Jacinta Nandi: „Ich bin die schlechteste Hausfrau der Welt“

Schelchte Hausfrau

Foto: pixabay

Ihr Lieben, als meine Mutter neulich vor mir stand und mir erzählte, sie habe bei frauTV einen Bericht über eine Frau aus Prenzlauer Berg gesehen, die ein feministisches Pamphlet gegen Hausarbeit geschrieben hätte, dachte ich erst: WIE BITTE? Denn sie sagte gleich auch den Namen des Buches, das sie verfasst hatte: Die schlechteste Hausfrau der Welt (Affiliate link).

Als meine Mutter dann meinte, sie hätte ihren Freundinnen erzählt, dass sie mir dieses Buch zu Weihnachten schnenken wolle, rieten ihr alle ab. Und das fand ich gut, denn: EY! Was will man mir denn bitte damit sagen?

Am Ende hat sie es mir nicht zu Weihnachten geschenkt, sondern früher. Irgendwie fand sie, ich solle es lesen. Und da ich leider auf den ersten 32 Seiten schon so laut gelacht habe über die Ehrlichkeit von Jacinta Nandi, habe ich gleich ganz viele davon nachbestellt, um sie wiederum meinen Freundinnen als Adventsüberraschung zu überreichen.

Zum Glück hat die Autorin sofort JA gesagt, als wir sie fragten, ob sie uns ein Interview geben würde.

Nandi
Jacinta Nandi: Die schlechteste Hausfrau der Welt (Affiliate link)

Liebe Jacinta, du bezeichnest dich als die schlechteste Hausfrau der Welt. Womit hast du dir diesen Titel verdient?

Ich versuche immer, mein Bestes zu geben, aber es passieren mir immer so viele Desaster und Katastrophen und Pannen und Unfälle. Manchmal denke ich, ich bin verflucht. Waschmaschinen gehen kaputt, Flaschen von Rotwein zerbrechen in der Einkaufstüte. Ich denke, ich bin die schlechteste Hausfrau der Welt, obwohl ich das eigentlich nicht sein will… aber ich kann es halt nicht besser!

Immerhin: Ich finde, dass ich ganz okay kochen kann. Jetzt habe ich eine kleine Wohnung in Lichtenrade für mich und meine Jungs, und ich habe vor, ganz viele Pies zu kochen. Mit Pies sollen wir durch den Lockdown-Winter kommen! Also vielleicht verbessere ich mich doch?

Kannst du verstehen, dass ich etwas pikiert war, als meine eigene Mutter, die Tür an Tür im gleichen Haus mit mir wohnt, mir dein Buch als Geschenk mitgebracht hat?!

Es gibt eine Geschichte in unserer Familie, dass eine Tante einer Nichte das Supernanny-Buch zu Weihnachten geschenkt hat – die Nichte hat sie daraufhin bis Ostern nicht mehr besucht! Ich hoffe natürlich, dass ganz viele Menschen den „schlechten Hausfrauen“ in ihrem Umfeld dieses Buch schenken – aber es eignet sich eben schon auch sehr gut als passiv-aggressives Geschenk.

Es ist schon belastend, das Gefühl zu haben, nicht gut genug, nicht ordentlich genug zu sein. Ich muss einfach lernen, damit klarzukommen, denn egal wie viele Stunden ich am Tag putzen würde – ich würde immer noch manche Leute enttäuschen oder sogar anekeln. Und nicht nur Deutsche.

Meine Stiefmama, die nicht im Buch vorkommt, ist eine sehr ordentliche, saubere Hausfrau. Sie staubsaugt jeden Tag und hat mich mal gefragt: „Wenn man nicht jeden Tag staubsaugt, wie entscheidet man dann, welchen Tag man wegfallen lässt?“ Und ich sagte ihr: „Du wirst überrascht sein, wie leicht es ist, das zu entscheiden!“

Ich habe das Gefühl, ich lasse jeden Tag etwas wegfallen! Meine Mama war auch eine schlechte Hausfrau. Meine Stiefmama bügelt die Bettlaken, aber meine Mama hat entschieden, dass ich mein Schulhemd mit 5 Jahren selbst bügeln soll. Ich habe es natürlich total vermasselt – braune verbrannte Flecken überall. Dann sagte meine Mama: „Oh schade, du bist zu jung, um selbst die Hemden zu bügeln, aber leider zu alt, dass ich das für dich mache, wir müssen einfach die Hemden ganz schnell aufhängen, so dass sie ungebügelt fast gebügelt aussehen. Wir haben keine andere Wahl!“

Du lebst als Engländerin in Deutschland, was kommt dir an uns und unserem Leben am merkwürdigsten vor?

Ich bin gerade umgezogen und die Sache mit den Lampen und Lichtern ist mir so rätselhaft. Zwanzig Jahren bin ich nun hier und verstehe es immer noch nicht. Alle Menschen brauchen doch Licht, oder? Oder gibt es eine Vampir-Community in Deutschland, von der ich nie gehört habe? Lasst doch die Lichter drin in den Wohnungen, wenn ihr umzieht!

In deinem Buch nimmst du kein Blatt vor den Mund. Du nennst dein Söhnchen gern auch mal kleines Arschloch und betonst, dass DU das darfst, weil du ihn liebst wie niemand sonst, dass das aber sonst keiner sagen darf…

Mein Teenager hat neulich die Kapitel gelesen, wo ich ihn mit einem gewalttätigen Ehemann aus einem Ken Loach Film vergleiche, er fand sie sehr lustig, da war ich erleichtert, weil ich dachte, das könnte zu hart gewesen sein. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen, denn er hat sich zum ordentlichste Teenager der Welt entwickelt. 

Dein Buch ist auch ein bisschen ein feministisches Manifest geworden, weil du sagst: NUR, weil ich hier vielleicht gerade zu Hause beim Kind und nicht außerhalb des Hauses erwerbstätig bin, heißt das für meinen Typen noch lange kein sauberes Haus…

Ich habe das Gefühl, dass man nicht über Hausarbeit redet, weil: Wenn man das Thema verschweigt, können wir so tun, als ob wir gleichberechtigt seien. Also redet man nicht drüber: Wie viel machst du, wie viel macht dein Mann? Männer verdienen oft viel besser als Frauen – heißt das dann also zwingend, dass ein Mann Feierabend hat, eine Frau aber nicht? Eine Frau, selbst wenn sie arbeitet, dabei aber weniger verdient als ihr Mann, hat nie Feierabend, und der Mann doch?

Ich erinnere mich noch daran, wie ich einmal sehr krank war und ich gerade eine ganze Woche allein mit dem Baby hinter mir hatte und mein Ex sich aufs Sofa legte, während ich noch putzte. Er war supersauer auf mich, weil da noch Flecken auf dem Boden waren oder so was. Ich erinnere mich, wie ich mich fragte, ob er sich nicht schämt. Sogar, wenn er mehr Geld verdiente, sogar, wenn ich gar kein Geld verdienen würde? Wie kann er denken, dass er Feierabend haben sollte, und ich nie? Ich verstehe das bis heute nicht. 

Für wie unterdrückt hältst du uns Frauen? Und für wie unterdrückt nochmal Hausfrauen im ganz Besonderen?

Manchmal denke ich, dass sich nicht so viel geändert hat seit unseren Mamas, die Hausfrauen waren, oder? Das Einzige, das sich geändert hat, ist, dass man jetzt nicht mehr über Hausarbeit redet und so tut, als ob Männer und Frauen gleichberechtigt sind.

Und manchmal denke ich dann doch wieder, dass sich viel geändert hat – mit den neuen Vätern, die doch Elternzeit nehmen, die doch zum Spielplatz gehen, die doch einsehen, dass Kindererziehung Arbeit ist und dass ihre Beziehungen Team-Arbeit benötigen. Und ich denke mir manchmal, dass ich ein bisschen einen verzerrten Blick habe, da ich mit jemandem zusammen war, der wirklich – ohne es zu realisieren oder bewusst zu wissen – sehr sehr sehr altmodische Ideen hatte.

Aber ich denke, die Zukunft wird den queeren Familien und den Alleinerziehenden gehören. Und ich denke, die Alleinerziehenden müssen sich zusammentun und neue Formen der Familien gründen. Das Jobcenter sollte es zum Beispiel leichter machen, dass zwei Alleinerziehende in eine Mama-WG ziehen können. Damit tun sie sich immer noch manchmal schwer wegen Bedarfsgemeinschaft und so weiter. Aber es sollte normal und normaler sein, dass Frauen zusammen mit anderen Frauen leben und ihre Kinder gleichzeitig großziehen.

Die Wahrheit ist: Kinder zu kriegen und eine Familie zu haben, ist eine Menge Arbeit – aber es ist eine so schöne Arbeit. Wenn man akzeptiert, dass Kindererziehung erschöpfend, chaotisch und auch schmutzig ist, genießt man dieses Leben sehr. Ich zumindest genieße es sehr. Und ich denke, viele Männer genießen es auch, sie sind einfach nicht alle bereit, diese Aufopferung zu bringen, die es aber eben auch braucht. Das finde ich schade für die Frauen, die dadurch alleine die Belastung tragen müssen. Schade für die Kinder, die dadurch eine viel müdere Mama erleben müssen – aber am Traurigsten ist es für die Männer, oder? Sie erziehen ihre Kinder nicht. Die tun mir leid, ehrlich gesagt!

„Niemals wischen“ war der Tipp einer feministischen Freundin auf einem Netzwerktreffen von lauter kreativen Frauen, der sich für immer in mir eingebrannt hat. Sie sagte: „Mädels, wenn ihr in einer Sitzung mit lauter Anzugträgern sitzt und es fällt ein Glas um. Steht NIEMALS auf, um es wegzuputzen. Ihr geratet SOFORT in die Rolle der Putzfrau. TUT es nicht, wenn ihr ernstgenommen werden wollt…“ Ist das nicht krass? Dass sowas überhaupt noch betont werden muss? Und wie ertappt man sich fühlt, weil das leider im Leben immer noch so ist, dass die Frauen rennen, wenn es um solch „niedere“ Arbeiten geht?

Ja, ich denke, deswegen bin ich die schlechteste Hausfrau der Welt – weil ich nicht merke, wenn was umfällt!!!

Ich habe mal gelesen, dass Jane Austen wahrscheinlich deswegen so schlecht buchstabiert – sie war schlimmer als Agatha Christie – damit sie nicht als Governess (Nachhilfelehrerin) arbeiten muss. Und ich frage mich, ob ich nur deswegen so schlecht putze, damit ich nicht putzen muss? Naja, eher denke ich, handelt es sich bei mir um Talentmangel… 

Nun bist du ja eine stolze Missy-Feministin, bist aber trotzdem irgendwie zu Hause in eine Rolle geraten, in der der Herr von dir Ordnung und Sauberkeit erwartet. Du darfst noch den Haushalt machen, während er längst auf der Couch liegt. Was ist da schiefgelaufen? Und hat sich da was verändert, seitdem er dein Buch gelesen hat?

Ich weiß echt nicht, was schiefgegangen ist, aber wir haben uns jetzt getrennt. Nicht direkt wegen dem Buch muss ich sagen!

Du schreibst ja viel über dein Scheitern, darüber, dass es bei anderen immer sauberer und ordentlicher ist (I feel you). Glaubst du, dass es Frauen gibt, die da einfach weniger Talent haben? Oder ist es der fehlende Wille, sich so abzurackern, wenn es doch kein Geld oder irgendwelche Anerkennung dafür gibt?

Ich meine, ich bin auch sehr schlecht im Korrekturlesen. Wenn ich meine eigenen Texte Korrektur lesen, kann ich die Worte nicht mehr lesen. Ich denke, diese Unfähigkeit, auf Details zu achten, macht mich zu einer untalentierten Hausfrau.

Ich höre auch nicht zu, wenn jemand mir erklärt, wo es lang geht, ich gucke nur die Hände an und dann gehe ich los, in irgendeine Richtung!

In deinem Buch schreibst du: „Mit Hausarbeit kann man als Frau nie gewinnen. Macht man sie nicht, ist man eine Schlampe. Macht man sie doch, ist man eine dumme Schlampe, die sich ausbeuten lässt.“ Wie kommen wir da also wieder raus? Was möchtest du uns wütenden Frauen Ermutigendes entgegenrufen? 

Man muss – oder Frau muss – gleichzeitig akzeptieren, dass es scheiße ist, und es gleichzeitg einfach machen. Es ist so deprimierend, aber es geht nicht anders. Ich glaube nicht, dass Frauen versuchen sollten, ihre Männer zu überreden, mehr mitzumachen. Ich denke, viele Männer sollten lieber darüber nachdenken, warum sie sich nicht als Team mit ihrer Partnerin sehen.  

Und ansonsten? Kauft gern alle mein Buch als Weihnachtsgeschenk, dann werde ich Millionärin und kann mir diese Robotor-Staubsauger kaufen! Oder vielleicht einen echten Roboter? Wie viel würde so was kosten? Geht doch!

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1 comment

  1. Hy , erstmal muss ich sagen : der Beitrag spricht mir total aus der Seele !
    Im Moment vergessen ich ständig wo Dinge liegen,oder ich hasse mich dafür weil 4 Körbe mit Wäsche rumstehen ..oder ich wirklich mit dem Schlüssel in meinem Wickelrucksack meinen Mann angerufen habe das ich ihn nicht finde, er war sauer ich gab mich als Versager gefühlt.

    Das Buch kommt auf meinen Wunschzettel .

    Liebe Grüße Christina mit Malie 1 und Yuna 4

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