Embryonenspende: Aus Anjas Eizelle wurde ein kleiner Junge

Embryonenspende

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Ihr Lieben, als Anja in der Kinderwunschklinik war, um sich ihren sehnlichen Wunsch nach einer Familie zu erfüllen, wurde sie auch über die Möglichkeit einer Embryonenspende informiert. Als es bei ihr selbst erst mit einer Zwillingsschwangerschaft klappte und dann auch noch mit einer spontanen Überraschungsschwangerschaft ganz ohne Klinikhilfe, erfuhr sie, dass aus einer ihrer gespendeten Eizellen ein kleiner Junge entstanden ist…

Liebe Anja, du hast letzte Woche erfahren, dass aus deiner Embryonenspende ein kleiner Junge entstanden ist. Welches Gefühl löst das in dir aus?

Tatsächlich ein sehr gutes. Ich bin glücklich zu wissen, dass wir diesem kleinen Jungen ein Leben schenken durften. Und bin mir sicher, dass es ein schönes Leben mit viel Liebe sein wird. Wer sich als Paar so sehr ein Kind wünscht und diesen steinigen Weg auf sich nimmt, wird sehr demütig und dankbar über die Geburt des eigenen Kindes sein. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Wie fühlt sich das für dich an, dass da nun ein kleiner Mensch durchs Leben spaziert, der auch aus deinem Genpool entstanden ist, der aber nicht bei dir oder mit dir aufwachsen wird?

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Es wäre eine Lüge zu sagen, es sei ganz normal. Klar ist es ein komisches Gefühl, dass noch ein vierter Junge, ein Vollbruder meiner Kinder irgendwo lebt und ich gebe zu, ich habe auch immer wieder Momente, in denen ich denke, ich würde das Baby sehr gern kennenlernen. Aber insgesamt finde ich es einfach nur schön.

Wir hatten eben diese Entscheidung zu fällen: Embryonenspende oder „Mülleimer“. Darüber darf ich jetzt nicht mehr nachdenken… was aus dem Jungen geworden wäre, hätten wir uns anders entschieden. Ich hätte mir die zwei Embryonen, die wir gespendet haben, natürlich selbst einsetzen lassen können. Durch unser eigenes Wunder kam das für uns aber nicht in Frage… zu hoch war die Angst, vor der psychischen Belastung wieder den Weg in die Kinderwunschklinik zu gehen.

In Deutschland sind Eizellspenden verboten, darum waren wir so froh, als du dich bei uns gemeldet und erklärt hast, wie das bei euch vonstatten gegangen ist. Alles legal nämlich. Es wissen nur viel zu wenige Menschen von dieser Möglichkeit. Erzähl doch mal.

Soviel ich weiß, sind Eizellspenden in Deutschland tatsächlich verboten. Es gibt aber seit Ende 2020 die Möglichkeit, Embryonen die in Kryokulturen aufbewahrt werden, zu spenden. Dafür müssen es aber Blastozysten sein und keine Vorstadien. Wir hatten nach unsere zweiten IVF-Behandlung zwei Embryonen und vier Acht-Zeller eingefroren.

Als unser dritter Sohn einfach ungeplant in unser Leben trat, war für uns schnell klar, dass wir nie wieder eine Kinderwunsch-Behandlung für uns möchten. Zu sehr hat uns diese Zeit belastet und ich hatte auch das Gefühl, jetzt so viel Verantwortung für meine Kinder zu haben, dass ich das Risiko einer möglichen weiteren Behandlung nicht mehr eingehen möchte. Als Mutter von drei Kindern wollte ich einfach nicht ausfallen, nur um unbedingt nochmal so ein wunderbares Geschenk zu erhalten.

Das heißt, Eizellenspenden sind möglich, WENN das Paar selbst sich einer Kinderwunschbehandlung unterzogen hat, sie Eltern geworden sind und dann aber noch eingefrorene Eizellen übrig sind?

Wir müssen den Begriff anders definieren. Es sind nur Embryonenspenden möglich. Das bedeutet: Mir wurden damals Eizellen entnommen, diese wurden in einer Petrischale mit den Spermien meines Mannes zusammengeführt. Wir hatten zwölf Follikel und ich glaube neun Eizellen. Acht haben sich weiter geteilt, vier davon wurden an Tag 2 eingefroren und vier weiter beobachtet.

Alle Vier haben sich weiterentwickelt und geteilt. Dabei werden die verschiedenen Qualitäten noch beurteilt. Ich habe damals dann zwei Mehrzeller an Tag 4 eingesetzt bekommen, diese durfte ich dann gesund und munter gebären. Die anderen zwei befruchteten Eizellen wurden nochmal einen Tag beobachtet und an Tag 5 als Blastozysten eingefroren. Diese durften wir dann spenden.

Wie habt ihr von dieser Möglichkeit erfahren und war euch direkt klar, dass ihr da mitmacht, um einem anderen Paar zu helfen oder gab es da Bedenken?

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Von dieser Möglichkeit wurde uns im Kinderwunschzentrum erzählt. Eigentlich hatte ich damals einen Termin zum Besprechen, wie ein Kryotransfer für mich ablaufen würde. Da hat man uns das schon gesagt. Was wir alle nicht ahnen konnten: Ich würde einen Monat später einfach so schwanger werden.

In dieser Schwangerschaft habe ich dann nochmal einen Termin vereinbart und umfassende Informationen erhalten und uns einfach mal erkundigt. Es besteht auch die Möglichkeit eines Rechtsbeistandes und psychologischer Begleitung. Das haben wir aber nicht in Anspruch genommen. Als unser drittes Kind geboren war, war es für uns einfach klar. Für meinen Mann wie für mich.

Ich hatte mich früher immer gefragt: Wer unterzieht sich denn Kinderwunschbehandlungen? Wer tut sich das an? Dann halt ohne Kind. Bis bei mir selbst der Wunsch einschlug wie eine Bombe und meinen Alltag bestimmte. Deswegen weiß ich von mir selber, ich hätte jede Hilfe angenommen, um ein eigenes Kind zu bekommen.

Wir waren in der glücklichen Lage, zwei Embryonen spenden zu können und wussten, wie glücklich Paare über diese Möglichkeit sind. Und die Alternative war für uns unvorstellbar. Wir hatten so für diese Embryonen gekämpft und so viel durchgemacht… einfach entsorgen stand nie zur Debatte. Das hätten wir nicht geschafft.

Auf der Website Netzwerk Embryonenspende heißt es, alles bliebe anonym. Spender und Empfänger würden nie voneinander erfahren. Wie kommt es nun, dass du weißt, dass aus deiner Eizelle ein kleiner Junge entstanden ist?

Wir konnten bei dem Vertrag angeben, ob wir – natürlich anonym – wissen wollen, was aus unseren Embryonen geworden ist. Und das war mir tatsächlich wichtig. Ich wollte irgendwie wissen, ob da noch jemand von uns ist, auch wenn dieser Mensch keinen direkten Platz in unserem Leben hat. Wir haben zwei Embryonen gespendet, ein Embryo hat zu keiner Schwangerschaft geführt. Das war schon wichtig für mich zu wissen. Meinem Mann wäre diese Information eher egal gewesen.

In Deutschland hat jeder das Recht, mit 16 seine Herkunft zu erfahren. Das bedeutet – auch wenn das alles jetzt anonym ist: Sollten sich die Eltern dazu entscheiden, ihrem Kind von der Embryonenspende zu erzählen, hat dieser Junge das Recht, im Alter von 16 Jahren von uns zu erfahren. Das hat es mir tatsächlich etwas schwer gemacht und das war mit der Grund, warum ich wissen wollte, was aus unseren Embryonen entstanden ist.

Wie sind die Reaktionen deines Umfelds, wenn du davon erzählst?

Das war für uns tatsächlich schwierig, wir wussten nicht, wer wie reagiert. Wir haben es in unseren Familien und im engen Freundeskreis kommuniziert, ansonsten gehen wir nicht offen damit um. Warum, weiß ich nicht. Es ist doch noch ein schwieriges Thema in unserer Gesellschaft.

Die Reaktionen sich durchweg positiv. Viele haben Tränen in den Augen und sind gerührt, was für ein Geschenk wir anderen gemacht haben. Mit so viel Empathie hatte ich wirklich nicht gerechnet. Bisher gab es nicht eine negative Erfahrung, wenn wir davon erzählt haben. Eher ganz im Gegenteil.

Ihr habt selbst eine Kinderwunschzeit hinter euch, wie denkst du an diese Zeit zurück – und wie geht es euch heute als Familie?

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Im Moment lebe ich ziemlich im Alltag mit unseren Jungs und denke nicht mehr viel an diese unglaublich schwierigen Jahre. Außerdem hat die zweite ungeplante, aber mehr als gewünschte Schwangerschaft vieles gut gemacht.

Wir waren damals noch relativ jung, ich war 26 beim ersten Besuch in der Kinderwunschklinik. Wir hatten niemanden im engen Bekanntenkreis oder in der Familie, der jemals in einer Kinderwunschklinik war und Hilfe erhalten hat. Das war schon sehr schwer, auch weil damals nicht so viel Verständnis da war. Weil es für viele unvorstellbar und nicht greifbar war.

Wenn ich an diese Jahre denke, merke ich immer noch die Schwere. Mein Mann war mir aber eine sehr große Stütze in dieser Zeit, wir sind diesen Weg gemeinsam gegangen und er war immer so positiv, wenn ich es schon lange nicht mehr sein konnte. Dafür bin ich ihm so dankbar. Diese Jahre haben uns eng verbunden. Wir wissen jetzt, welch unglaubliches Wunder es ist und wie absolut nicht selbstverständlich.

Jetzt haben wir drei kleine Menschen zu Hause und sind so unendlich dankbar und einfach eine sehr glückliche Familie. Ich habe viele Jahre nicht geglaubt, dass wir so reich beschenkt werden würden…

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6 comments

  1. Auch ich bin durch eine lange Kinderwunschbehandlung gegangen und nach insgesamt elf Versuchen über sieben Jahre habe ich es geschafft unsere Zwillinge auszutragen. Auch wir hatten noch vier Blastozyten übrig, aber aufgrund meiner Vorgeschichte kam leider keine weitere Schwangerschaft in Frage. Die Frage, was mit unseren Kryo Embryonen geschehen sollte, haben wir auch fünf Jahre lang vor uns hergeschoben. Im Endeffekt habe ich das Röhrchen abgeholt und mit nach Hause genommen. Die Eizellen zu spenden und meine Kinder damit evtl. einer Familie auszusetzen, die ganz anders ist als unsere eigene oder sie evtl. sogar physischer oder psychischer Gewalt auszusetzen, hätte ich nicht ertragen können. Für uns war es so die richtige Entscheidung.

  2. Wir stehen auch vor dieser Überlegung. Wir haben zwei Kinder und der Weg dorthin war nicht leicht. Aber ich kann es mir nicht vorstellen, die Blastozysten zu spenden. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass sie einfach so aufgetaut werden. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich bzw. wir noch (angenommen alle Transfere wären erfolgreich, was unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich ist) drei Kinder mehr bekommen. Momentan schieben wir die Entscheidung alle 6 Monate auf und zahlen die Miete fürs Kühlen – unser zweites Kind ist auch erst 7 Monate alt. Sehr schwieriges Thema. Ich würde jedem Kind wünschen, dass es seine genetische Identität kennt. Was macht man dann, wenn da aufeinmal ein Kind steht, bei dem man sich denkt, warum durfte es nicht bei mir aufwachsen, dann ginge es ihm vielleicht besser oder was auch immer man denkt, wenn man sein genetisches Kind kennen lernt. Für mich muss es nicht das gleiche Blut sein, um Familie zu
    sein, aber umgekehrt glaube ich, würde es mir schwer fallen, nicht immer zu überlegen, wie es „meinen“ Kindern geht.

  3. Phuu.., ich muss gestehen, ich hätte das wahrscheinlich nicht gekonnt.
    Es ist im Grunde ja schon ein wenig so wie eine kleine Adoption. Der Junge ist mit euch voll genetisch verwandt, in gleichem Maße wie eure drei bei euch lebenden Kinder auch. Optisch und charakterlich wird er ihnen vielleicht ähnlich sein.
    Habt ihr eigentlich vor, euren Kindern davon zu erzählen?
    Ich denke, ich hätte mir die beiden übrigen Embryonen auch noch einsetzen lassen – sag ich jetzt natürlich leicht, als Außenstehende die noch nie in einer solchen Situation war. Aber vermutlich wäre das mein Weg gewesen.
    Ich wünsche dem Jungen, dass er glücklich und im Wissen um seine Entstehung aufwächst und euch eines Tages kennen lernen kann, so er das möchte.
    Alles Liebe!

  4. Was für ein wunderschöner Beitrag! Ich hätte die gleiche Entscheidung getroffen. Wobei ich wohl nie den Funken Hoffnung abstellen könnte, das Kind (bzw. sollte es ja dann bereits erwachsen sein) irgendwann in ferner Zukunft einmal kennenzulernen 🙂 Ist es eigentlich ein einseitiges Recht? Also darf sich nach dem 16. Geburtstag nur das Kind auf die Suche machen? Oder dürften das die biologischen Eltern auch? Wahrscheinlich nicht, da ggf die „sozialen Eltern“ (sagt man das so?) nichts davon erzählen müssen, oder? Alles Gute euch!

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