Seltsames Gefühl – wenn die Mutter sich nach dem Tod des Vaters schnell wieder verliebt

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Ihr Lieben, wenn die Mutter einen neuen Partner hat, ist das für die Kinder immer komisch – und dabei spielt das Alter der Kinder kaum eine Rolle. Auch als Erwachsene kann es sich sehr seltsam anfühlen, wenn die eigene Mutter plötzlich turtelt wie ein Teenager. Unsere Leserin Tanja hat genau das erlebt. Ihre Mama hat einen neuen Partner, der so ganz anders ist als ihr Vater es war… Über diese zwiegespaltene Gefühle haben wir mit ihr gesprochen.

Liebe Tanja, vor fünf Jahren ist dein Vater an einem Hirnturmor verstorben. Wie war euer Verhältnis, was hat er dir bedeutet?

Unser Verhältnis war immer sehr gut. Er hat mit viel bedeutet, da er sehr gelassen und ganz nach dem „Kölschen Grundgesetzt“ gelebt hat. Mein Vater war einfach eine rheinische Frohnatur und nicht so streng wie unsere Mutter ;). Außerdem konnten wir uns alle auf ihn verlassen und er hat uns jederzeit unterstützt, bei allem was wir machen wollten. Vielleicht erzähle ich aber noch kurz etwas über unsere Familie. Wir sind drei Töchter, duften behütet bei unseren Eltern aufwachsen und hatten ein schönes Haus mit Garten. Wir liebten es im Sommer zu campen und im Winter Ski zu fahren.

Mein Vater war immer selbständig tätig und „ein Macher“. Meine Mutter wurde von ihm so gut es ging unterstützt. Sie bekam meine ältere Schwester bereits während des Lehramtsstudiums und mit mir im Bauch absolvierte sie nun das 2. Staatsexamen. Erneute drei Jahre später kam meine jüngere Schwester zur Welt und meine Mutter blieb erst einmal für uns zu Hause. Mein Vater arbeitete viel und gerne. Das war für ihn selbstverständlich. Die freie Zeit verbrachte er mit seiner Familie. Wir haben ihm alle viel zu verdanken. Er brachte uns Schwimmen, Radfahren, surfen und Skifahren bei und das machte ihm immer eine riesige Freude mit uns.

Kurz vor seiner Diagnose im Frühjahr 2016 fragten wir Töchter (damals 28, 25, 22 Jahre) ihn, ob er sich vorstellen könne, noch einmal mit uns einen Skiurlaub zu machen. Meine Mama konnte und wollte leider aufgrund ihres Bandscheibenvorfalls nicht mehr mit. Er hat nicht lange überlegt und zugesagt. Wie oft sagen wir heute noch, dass es so gut war, dass wir das noch gemacht haben. Denn am Tag der Diagnose veränderte sich unser Leben komplett. Nach der OP am Gehirn war er halbseitig gelähmt und ein Pflegefall.

Wir mussten neben seiner Pflege auch auf einmal sein Geschäft übernehmen und zudem unser Studium, Ausbildung und Job „schmeißen“. Das hat uns alle oft an die physischen und psychischen Grenzen gebracht. Aber wir haben es geschafft!!! Unser Vater konnte vor ziemlich genau 5 Jahren friedlich im Beisein der Familie einschlafen.

Wie bist du mit seinem Tod anfangs umgegangen? 

Als er abends starb, waren meine Mama und ich noch bei ihm. Wir hatten uns am Ende für ein Pflegeheim in Wohnortnähe entschieden, das ihn wunderbar betreute. Dort angekommen ging es dann plötzlich ganz schnell. Wir konnten uns aber alle noch von ihm verabschieden. 

Die Tage danach war ich erst einmal wie in einer Blase. Viele Menschen kondolierten uns über verschiedenste Wege. Mein Vater war einfach ein geselliger Typ und „man kannte ihn“. Wir stürzten uns in die Vorbereitungen der Beerdigung. Viele Dinge hatte mein Vater sich vorab schon gewünscht, daher ging es dann recht unkompliziert voran.

Mein Vater starb in einem warmen Sommertag und auch die Beerdigung fand bei strahlendem Sonnenschein in einem kleinen Friedwald statt. Auch wenn es merkwürdig ist, dies so zu sagen: Aber es war wirklich schön! Es kamen sehr viele Menschen, die ihn beruflich und /oder privat auf seinem Lebensweg begleitet haben.

Danach kehrte so langsam Ruhe ein. Aber für mich ging dann die Trauer erst so richtig los. Ich hatte das Gefühl, mir hat jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Plötzlich war mein geliebter Vater nicht mehr da. Ich litt schon sehr darunter. Zudem hatte ich das Gefühl, dass meine Familie irgendwie „einfach weitermachte“ als wär nichts gewesen. Damit konnte ich überhaupt nicht gut umgehen. Auch wenn ich eigentlich wusste, dass jeder auf seine Art trauern kann.

Ich suchte mir dann doch nach ein paar Monaten eine Psychotherapeutin und die unterstütze mich sehr. Die wöchentlichen Sitzungen taten mir unglaublich gut. In dieser Zeit lebte ich alleine und habe mich auch etwas in den Sport gestürzt. Ich besuchte anfangs aber auch noch sehr viel „seinen Baum“ und hatte viele Bilder von ihm in meiner Wohnung. Es liefen öfter noch Tränen und ich erinnerte mich viel aber auch gerne an die gemeinsame Zeit. 

Deine Mutter war dann Witwe. Wie hat sie den Verlust des Mannes überwunden? 

Ja, meine Mutter war nun mit 57 Jahren Witwe. Für sie tat es mir unglaublich leid. Sie hatte kurz vor der Diagnose meines Vaters aufgehört zu arbeiten und sie wollte eigentlich, dass mein Vater (4 Jahre älter) auch nicht mehr lange so viel arbeitet und sie dann lieber mehr auf Reisen gehen. Doch es kam ja alles anders.

Ich kann es gar nicht so genau sagen, wie sie es überwunden hat. Aber sie hatte sich kurz vor seinem Tod das erste Mal in seinem Leben einen Welpen geholt und damit hatte sie viel Beschäftigung und zugleich Ablenkung. Viele Freunde waren für sie da und sind es teilweise auch noch heute. Die gute Nachbarschaft war auch ein großer Anker in dieser schweren Zeit. 

Nach kurzer Zeit – ich glaube es waren keine 2 Monate nach Papas Tod, hat sie mir erzählt, dass sie sich bei einer Partnerbörse angemeldet hat. Ich konnte sie auf der einen Seite total verstehen und gleichzeitig traf es mich wie ein Schlag in den Magen. Viele, die das jetzt lesen, denken vermutlich das gleiche wie ich damals: Wie kann das denn sein? Trauert sie denn gar nicht?

Sie hat doch gerade erst nach ziemlich genau 30 Jahren Ehe ihren Mann verloren! Doch mir sagte mal jemand: Weißt du, deine Mama hat seinen Vater vielleicht schon viel früher „verloren“ als Du jetzt denkst. Er war ja nicht mehr der Ehemann, wie vorher. Physisch sowie psychisch nicht mehr. Und da hatte sie vermutlich recht.

Und tatsächlich hat sie 3 Monate später einen neuen Mann kennen gelernt. Wie hast du davon erfahren?

Sie hat darum kein Geheimnis gemacht und es uns Töchtern in dieser Zeit erzählt. Ich konnte damit nur leider überhaupt nicht gut umgehen.

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Wie war denn deine Reaktion darauf?

So ganz genau kann ich das gar nicht mehr sagen. Ich habe vermutlich zunächst sehr verständnisvoll reagiert. Aber als es dann immer intensiver wurde und meine Mutter manchmal wie ein verliebter Teenie auf mich wirkte, habe ich ihr irgendwann sagen müssen, dass sie mir erst einmal nichts mehr über ihre neue Beziehung erzählen solle. Ich konnte es einfach noch nicht. Für mich war es auf jeden Fall zu früh. Ich habe mit meiner jüngeren Schwester viel darüber geredet. Sie ist viel direkter und oftmals taffer als ich. Sie konnte damit ganz gut umgehen und meiner Mama aber auch besser Grenzen setzen als ich. 

Wir haben ihn dann aber auch schon nach ca. 2 Monaten kennen gelernt. Es war für mich sehr schwierig. Und leider ist es das für mich auch heute noch. Er ist, auch durch einen anderen kulturellen Hintergrund, so anders als mein Vater!

Wie hat sich deine Mama durch die neue Beziehung verändert? Und wie eure Familie?

Sie ist auf der einen Seite irgendwie auch moderner geworden. Geht wieder Tanzen, unternimmt viel und verreist gerne. Auf der anderen Seite habe ich oft das Gefühl, dass sie einfach alles dafür macht, dass diese Beziehung hält. Natürlich möchte man das ja bestenfalls auch selber. Aber ich meine damit, dass sie Dinge macht, die sie für meinen Vater niemals gemacht hätte. Und diese Veränderung ist für mich einfach leider oftmals immer noch fremd.

Meine beiden Schwestern konnten und können damit besser umgehen. Meine ältere Schwester ist jedoch auch seltener hier. Sie wohnt etwas weiter weg oder ist beruflich auch manchmal für Jahre im Ausland. Ich war schon immer ein Familienmensch und bin meiner Heimat treu geblieben. Meine jüngere Schwester wohnt auch nicht weit von unserem Elternhaus weg und sieht meine Mama viel mehr als ich. Ich finde das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter nicht mehr so herzlich und intensiv wie es mal war. Aber eher bedingt durch mich.

Wir drei Töchter sind in den letzten drei Jahren jeweils jeder einmal Mutter geworden und unsere Mutter geht in der Oma-Rolle schon auf. Wir wissen auch alle, dass wir uns auf sie verlassen können und wenn mal etwas ist, ist sie auch auf jeden Fall für uns da. Andersherum auch!

Kommst du mit dem neuen Partner mittlerweile klar?

Ich habe es ja bereits schon etwas angedeutet, dass es für mich leider immer noch nicht so einfach ist. Ich sehe ihn zugegebenermaßen aber auch nicht sehr oft, da sie nicht zusammen leben. Wenn wir uns sehen gibt es meist einen Smalltalk, aber mehr nicht.

Als meine Mutter nach der Scheidung wieder einen neuen Partner hatte, war ich froh, weil ich nicht wollte, dass sie alleine alt wird. Ging es dir auch so?

„Jein!“ Auf der einen Seite natürlich schon, da meine Mama ja (hoffentlich) noch viele Jahre auf dieser Welt ist und auch nicht einsam sein soll. Auf der anderen Seite ging es mir wie gesagt einfach zu schnell nach Papas Tod. Zudem habe ich mir eher einen anderen Typ Mann als Partner an ihrer Seite vorgestellt. Aber jeder hat ja hier glücklicherweise das Recht es selbst zu entscheiden. Und ich möchte auch eigentlich überhaupt nicht so egoistisch rüberkommen. Ich bin und war in meinem Leben eigentlich immer genau das Gegenteil. Aber eben das „Sensibelchen“ – wie mein Vater mich gerne mal nannte!

Was meinst du, warum es für Kinder – egal wie alt sie sind – komisch, wenn ein Elternteil sich neu verliebt?

Ich denke, dass es ein Stück weit auch die eigenen Wurzeln „entzweit“. Und plötzlich kommt eine oftmals fremde Person dazwischen und es fühlt sich so an, als würde einem etwas genommen. Auch die eigenen Eltern „neu verliebt“ zu sehen, ist vermutlich für viele Kinder eine neue und eigenartige Situation. Ich glaube – egal in welchem Alter- hinterlässt es Spuren. Mal mehr oder weniger tief. 

Wie präsent ist dein Papa heute noch in eurem Alltag?

Schon noch sehr. Auch wenn es bestimmt weniger geworden ist, denke ich noch viel und gerne an ihn zurück. Es kann ein Lied im Radio sein, eine Szene im Film oder einfach in Gedankensein, dass mir Tränen in die Augen schießen. So auch gerade! Aber es gibt so unglaublich viele schöne Erinnerungen, von denen ich oft und gerne meinem Partner erzähle, der ihn leider nie kennen lernen konnte. Mein einjähriger Sohn wird morgen getauft und hat seit Geburt den Namen meines Vaters als Zweitnamen. Wie sein großer Cousin. Also er ist dadurch doch sehr präsent in unserer Familie!

Was ich jedoch besonders schade finde und mich manchmal sehr traurig stimmt, ist, dass es bereits besondere Situationen gab und vermutlich noch geben wird, bei dem er nicht so dabei ist, wie ich es mir von Kind an gewünscht habe. Er konnte leider kein Opa mehr werden und er hat nur noch eine Hochzeit von seinen Töchtern miterleben können. Wenn ich mal heirate, wird er mir vermutlich dort auch sehr fehlen. Und trotzdem weiß ich ganz genau, dass er irgendwo ist und auf uns aufpasst. Ich vermisse ihn so sehr! 

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2 comments

  1. Eine schwierige Situation. Aber “ Kinder“ fragen doch bei der Partnerwahl auch nicht die Eltern warum sollte das umgekehrt so sein? Und eine Ehe besteht immer zwischen 2 Erwachsenen, da hat sich der Rest der Familie nicht einzumischen. Auch wenn diese Erwachsenen Eltern sind. Auch Eltern haben das Recht auf ein eigenes Leben und bleiben trotzdem die Eltern.

  2. Ich kann Tanja so sehr nachfühlen! Bis auf wenige Details habe ich so ziemlich das selbe erlebt und komme überhaupt nicht damit klar.

    Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied: Wir drei Kinder, die gerade den Tod unserer Mutter verschmerzen mussten, sahen uns damit konfrontiert, dass unser Vater bereits wenige Wochen nach deren Tod wie selbstverständlich mit einer Frau Reisen plante und offen zusammen war, von der sich herausstellte, dass sie bereits seit 40 (!!!) Jahren einen Platz in seinem Leben hatte.
    Diese Erkenntnis hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen und wir fühlten uns betrogen um sehr vieles.
    Keiner von uns hat inzwischen noch ein gutes Verhältnis zu unserem Vater, meine beiden Geschwister, die nicht in der Nähe wohnen, haben den Kontakt sogar gänzlich abgebrochen.
    Damit haben wir mit dem Tod unserer Mutter quasi beide Eltern gleichzeitig verloren, das tut einfach sehr weh.
    Liebe Tanja, ich verstehe dich so gut! Vielleicht kann es dich etwas trösten, dass deine Mutter deinem Vater zumindest zu seinen Lebzeiten sehr loyal zur Seite stand.

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