Gastbeitrag: „Mein Baby ist nicht mit mir verwandt, ich wurde Mama durch eine Eizellspende“

Neugeborenes

Neugeboren. Foto: pixabay

Wenn ich darauf angesprochen werde, dass mein kleiner Sohn mir ähnlich sieht, dann muss ich immer schmunzeln und daran denken, dass es alles andere als selbstverständlich ist, dass er da ist. Und dass er mir dabei tatsächlich auch noch verdammt ähnlich sieht… Bei uns war irgendwie alles anders, als bei anderen und als es natürlicherweise sein sollte. Aber – wie ein Arzt während der Schwangerschaft zu mir sagte – das ist eben auch erlaubt.

Schwanger durch eine Eizell-Spende

Mein Sohn ist durch eine Eizellspende entstanden. Wir haben uns für diesen Weg entschieden, da der Wunsch nach einer Familie irgendwann übermächtig wurde. Dass es auf natürlichem Wege nicht klappen würde, war klar. Ich hatte meine Diagnose Turner-Syndrom schon als Kind bekommen. In meinem Fall bringt dieser Chromosomenfehler unter anderem einen Herzfehler und Unfruchtbarkeit mit sich. Ich lebe ganz gut damit, wenn auch zwei Herzoperationen und Hormontherapien wegen meiner nicht funktionierenden Eierstöcke dazugehören. Im Alltag bin ich kaum eingeschränkt und man sieht mir mein Syndrom auch kaum an.

Trotzdem musste ich meinen Körper mit seinem Syndrom nochmal neu akzeptieren, als wir uns so sehr ein Baby wünschten und nun einmal keine Eizellen bei mir zu finden waren…

Immerhin sprach medizinisch nichts gegen eine Eizellspende. Diesen Weg wollte auch mein Partner unbedingt mit mir gehen. Ich hatte anfangs eher meine Zweifel. Würde das Kind für mich immer das Kind einer anderen Frau sein? War ich bereit dazu, auf diese Weise Mutter zu werden? Erst nachdem ich mir hundertprozentig sicher war, dass die Eizellspende auch für mich die richtige Entscheidung war, stimmte ich zu.

Eizell-Spenden sind in Deutschland nicht erlaubt

Da Eizellspenden in Deutschland verboten sind, mussten wir ins Ausland gehen. Ein Sprung ins Blaue war es auch, denn deutsche Ärzte dürfen keine Klinik empfehlen oder in diese Richtung beraten. Tipps gibt es höchstens von Paaren, die schon eine Eizellspende hinter sich haben.

Nach einigen Vorgesprächen mit der Klinik unserer Wahl, extrem viel Papierkram und Voruntersuchungen in Deutschland, wurde in Tschechien eine Spenderin für uns gefunden.

Insgesamt schenkte sie uns neun Eizellen, die mit Samenzellen meines Mannes befruchtet werden konnten und sich gut entwickelten. Dreimal sind wir zum Embryotransfer nach Tschechien gefahren. Ich habe eine unglaubliche, nicht näher bestimmte Menge an Hormonspritzen bekommen. Wir haben eine ebenfalls unglaubliche Menge Geld für Behandlungen und Medikamente bezahlt (nicht für die Spenderin, die Eizellspende in Tschechien ist nicht kommerziell) und gefühlte hundert Jahre (eigentlich nur 14 Tage…) nach jedem Embryotransfer gezittert und gewartet, bis wir endlich den Schwangerschaftstest machen konnten und erfuhren, ob es geklappt hatte.

Nach dem ersten Embryotransfer hatte ich leider eine frühe Fehlgeburt. Nach dem zweiten Embryotransfer waren alle Tests negativ. Beim dritten Transfer war einfach alles perfekt, das Team in Tschechien war noch freundlicher als sonst sowieso schon und alle wünschten uns Glück. Es war ein wunderschöner Junitag und ich war mir hundertprozentig sicher: dieses Mal klappt es.

Und das hat es dann auch! Der Test war positiv, ich durfte zum ersten Ultraschall und wir konnten die Herztöne unseres Babys hören! Und die haben mich komplett geflasht. Ich war ja ein Herzkind, ich habe so oft meine eigenen Herztöne gehört… Und so hatte ich sofort eine Verbindung zu meinem Baby. Ab diesem Moment war es für mich da und war absolut und ohne den geringsten Zweifel mein Baby.

Dann gab es natürlich auch eine Menge Informationen über alle möglichen Vorsorgeuntersuchungen. Unter anderem erzählte meine Frauenärztin uns natürlich auch von den pränatalen Bluttests auf Chromosomenfehler. Sie sagte auch: Jetzt wo sie so viel getan haben, um schwanger zu werden, soll auch alles in Ordnung sein mit dem Kind.

Im Grunde genommen sprach sie also eine Abtreibung bei einer Diagnose an. Und das mir gegenüber? Mir, die ich selber mit einem Chromosomenfehler, dem Turner-Syndrom, zur Welt gekommen bin? Nee, niemals. Für mich hätte es keinen Grund für eine Abtreibung geben können. Das hätte ich niemals übers Herz bringen können.

Aber auch das wurde mir vor Augen geführt: Dass ich selbst ein Mensch mit einer Diagnose bin. Mit einem Syndrom, das ein Abtreibungsgrund ist. Für mich als einen Menschen, der mit dem Turner-Syndrom gut lebt, ist das immer wieder mehr als schockierend.

Bei uns aber zeigte jede Untersuchung: Mit unserem Baby war alles in bester Ordnung. Es wuchs und gedieh bestens in meinem Bauch.

Auch mit mir war bis fast zum Schluss alles in Ordnung. Allerdings empfahl der Kardiologe einen Kaiserschnitt. Ich war in den Schwangeren-Kursen dann die einzige mit geplantem Kaiserschnitt und wurde dafür teilweise auch schief angeschaut. Dabei konnte ich gar nichts dafür! Es war ja schließlich eine medizinische Notwendigkeit und kein Wunschkaiserschnitt.

Die Situation im OP war für mich weder komisch noch beunruhigend, sondern mir aus meiner Kindheit eher vertraut. Ja, es ist eine große Operation, und um einen neuen Menschen auf der Welt zu begrüßen ist es nicht gerade die schönste Umgebung. Aber für mich bedeutet der OP auch: Sicherheit. Hier sind eine Menge Leute, die alles dafür tun, dass es uns gut geht, und eine Menge Geräte, die uns überwachen, hier wird schon alles klappen.

Und dann kam dieser magische Moment, in dem unser kleines Eizellspendenbaby seinen ersten Schrei tat und über dieses grüne Tuch gehalten wurde.

Zu sagen, dass ich spontan bis über beide Ohren verliebt in dieses blaue, tropfende Bündel war, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Dass der Anblick meines kleinen Neugeborenen mich derart umhauen könnte, hätte ich nicht gedacht. Er war sooo süß und weich und warm… Ich wollte ihn nur noch knuddeln und anschauen.

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Foto: pixabay

Und ich hätte ihn sooo gerne gestillt… Aber da es einen Verdacht auf Peripartum-Kardiomyopathie gab und somit auch eine lebensbedrohliche Situation für mich bestand, musste ich sofort abstillen. Heute geht es uns beiden super, mein Kardiologe war bereits drei Monate nach der Geburt wieder begeistert von meiner Herzsituation.

Tja, nicht natürlich empfangen, nicht natürlich entbunden, nicht gestillt. Bei uns ist wirklich alles anders als normal.

Im Wochenbett habe ich sehr damit gehadert, dass ich meinen Kleinen nicht stillen durfte. Dadurch, dass bei uns eben alles anders war, fühlte ich mich nicht mehr geerdet und ich hatte auch ein bisschen Angst, dass künstliche Befruchtung, Kaiserschnitt und Fläschchennahrung negative Folgen für meinen Kleinen haben könnten. Es tat weh, in den Babygruppen all die Mütter ihre Babys stillen zu sehen, während ich nur Fläschchen geben konnte.

Aber die anderen Mamas waren super. Immer wieder haben sie gesagt: Ist doch egal, dein Sohn wird auch mit Fläschchen groß, er sieht überhaupt nicht so aus als würde es ihm schlecht gehen, mach dir keine Sorgen. Und entgegen der Befürchtung meiner Hebamme habe ich auch nur positive Reaktionen darauf bekommen, dass mein Sohn eine Eizellspende war. Unverständnis gab es bei denen, denen ich davon erzählt habe, eher dafür, dass Eizellspende in Deutschland verboten ist.

Eine natürliche Geburt und Muttermilch sind das Beste für Mutter und Kind. Aber was konnte ich denn dafür, dass das bei uns nun einmal nicht ging? Denn was bei uns ganz bestimmt nicht anders ist, ist die Bindung zwischen uns, meine bedingungslose Liebe für meinen Sohn und dass ich alles für ihn geben würde, mit ihm weine, mit ihm lache und ihm alles zeige und beibringe, was er wissen muss.

Ob ich manchmal an die Spenderin denke?

Ja, klar. In Tschechien ist die Eizellspende anonym, das heißt wir haben keine Möglichkeit, sie kennen zu lernen. Das einzige, was wir über sie wissen, ist dass sie genauso alt ist wie ich. Manchmal frage ich mich, wie sie wohl aussieht und wie ihr Leben aussieht. Was ihre Beweggründe waren, ihre Eizellen zu spenden und ob sie eine eigene Familie hat. Was mein Sohn vielleicht von ihr hat.

Und ich bin ihr unendlich dankbar. Nur durch ihre Hilfe haben wir heute unseren kleinen, riesig großen Schatz und sind überglückliche Eltern.

Ob es besser wäre, wenn Eizellspende in Deutschland erlaubt wäre?

Ja, auch wenn ich mit der Behandlung in Tschechien absolut zufrieden war, würde ich mir das wirklich wünschen. Es war vor allem nach der Fehlgeburt schwierig, der Vermittler zwischen den deutschen und den tschechischen Ärzten zu sein und irgendwie am Telefon zu erklären, was passiert war und welche Untersuchungen hier gemacht worden waren.

Außerdem wäre es schön gewesen, hier in Deutschland nach unseren medizinischen Standards, ohne Auslandsreisen und vielleicht auch mit der Möglichkeit, die Spenderin kennen zu lernen, die Behandlung durchzuziehen. Und natürlich könnte, wenn die Behandlung erlaubt wäre, die Krankenkasse auch einen Teil der Kosten tragen. Und letztendlich werden diejenigen, die die Eizellspende wirklich nutzen möchten, es immer tun… Egal ob sie dafür ins Ausland müssen.

Lest dazu gern auch: Solomama: Ich wollte unbedingt ein Kind – auch ohne Partner.

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1 comment

  1. DANKE für diesen Artikel! 🙏
    Ich muss mich gerade nach einer Eizellspende an den Gedanken eines Kaiserschnitts gewöhnen, den ich nicht wollte, weil auch mein Körper nicht dem „Standardmodell“ entspricht… schön, sich weniger allein zu fühlen mit den Gefühlen dazu…

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