Verzweiflung pur: Mein Baby schrie wochenlang durch

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Ich glaube, ich war in meinem Leben noch nie so verzweifelt, wie in den Tagen und Nächten mit meinen drei schreienden Kindern. Weil gefühlt nichts half, weil ich nichts anderes hörte als Geschrei. Tagaus, tagein, ohne jeden ersichtlichen Grund.

In den ersten Wochen dachte ich noch, dass das alles normal sei, Babys weinen halt. Aber mit der Zeit ging mir das Weinen an die Substanz. Weil ich nichts mehr machen konnte, ohne dass mich jemand anschrie. Ich wollte Freundinnen anrufen und musste auflegen, weil mir ins Ohr gebrüllt wurde.

Ich wollte mich mit Menschen zum Spazierengehen treffen und sagte ab, weil meine Kinder schon zuhause so brüllten, dass ich mich gar nicht traute, mit ihnen rauszugehen. Egal, was ich auch versuchte, alles wurde mit Schreien quittiert.

Nie war ich gut genug, nie war das, was ich tat, gut genug.

Oft fragte ich meine Kinder, mehr oder weniger laut, was ich denn bitte noch für sie machen sollte. Ich täte ja schon alles, wieso das nicht genüge. Quittiert wurde dies, natürlich, mit noch mehr Geschrei. Warum kann ich mein Kind nicht beruhigen? Ich las in Büchern, Zeitschriften, Blogs und verstand nicht, warum mir nicht gelang, was da stand: die Bedürfnisse des Babys erkennen, adäquat befriedigen und zufrieden miteinander wachsen. Davon war ich kilometerweit entfernt.

Woran ich nie gedacht hatte: All diese Ratgeber und Hinweise beziehen sich nicht auf untröstlich weinende Kinder. Weil ich meinen Denkfehler an der Stelle aber nicht erkannte, machte ich mir selbst einen enormen Druck, das vermeintlich Richtige zu tun. Und das war, laut diesen Büchern und Zeitschriften, das Baby schnell zu beruhigen. Was Quatsch ist, weil »schnell« mit einem viel weinenden Baby gar nichts funktioniert.

Ich glaubte irgendwann nicht mehr, dass diese Zeit je enden würde.

Ich war der festen Überzeugung, dass mich meine Kinder für den Rest unseres Lebens anbrüllen würden. Jeder Tag war so unglaublich belastend, dass ich gar nicht weiter als bis zum nächsten Morgen denken konnte. Wenn man die Erfahrung noch nie gemacht hat, dass das Schreien tatsächlich irgendwann aufhört (und das tut es, glaube mir), dann ist es schwer, nicht zu verzweifeln.

Erst beim dritten Kind hatte ich die Gewissheit, dass ich nicht mehr tun konnte als das, was ich tat. Die Verzweiflung wurde kleiner, aber in vielen Situationen war ich doch angespannt und ängstlich. Ich merkte, dass ich im Kopf die Tage zähle. Nur noch fünf Tage, dann sind wir in Woche sieben, alle Ratgeber sagen, dann wird es besser. Nur noch 10 Tage, dann sind drei Monate um, dann wird es besser. Nur noch 25 Tage, dann sind sechs Monate um, dann hört es bestimmt auf. So rettete ich mich von imaginärer Frist zu imaginärer Frist.

Und immer, wenn das nächste »Datum« bevorstand, war ich ganz euphorisch, weil meine Vorfreude, dass es jetzt besser werden würde, so groß war. Das Loch, in das ich anschließend fiel, weil sich nichts änderte, wurde mit jedem Mal tiefer.

Ich glaube, auch weil die Gesellschaft das Leben mit Kindern, die Babyzeit, so besonders glorifiziert, weil es abgetan wird als etwas, das uns allen total leichtfallen sollte, ist es umso härter für uns, wenn dem nicht so ist.

Wie oft versuchst du, den Schein zu wahren, dass bei dir zuhause alles klappt?

Wenn mich jemand gefragt hat, wie es mir geht, dann habe ich schon von Müdigkeit erzählt und davon, dass ich das alles nicht so gut hinbekomme. Aber meist wurde das abgebügelt als Probleme der Anfangszeit. Wie verzweifelt ich wirklich war, das wussten nur sehr wenige Menschen. Auch, weil ich es gewohnt war, zu funktionieren. Eine gute Mutter beschwert sich nicht, sie findet Lösungen.

Was für ein Blödsinn. Es gibt schließlich nicht die eine Lösung, auch, weil dein Kind kein Problem ist. Such dir Unterstützung!

Was in der Tat ein Problem ist, ist fehlende Unterstützung.

Vielleicht hat dir auch schon jemand gesagt, dass es früher keine viel weinenden Babys gab, dass Mütter früher nicht so ausgebrannt und verzweifelt waren. An der letzten Erkenntnis ist viel Wahres dran, die erste
ist absoluter Blödsinn. Wie ist das bei dir? Hast du andere Menschen um dich herum, die dir dein Baby mal abnehmen, damit du zur Ruhe kommst?

Ich hatte das nicht, es gab nur meinen Mann und mich. Ich fühlte mich wie die furchtbarste Mutter der Welt, weil mir scheinbar nichts gelingen wollte. Weil ich so viel Angst davor hatte, dass mein Kind entweder in der Öffentlichkeit unstillbar weinte und ich es nicht trösten konnte, oder aber dass mich alle für eine unfähige Mutter hielten, ging ich immer seltener raus. Ich limitierte meine Kontakte und kämpfte mich mehr oder weniger allein durch diese Zeit.

Oft wanderte ich nachts mit dem weinenden Baby auf dem Arm durch unsere Wohnung und ließ meinen Tränen freien Lauf.

Ich kam mir vor wie der einsamste Mensch auf der Welt.

Einsam und unfähig, denn andere Kinder weinten nicht so viel wie meine.
Diese Mischung aus negativen Gedanken brachte mich an meine Grenzen. Und dagegen half nur: Reden, mit Menschen, denen ich vertraue.

Du musst das nicht allein schaffen. Du musst vielleicht dein Baby allein versorgen, aber du musst die Last nicht allein tragen. Vertraue dich jemandem an, das ist keine Schande. Und wenn du in deinem Familien- und Bekanntenkreis niemanden findest, dann hol dir fachliche Unterstützung.

Es ist normal, dass du verzweifelst. Dass du an dir zweifelst, vielleicht
auch daran, dass du eine gute Mutter bist. Mit diesen Sorgen bist du nicht allein. Aber lass dir von mir eines sagen: Eine gute Mutter erkennt man nicht daran, dass sie alles mit einem Lächeln hinbekommt, sondern daran, dass sie ehrlich zu sich selbst ist und zu ihren Gefühlen steht. Ein untröstlich weinendes Baby ist eine enorme Belastung. Wenig oder keine Hilfe zu haben, ist traurig und unfair. Um Hilfe zu bitten ist keine Schande. Und an der momentanen Situation zu verzweifeln, ist total nachvollziehbar.

Wichtig ist, dass du auf dich achtgibst und dir Hilfe suchst, bevor dir oder deinem Baby etwas passiert.


Dieser Text stammt aus dem Buch „Wie Du dein Schreibaby beruhigst“ von Andrea Zschocher. Die dreifache Mama ist eine liebe Bloggerkollegin von uns, wir empfehlen ihre Bücher und ihren Blog Runzelfüßchen sehr gerne.

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Schreibaby
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9 comments

  1. Mein mittlerweile 6 Jahre altes Schreikind blieb immer anstrengender und lauter. Eine ADHS steht im Raum. Als Säugling war er völlig überreizt und schrie sich seine Anspannung vom Leib. Jeden Tag und jede Nacht aufs Neue.
    Seine Schwester ist ganz anders. Das war eine große Entlastung zu sehen, dass Dauerstillen, Tragetuch und viel Liebe einen Säugling auch beruhigen und glücklich machen können.

  2. Du kannst mir glauben, dass man alle Instanzen durch hat – ohne Befund. Ja, etwas Medizinisches wäre nett gewesen, weil man dann was hätte machen können. Aber genau solche Kommentare sorgen doch wieder dafür, dass Eltern in dieser Situation dadihresstecke Gefühl gegeben wird, dass ihre Kompetenz und Fürsorge abgesprochen wird. Niemand lässt einfach so sein Baby weinen.

  3. Was hat denn der Kinderarzt gesagt? Wenn ein Baby wirklich wochenlang schreit, würde ich mir schon Sorgen machen, dass gesundheitlich etwas nicht in Ordnung ist.

  4. Hallo, Hut ab, dass die Autorin trotzdem 3 Kinder bekommen hat! Bei mir war mein 2. Kind ein Schreikind, ich sage immer, wenn sie die erste gewesen wäre, dann hätte ich kein 2. bekommen. Ich habe nach der Babyzeit mit unserer Tochter auch tatsächlich den Wunsch nach einem 3. Kind fallen lassen, ich hätte so etwas einfach nicht noch einmal gekonnt! Und dann kamen meist die gleichen Ratschläge, wie bei Kathi, ich solle sie doch mal abgeben und mich um meinen größeren Sohn kümmern von der Schwiegerfamilie… die fuhren aber meine Tochter einfach schreiend im Wagen umher! Statt sie dem „Großen“ damals gerade 2,5 und im besten Tobealter einfach ein paar schöne Stunden gemacht hätten. Nur mein Mann und meine Eltern haben mich verstanden, haben meinem Sohn ne schöne Zeit gemacht bzw. alle Kräfte in die Beruhigung der Kleinen gesteckt, wenn ich Zeit mit meinem Sohn verbrachte. Alles andere blieb fast einfach nur liegen. Wir sind in der Zeit noch umgezogen, da bin ich mit den Kindern zu meinen Eltern und Mutti und ich haben uns um die Kinder gekümmert, während mein Vati, meine Schwiegereltern und mein Mann den Umzug gewuppt haben. Wenn die Kinder in der Nähe waren, dann war an nichts anderes zu denken! Mit 1,5 Jahren war der Spuk ganz plötzlich vorbei, sie ging dann sogar fröhlich in die Kinderkrippe und ich konnte tatsächlich arbeiten. Zu den schlimmsten Zeiten dachte ich, sie könnte nie eine Minute ohne mich sein. Ich war völlig fertig in der Zeit, das schlechte Gewissen meinem Sohn gegenüber fraß mich auf und dann habe ich mir noch ganz fies den Rücken ausgerenkt, da ich auch von der Geburt noch instabil war. Zum Glück ist heute von der schweren Anfangszeit nichts mehr zu spüren, beide Kinder harmonieren gut, sind fröhlich und aufgeweckte Grundschulkinder! Nur manchmal, wenn ich Babybilder meiner Tochter ansehe, spüre ich die unendliche Erschöpfung der Zeit in mir. Das tut mir auch immer total leid, denn von meinem Sohn kenne ich noch soviele süße Geschichten aus seiner Baby- und Kleinkindzeit, die meiner Tochter ist wie in einem bleiernen Nebel verschwommen. Ich muss mir immer richtig Mühe geben positiv meiner Tochter zu erzählen, wie sie als Baby war. Ach ja und seit dieser Zeit gebe ich keiner Babymama mehr irgendwelche Ratschläge, wenn sie mich nicht fragt!

    1. Klaro bespricht man so etwas mit dem Kinderarzt, glaube mir als Mama ging alles durch den Kopf in der Zeit. Unser Kinderarzt zeigte mir nur Statistiken wonach Schreizeiten bei Säuglingen normal seien. Allerdings war er einmal bei einem akuten Schreianfall meiner Tochter auch recht beeindruckt! Bloß ist es tatsächlich so, dass der Arzt echt alles abklärt, es aber keine organische Ursache bei Schreibabys gibt… also kann man den Babys auch nicht wirklich helfen, sie nur begleiten…

  5. Ich hatte auch ein Schreibaby. Wenn mein Sohn anfing zu weinen wusste ich, dass das jetzt 5-6 Stunden so weiter gehen würde und ich nichts würde tun können. Die Schreierei fing schon im KH an. Nur an der Brust war er still. Ich habe das Geschrei damals aufgenommen, um es der KiÄ vorzuspielen. Auch heute, fast 11 Jahre später bekomme ich Schweißausbrüche, und es läuft mir den Rücken runter, wenn ich die Datei anhöre! Das zeigt mir, dass ich es nur verdrängt habe, und es Zack wieder da ist wenn ich es höre.
    Meine 3 folgenden Kinder waren keine Schreibabys, aber auch hier bekam ich beim ersten Weinen jedes Mal einen Schweißausbruch, bis ich merkte dass sie sich durch Hochnehmen beruhigen lassen.

    Allen in so einer Situation wünsche ich viel Kraft und Durchhaltevermögen. Leute die kein Schreibaby haben/hatten können es nicht beurteilen wie es ist und die meisten Tipps und Ratschläge sind für die Füsse.

  6. WOW. Es spricht mir aus der Seele. Das hätte mein Text sein können. Allerdings hat nur mein 1. Kind das Schreien durchgezogen und es nahm erst mit der zunehmenden Mobilität und dem Sprechvermögen ab. Selbst jetzt mit fast 5 ist das Brüllen an der Tagesordnung. Es zerrt an den Kräften. Es hat lange gebraucht (eigtl. erst so richtig, als Nr2 da war), bis ich begriffen habe, dass jedes Kind mit einem Temperament und Charakter auf die Welt kommt und ich NICHT Schuld daran bin, wenn es Stunde um Stunde weint und meine Aufgabe eher darin besteht da zu sein und nicht die, das Kind vom Schreien wegzubringen, wenn die Bedürfnisse soweit gestillt sind. Das sind schon wirklich harte Zeiten und es ist wirklich so: wer das nicht selbst erlebt hat, der wird es niemals nur ansatzweise nachvollziehen können.
    Allen, die in dieser Situation stecke, wünsche ich ganz viel Durchhaltevermögen. Es ist eine unglaubliche Leistung!

  7. so ging es mir mit dem ersten baby. nur leider hatte ich keine menschen um mich denen ich das einfach nur sagen konnte, irgendwann kamen nur tips und unverständnis. und das ich nicht mein baby abgeben wollte ( sie haben es statt zu halten einfach ins bett gelegt zum beispiel) wollte und brauchte ich unterstützung im haushalt und essen bringen, das kam so aber nicht, sondern nur die forderung mein baby abzugeben, was ich aber nicht konnte! es war eine furchtbare zeit und bis heute halte ich es kaum aus wenn die kinder schreien und kreischen ( sie sind jetzt 5 und fast 3), ich komme mittlerweile wieder an den punkt da es zuviel ist ( der große mal wieder seit zwei monaten zu hause dank lockdown und bisher keine aussicht die kleine einzugewöhnen im kiga) und ich bekomme außer von den anderen müttern die in der gleichen situation sind aber dadurch natürlich auch nicht helfen können sondern selbst hilfe brauchen mittlerweile null verständnis im umfeld, ich solle immer nur dankbar sein wieviel mein mann hilft , andere hätten weniger hilfe …… ja danke für nichts, und designer bin ich weniger ausgebrannt oder wie? das schlimmste an der sachenfinde ich, das ich nicht gesehen werde oder gedacht wird eine woche, einen tag helfen reiche doch, die anderen hätten es viel schlimmer, und es läge nur an mir was ich daraus mache. es liegt also alles an mir! ja danke für nichts, danke für keine hilfe. es fühlt sich derzeit an genauso wie damals in der baby zeit. und ja die zeit geht irgendwann vorbei, aber wenn man gerade da drin steckt ist es trotzdem schwer, und einsam. ich wünsche allen baby mamas die so eine zeit durch machen viel kraft, und, ihr seid nicht allein und es liegt nicht an euch !

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