehrer stets zurück und auch ich selbst merkte, dass ich gut bin, wie ich bin und – das ist ein wichtiger Punkt – ich habe es angenommen, dass es so ist. 

Häufig können das Menschen, die voller Selbstzweifel sind, Lob und Anerkennung von außen nicht akzeptieren. Sie kämpfen innerlich weiter gegen das Positive an und entscheiden sich immer wieder dafür, das Negative höher zu bewerten. 

Stärken und Schwächen annehmen und den Fokus auf das Positive legen

Deshalb mein erster, essenzieller Rat, um Mobbing aus unserer Gesellschaft zu verbannen: Wir müssen die positiven Dinge nicht nur hören, sondern auch lernen, sie anzunehmen. Wir müssen uns selbst die Erlaubnis dafür erteilen, dass beides im Leben da sein darf: die Schwächen und die Stärken. Menschen suchen nach einem perfekten Leben, sie wollen perfekt sein, und dabei leiden sie immer wieder darunter, dass ihnen das nicht gelingt. Wenn ich aber anfange, zu akzeptieren, dass beides in mir angelegt ist – Schwächen wie auch Stärken – dann kann ich mich dafür entscheiden, das Gute zu sehen, ohne das Schlechte zu ignorieren.

Wichtig: Dabei geht es nicht darum, alle Schwächen wegzudrücken und nur noch das Positive zu sehen, sondern schlicht und ergreifend darum, die Realität anzuerkennen: Ich kann was und ich kann was nicht. Aber meinen Fokus lege ich auf das Gute. 

Eltern sollten Kinder immer positiv bestärken

Eltern, aber auch Erzieher und Lehrer sollten den Kindern deshalb kontinuierlich zurückmelden, wenn sie etwas gut können, und dafür auch über den Tellerrand hinausschauen: Was ist vielleicht auch eine Stärke hinter einer vermeintlichen Schwäche eines Kindes? Bei mir war und ist es z. B., dass ich unordentlich und unsortiert war und bin. Eine große Stärke ist allerdings, dass ich jederzeit flexibel auf neue Themen aufspringen kann, weil ich in meinem Kopf keine vorgefertigte Struktur habe, die unbedingt eingehalten werden musst. 

Zeigt also euren Kindern in Kitas, Schulen und auch zuhause, dass sie gut sind, wie sie sind, und dass hinter vermeintlichen Schwächen oft Stärken stehen. Helft den Kindern aber auch, immer wieder das Positive zu fokussieren; das ist auch das, was mich damals gerettet hat.

Und noch ein wichtiges Thema: Helft den Kindern zu erkennen, dass nur, weil Menschen eine Meinung über sie haben, diese Meinung nicht unbedingt richtig und somit vor allem auch nicht wichtig ist. Unterstützt sie dabei, einen engen Kreis an Vertrauten aufzubauen, deren Meinung deinem Kind wichtig ist. Aber unterstützt Eure Kinder auch bei der Erkenntnis, dass sie nicht von jedem Menschen Kritik annehmen müssen; dass nicht jeder Mensch das Recht hat, sie zu beleidigen und innerlich zu verletzen, und wie wichtig es ist, sich von anderen Menschen auch abzugrenzen. Das gilt übrigens auch für Dich selbst. Suche dir ein positives, wertschätzendes Umfeld und beginne, dich selbst wertzuschätzen. Denn dann hat Mobbing keine Basis mehr. Sobald wir anfangen, uns minderwertig zu fühlen, fällt Mobbing dagegen auf einen sehr fruchtbaren Nährboden.

Über den Autoren: Daniel Duddek ist Experte für das Thema Mobbing-Prävention und Familienharmonie. Seit über einem Jahrzehnt setzt er sich dementsprechend als ausgebildeter Erzieher, Trainer, Coach und Ausbilder, Buchautor und „Edutainer“ für das Wohl von Kindern und ihren Familien ein. Hierfür hat er sein eigenes Konzept „Stark auch ohne Muckis“ entwickelt. Mehr Infos unter www.daniel-duddek.de

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