„Die Migräne bremst mich aus und lehrt mich Achtsamkeit“

Migräne

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Ihr Lieben, Caroline ist 39 Jahre, in Frankreich geboren und in Deutschland aufgewachsen. Sie ist Architektin von Beruf, im Öffentlichen Dienst tätig, verheiratet mit einem IT-ler und hat mit ihm zwei kleine Jungs im Alter von sieben und fast fünf Jahren. Durch ihre Migräneschübe fühlt sie sich in gewisser Weise ausgebremst im Leben…

Liebe Caroline, du hast Migräne, kannst du sagen, wann es damit losging?

Kopfschmerzen kenne ich bei mir seit ich Teenie war, aus der Zeit wo es mit der Periode losging… auch gerne bei typischem NRW-Wetter, wenn´s richtig grau ist. Zur Migräne wurde es, als ich nach der Geburt meines zweiten Sohnes direkt nach einem Jahr wieder arbeiten gegangen bin.

Erst wusste ich nicht damit umzugehen, wochenlange Schübe zermürbten mich, hätten mich fast die neue Stelle gekostet aufgrund der Fehltage. Von der Diagnose bei einem Neurologen, mit Abklärung mittels MRT über die richtige Einstellung der Medikamente bis hin zum Westdeutschen Kopfschmerzzentrum der Uni Essen, wo ich endlich richtig über die Erkrankung aufgeklärt wurde bis zu Foren auf Instagram, war es ein Weg von bisher vier Jahren.

Wie viele Schübe hast du heute ungefähr pro Monat – und wie lange dauern sie an? Führst du darüber auch so eine Art Tagebuch?

Die Anzahl an Schüben ist sehr unterschiedlich, stabil empfinde ich mich, wenn ich ein- bis dreimal im Monat, meist in Verbindung mit der Periode oder Hormonen einen Migräneanfall habe. Aktuell habe ich grade eine Phase mit acht Schmerztagen hintereinander gehabt, das kommt leider auch vor.

Ich tracke meine Schmerztage und die jeweilige Medikation mittlerweile mit der Health-APP in meinem IPhone. Da ich gelernt habe, das einer meiner sogenannten Trigger meine Hormone sind, habe ich sehr schnell begonnen, meinen Zyklus zu tracken, da ich bei Migräne in diesem Fall auf andere Schmerzmittel zugreifen kann, die bei mir dann besser/schneller wirken. Dort kann man Symptome eintragen sowie auch die Migräneanfälle. Meine Medikation tracke ich aktuell nachlässiger, da ich meist schon weiß, wann ich was genommen habe.

Wie äußert sich die Migräne bei dir, also mir welchen Symptomen?

Die Schmerzen und das Aushalten bis Medikamente wirken schwächen mich, machen mich schlapp. Ich bin licht- und geräuschempfindlich, dünnhäutig. Anfangs, als ich den Umgang mit den Medikamenten und den Zeitpunkt der Einnahme erst lernen musste, übergab ich mich viel vor Schmerz und Übelkeit, was allergische Reaktionen auslöste wie Schwellen der Luftröhre und Ausschlag.

Die Notaufnahme war dann die einzige Möglichkeit. Einmal hatte ich bisher vor Schmerzen, als die Medikation lange keine Wirkung zeigte, eine Panikattacke. Das war eine Art Verzweiflung… ich rief meine Mutter an, die Gott sei Dank schnell da war, das hat mir Ruhe zurückgegeben und dann setzte endlich die Wirkung ein.

Leider ist danach noch nicht alles tutti. Solche Odysseen können mich sehr kraftlos und schlapp zurücklassen, unter Umständen brauche ich mehrere Tage, um mich davon zu erholen.

Bist du in Behandlung, was habt ihr da schon alles ausprobiert?

Der Neurologe bei uns im Ort, hat die Diagnose gestellt, aber ich wurde nicht richtig aufgeklärt, noch Möglichkeiten der Behandlung aufgezeigt. Heute bin ich dankbar, dass ich da um die Ecke meine Medikamente verschrieben bekomme, mehr nicht.

Meine absolute Rettung war das Kopfschmerzzentrum der Uni Essen! Ja, ich musste ein halbes Jahr auf den Termin warten, aber danach war mein Weg mit der Migräne ein anderer. Ich wurde umfassend aufgeklärt über diese neurologische Reizverarbeitungsstörung, wie man Migräne auch bezeichnen kann. Keine meiner Fragen blieb offen, von möglicher Prophylaxe über den möglichen Verlauf, Therapien. Mir wurde einfach das ganze Spektrum der aktuellen Möglichkeiten erklärt.

Seitdem habe ich zwei verschiedene Medikamente, ein Triptan (Gruppe spezieller Schmerzmittel für Migräne) und ein anderes Schmerzmittel, welches ich je nach Ursache (z.B. Hormone) und Symptomen kombiniere. Ich kann mittlerweile den Unterschied spüren, also ob es sofort der Hammer sein muss, oder ein normales Schmerzmittel ausreicht… das erfordert viel Geduld, Tracken und auch Einsehen, dass man sich manchmal „verspürt“.

Außerdem wurde mir im Kopfschmerzzentrum das große Feld der Trigger aufgezeigt, also was die Migräne auslösen kann. Denn „die Migräne“ liebt nichts mehr als Regelmäßigkeit. Sprich Mahlzeiten nicht auslassen und nicht zu ausschweifend sein (fiel mir anfangs nicht so leicht).

Seitdem achte ich auf zwei- bis dreimal wöchentlich 30 Minuten Ausdauersport, bei mir je nach Möglichkeit mit den Kindern Hometrainer oder mein Favorit raus in die Natur und laufen, erwiesenermaßen senkt das die Anzahl an Anfällen.

Du sagst, als berufstätige Mutter bringt Migräne auch viel Trauer mit sich, du fühlst dich ausgebremst…

Wer mich kennt, nennt mich optimistisch, lebensfroh, offen. Die Migräne nahm mir davon erstmal etwas. Dieses permanente Ausgebremstwerden, nicht leistungsfähig sein, das setzt einem zu. Ständig muss man absagen, auch kurzfristig, sich entschuldigen. Man fühlt sich total unzuverlässig. Ich als hilfsbereiter Typ, neben dem Job im Elternrat, Förderverein und sonst wo aktiv litt darunter sehr.

Das erste Mal richtig schockiert und traurig war ich, als ich wegen der vielen Fehltage durch Migräne und die Krankentage der Kinder (damals beide noch in der Kita) fast noch vor Ende der Probezeit gekündigt worden wäre. Meiner damaligen Teamchefin verdanke ich, dass Sie sich über die standardmäßige Empfehlung der Personalabteilung hinwegsetzte und mich unbefristet einstellte, denn „wenn du da bist, machst du einen super Job“.

Den Kindern gegenüber wurde ich schnell laut. Bat um Verständnis und Rücksicht, wo sie doch gar nicht dazu fähig waren. Das führte dazu, das ich schnell laut wurde, danach kamen sofort die Schuldgefühle sie angeschrien zu haben. Oder die Schuldgefühle, wenn den Tag nach der Kita nur noch der TV lief, damit ich Ruhe hatte.

Welche Wege findest du, damit umzugehen?

Ich habe ein Jahr nachdem das mit der Migräne losging, eine Therapie gemacht. Das viele Schreien, die Überforderung waren damals der Auslöser, ich wollte so auf keinen Fall weiter mit meinen Kindern umgehen. Auch mein Mann sagte eines Tages sowas wie: „Schatz, wenn du dir keine Hilfe holst, geht hier noch was kaputt.“ Das wollte ich nicht. Alles in mir wollte Hilfe!

Gott sei Dank fand ich trotz Pandemie bei mir um die Ecke einen Therapieplatz bei einer tollen Therapeutin. Dort habe ich gelernt, dass ich nicht/nie gelernt hatte, Grenzen zu setzten, auf mich achtzugeben. Hätte mir das jemand zuvor gesagt, ich hätte das Gegenteil behauptet. (Als 10jährige hatte einer meiner Brüder einen schweren Unfall, mit jahrelangem Krankenhausaufenthalt. Viel zu lange lief ich funktionierend so mit. Als Mutter brach mir dieses Funktionieren wollen, Alles-allein-schaffen- müssen/wollen das Genick)

Seitdem bin ich auf dem Weg zu lernen, immer besser auf mich aufzupassen. Meine Ressourcen einzuschätzen, zum Beispiel: Was kann ich in Punkto Nachmittagsprogramm/Hobbies der Kinder leisten mit einer 80-Prozent-Stelle, damit ich selbst auch meine Erholung bekomme, den Haushalt etc. wuppen kann und stabil bleibe. Davor habe ich alles möglich gemacht und bin selbst dabei kaputtgegangen.

Ich habe dieses Jahr bis auf eins alle Ehrenämter abgegeben und werde nächstes Jahr die zwei übrigen Jahre Elternzeit nehmen, die mir für meinen kleinen Sohn noch zustehen. Da es meinem Mann und mir wirtschaftlich jetzt möglich ist, haben wir entschieden, meiner Gesundheit und Erholung diesen Raum zu geben. Ich danke meinem Mann, dass er es vorgeschlagen hat. Er war in diesen Jahren immer geduldig, verständnisvoll, mit-lernend und ohne Verurteilungen mit viel Raum für meine eigenen Erkenntnisse, wo was weniger werden könnte für mich.

Siehst du die Migräne als eine Art Schicksalsschlag an? Was würdest du dafür tun, sie endlich loszuwerden?

Ich glaube nicht an Schicksal, jeder hat sein Päckchen zu tragen und da fühle ich mich nicht mehr gebeutelt als andere. Daher nehme ich jeden Tag wie er kommt, bin dankbar für alles Gute, versuche mich den Herausforderungen zu stellen (manchmal bedeutet das auch viel liegen auf der Couch ;-)) und versuche mit viel Achtsamkeit und Selbstfürsorge meinen Weg mit der Migräne zu gehen, sie ist ein Teil von mir. Ohne „sie“, hätte ich vielleicht noch Jahre gebraucht, um den Weg zu mir zu finden.

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3 comments

  1. Ich fühle mit. Vor den Kindern hatte ich einmal im Vierteljahr vielleicht kurze Attacken, aber nach dem Abstillen von K2 ging es heftig los, Attacken über 24 Stunden und die ganze Zeit Erbrechen und das gefühlt immer immer häufiger und länger. Ich habe es mittlerweile gut im Griff. Entgegen aller Empfehlungen nehme ich eine Östrogenhaltige Pille durch (reine Gestagene vertrage ich nicht), mache max. 2x/Jahr Pause, habe dadurch kaum zyklusbedingte Anfälle. Merke ich, dass was kommt, nehme ich sofort ein Triptan plus Schmerzmittel. Trigger (Alkohol v.a. Wein, zu lange Schlafen 🙁 …) vermeide ich. So schränkt sie mich kaum mehr ein.

  2. Ich kenne diese heftigen Migräneattacken leider auch. Mich hat die Nutzung einer Hormonspirale stabilisiert und wirklich zu merken, wann meine Energie zu sehr herunter geht, ebenso habe ich heraus gefunden, dass ich eine Brille brauche. Ich hatte diese Attacken immer am Ende der Woche, wenn alles zu viel war!

  3. Liebe Caroline,
    auch ich litt jahrlange unter heftiger Migräne, ich fand aber heraus dass es an meiner Ernährung lag. es dauerte so so viele Jahre bis ich von alleine den endgültigen Trigger hatte, es waren die Kuhmilchprodukte. Es kommt nur sehr sehr selten vor aber bei wenigen Menschen lösen genau diese Eiweiße eine heftige Attacke aus. Ich rate dir, versuche an der Ernährung nochmal zu schauen wo es eventuell Trigger Punkte geben könnte. LG Susanne

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