Raus aus der Erschöpfung! Interview über Mutter-Kind-Kuren

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Ihr Lieben, jeder von uns kennt harte Tage. Jeder von uns weiß, wie es ist an seine Grenzen zu kommen. Doch was, wenn die Woche fast nur noch aus harten Tagen besteht, wenn man nicht mehr schlafen kann, Schmerzen hat, kurz vor dem Burn-Out steht? Wenn sich das Leben anfühlt, als sei man in einem Hamsterrad gefangen? Dann gibt es die wunderbare Möglichkeit, eine Mutter-Kind-Kur zu beantragen. An wen sich dieses Angebot richtet, was man genau in so einer Kur macht und wie man sie bewilligt bekommt, erzählt Anne Schilling, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerkes.

Was genau ist das Müttergenesungswerk?

Wir sind eine gemeinnützige Stiftung, die 1950 von Elly Heuss-Knapp, einer Sozialpolitikerin und Frau des ersten Bundespräsidenten, gegründet wurde. Sie hat sich schon immer für Frauenrechte eingesetzt und wollte erreichen, dass Mütter einen Anspruch auf Kur haben. Unter dem Dach des Müttergenesungswerkes arbeiten fünf Wohlfahrtsverbände zusammen, die bundesweit etwa 1300 Beratungsstellen für Kurberatung. Im Jahr beraten sie ca. 130000 Frauen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen, rund 50.000 machen dann eine Kurmaßnahme.

Wie werden Mütter beraten und welche Beschwerden haben die Frauen?

Wir fragen die Mütter natürlich danach, wie es ihnen geht. In welchen Lebensumständen sie sich befinden, welche Beschwerden und Belastungen sie haben. Am Häufigsten geben die Frauen an, unter Zeitdruck, mangelnder Anerkennung, dem Druck der Vereinbarkeit, finanzieller Belastung und Partnerschaftsproblemen zu leiden. Je nach Lebenssituation wählen die Beratungsstellen gemeinsam mit den Frauen die richtige Klinik aus. Die vom Müttergenesungswerk anerkannten Kliniken arbeiten nach einem gemeinsamen Qualitätsprofil: Wir haben einen ganzheitlichen und mütterspezifischen Ansatz, behandeln also nicht nur einzelne Symptome, sondern die ganze Frau.

Welche Frauen kommen zu Ihnen?

90 Prozent sind zwischen 25 Und 45 Jahren alt und sind in der aktiven Mutterrolle. 86 Prozent von ihnen haben Erschöpfungszustände bis zum Burn-out mit Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, 39 Prozent haben Muskel-oder Gelenkerkrankungen wie Rückenschmerzen, aber auch Frauen mit Allergien, Über-oder Untergewicht. Außerdem Frauen mit kranken oder behinderten Kindern.

Wer hat überhaupt Anspruch auf eine Kur?

Jede Mutter mit Kindern unter 18 Jahren im Haushalt hat alle vier Jahre Anspruch auf eine dreiwöchige Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme (Kur), wenn ein Arzt/Ärztin dies attestiert. Diese drei Wochen werden bei berufstätigen Müttern nicht vom Urlaub abgezogen, sondern sind eine medizinische Maßnahme wie ein Krankenhausaufenthalt. Frauen mit behinderten Kindern haben auch nach deren 18. Lebensjahr Anspruch auf eine Kur. Und auch wichtig: Der Chef auf der Arbeit kann sich nicht gegen eine Kur stellen, sondern muss die Frau dafür freistellen.

Wie stelle ich einen Antrag?

Die Beratungsstellen helfen Müttern beim Antragsstellen, Kliniksuche, Vorbereitung, evtl. mit Spendenmitteln. Der erste Schritt ist ein Gang zum Hausarzt, der ein Attest ausstellen muss, dass die Mutter eine Kur benötigt. Die Krankenkasse muss dann den Antrag genehmigen. In den letzten Jahren haben wir erreicht, dass 87 Prozent der Anträge genehmigt werden. Wird ein Antrag abgelehnt, helfen die Beratungsstellen , Widerspruch gegen die Entscheidung einzulegen.

Welche Angebote gibt es in der Kur?

Zu Beginn gibt es eine ärztliche Untersuchung und ein sozialtherapeutisches Gespräch. Danach wird ein individueller Therapieplan ausgearbeitet. Die Angebote von medizinischen Bädern, Nordic Walking, Rückengymnastik, über Vorträge zum Thema Kochen oder ADHS bei Kindern bis hin zu therapeutischen Gruppen und Einzelgesprächen. Ziel ist es, dass die Frauen wieder was für sich selbst tun, an ihrer Gesundheit arbeiten.

Wie wird entschieden, in welche Einrichtung die Familie kommt?

Das hängt in erster Linie von der medizinischen Indikation ab. Dann sind die eigenen Bedürfnisse und Wünsche wichtig, je nach Krankheits- und Lebenssituation. Es gibt Häuser mit Schwerpunkt für Frauen, die Trauerarbeit zu bewältigen haben, für Frauen mit Migrationshintergrund, für Frauen mit Kleinstkindern, für Frauen mit behinderten Kindern oder für Frauen nach einer Krebserkrankung. Die Krankenkasse entscheidet, aber mit dem Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten sollte die Frau ihren Wunsch mit dem Antrag formulieren.

Und wo sind die Kinder, wenn die Mütter Therapietermine haben?

In jeder Klinik gibt es qualifizierte Kinderbetreuung. Wünscht sich eine Mutter wieder mehr Zeit für sich selbst, muss sie eine Klinik mit einem großen Betreuungsumfang aussuchen. Möchte eine Frau wieder mehr Zeit mit den Kindern verbringen, gibt es Kliniken mit speziellen Konzepten. Alle Kliniken bieten Mutter-Kind-Interaktion, gemeinsame Angebote für Mutter und Kind, die die Bindung stärken sollen. Da wird dann gemeinsam gebastelt, es gibt Ausflüge oder Baby-Massage.

Was kostet so eine Kur?

Die Krankenhasse übernimmt die Kosten. Allerdings müssen die Frauen 10 Euro am Tag dazuzahlen, außerdem einen Teil der Reisekosten übernehmen. Und vor Ort braucht man etwas Taschengeld, beispielsweise für ein Eis während eines Ausfluges. Sind die Mütter bedürftig, also zum Beispiel Harzt 4 Empfängerinnen, können über die Beratungsstellen ggf. Spendengelder des Müttergenesungswerkes eingesetzt werden.

Warum sollten Mütter eine Kur machen?

Mutter sein ist ein 24 Stunden Job. Mütter wollen immer alles perfekt machen und vergessen dabei oft ihre eigenen Bedürfnisse und werden krank. Oder eine Frau muss oder will auch arbeiten und diese Doppelbelastung hat Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung und ihre Gesundheit. Ziel ist, es drei Wochen aus dem Alltag herauszukommen, mit Hilfe von Experten einen Blick von außen auf das eigene Leben zu bekommen und Strategien zu erarbeiten, Verbesserungen in den Alltag zu Hause zu bekommen.

Viele Mütter haben Hemmungen, eine Kur zu beantragen.

Ja, leider. Das zeigt vielleicht, dass die Arbeit und die Belastungen von Müttern immer noch zu wenig Wertschätzung erfahren. Das Müttergenesungswerk setzt sich deshalb nachdrücklich für Information und Aufklärung ein. Eine Kurmaßnahme ist kein Urlaub. 

Vielen Dank für das tolle Interview!

PS: Wer jetzt ins Nachdenken gekommen ist, kann hier einen Online-Test machen, ob eine Kur für die eigene Gesundheit sinnvoll wäre

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11 comments

  1. Kann nur positives berichten
    Ich war jetzt mit meiner Tochter 3x zur Mutter Kind Kur.

    Ich brauche nicht kochen, andere putzen für mich.

    Ich hatte viel Zeit für Sport und Gespräche oder einfach mal die Seele baumeln lassen.

    Kind war in der Zeit super betreut tagsüber.

    Ja, es ist oft anstrengend. Aber es war trotzdem erholsam und nachhaltig.

    Krank wurde sie nie. Nur 1x ich und da erhielt ich viel Unterstützung. Kinder müssen nicht krank werden.

    Gerade habe ich die Zusage fürs 4. Mal erhalten.

    Ich finde es ziemlich dreist hier gegen due Kuren zu wettern, wenn man nie eine mitgemacht hat. Ich glaube ihr habt ganz andere Probleme, aber die haben dich mit den Kuren nichts zu tun.

  2. Zur Kur MIT Kindern
    Ich war vergangenen Oktober zur Mu-Ki-Kur. 3 Wochen Nordsee. Ich habe mich unglaublich schwer getan sie zu beantragen. Hatte Angst dass ich als Versagerin dar gestellt werde weil ich ne Kur bräuchte. Aber Vollzeit arbeiten plus 2 Kleinkinder ist halt doch nicht ohne. Der Antrag wurde zusammen mit einer netten Dame der Diakonie im Frühling gestellt. Innerhalb 1 Woche hatte ich die Zusage für Herbst. Hätte ich schulpflichtige Kinder wäre es in den Ferien gegangen, so war ich außerhalb der Ferien. Mein AG hat erstaunlicher Weise positiv reagiert. Gut dass ich mir Hilfe hole denn davon profitiert am Ende ja auch die Firma. Ich hatte Bammel vor 3 Wochen ohne den Papa in fremder Umgebung aber was soll ich sagen? Alles gut. Nette Erzieherinnen, nette Frauen die ALLE die selben Ängste hatten wie ich, nette Therapeuten/Sportlehrer etc (bis auf den Koch und den Hausmeister übrigens nur Frauen angestellt). Ich schöpfe immer noch Kraft aus den 3 Wochen. Wenn ich mal wieder drohe zu explodieren erinnere ich mich an das Gelernte und bin wieder kraftvoll und zuversichtlich.

  3. Mich wundert, dass hier
    Mich wundert, dass hier Mütter mutmaßen, welche Erholungswert eine Kur vermeintlich nicht hätte, ohne dass sie je eine gemacht haben.
    Ich war mit zwei Kleinkindern zur Kur an der Ostsee. Die beiden waren 4 und 2. Die Kinderbetreuung war super, die Therapien waren super, die Umgebung auch. Ich empfand die kur zunächst als anstrengend, konnte aber Vieles genießen und für ich nachhaltig mitnehmen. Ich habe dort gemerkt, dass es sehr von der Einstellung zur Kur abhängt, ob die Kur Erfolg hat noder nicht. Es tut gut, auf dem Deich zu walken, Massagen, Fango-Packungen und Entspannung süßer zu bekommen, Gespräche mit anderen Müttern zu haben. Man muss sich mal drei Wochen nicht um Termine,Wäsche, Essen kümmern.
    Ich kann eine Kur nur empfehlen. Und ja, oft werden die Kinder bei der Kur krank, aber die medizinische Betreuung ist im Haus und zu Hause werden die Kinder auch mal krank.
    Informiert euch über die Kureinrichtung und gerht offen an die Sache heran.
    Frieda

    1. danke!
      Liebe Frieda,
      gerade bricht es über mich hinein und ich suche nach solchen Berichten wie deinem! Danke dafür. Welche Kurklinik konntest du an der Ostsee genießen?
      Gruß, evacum

  4. ich hatte beides…
    Ich war vor fast genau einem Jahr auf Reha. Ich habe meinen damals 3 jährigen Sohn dabei gehabt und ihn nach 3 Wochen schweren Herzens mit dem Papa nach Hause reisen lassen. Es war mal so mal so, es ist toll mal Zeit ganz allein und intensiv mit seinem Kind zu haben, aber für eine Reha/Kur ist es eben doch nicht das gelbe vom Ei. Man muss sich halt IMMER allein kümmern, egal wie es einem geht oder was gerade ansteht.

  5. Mütter-Kur
    Ich war im Januar in Mütter-Kur!
    Ohne Kinder – das war für mich die beste Lösung.
    Ich hatte eine Pause vom Alltag, vom Arbeiten, von der Kinderbetreuung, vom Haushalt…ganz viel Zeit für mich.

  6. „Eine Mutter-Kind-Kur hätte
    „Eine Mutter-Kind-Kur hätte lediglich zum Voteil, dass man mal nicht unter Beobachtung des Mannes stünde..“

    Ist das ernst gemeint?! Was ist denn das für eine Beziehung….?

  7. Das ist cool!
    Den Papa mit den Kids in den Urlaub schicken! Das wäre es 😉 Anders ist es sicherlich wenn „richtige“ / chronische Krankheiten vorliegen.
    Durch diesen Beitrag habe ich aber auch wieder drüber nachgedacht, ob und wie sich eine Kur realisieren liesse.

  8. zustimmend nickend
    Guten Morgen,
    da muss ich Nele Recht geben. 🙂 Ich selbst habe auch 2 kleine Kinder, arbeite jeden Tag bis 15 Uhr und habe bisher auch noch keine Kur gemacht, weil ich mir die Blicke der Kollegen oder des Chefs ersparen möchte und es genau so sehe wie Nele. Mit den Kindern alleine irgendwo im Niemandsland… Nein danke! Unser letzter Familienurlaub war eine Katastrophe. Ferienhaus mit allem Pipapo, aber dennoch jeden Morgen das frühe Aufstehen, einkaufen, kochen, Vorwürfe meines Mannes… Echt überflüssig!!! Eine Mutter-Kind-Kur hätte lediglich zum Voteil, dass man mal nicht unter Beobachtung des Mannes stünde… Wie dem auch sei… Ich habe meine Probleme anders gelöst. Jetzt in den Osterferien fährt mein Mann mit beiden Kindern in der ersten Woche in den Urlaub und ich komme nur über Ostern nach, weil ich vorher zwar arbeiten muss, so aber mal ein paar Abende für mich alleine haben werde. Den Sommerurlaub haben wir mit Knderbetreuung geplant und ich nutze jede Gelegenheit, ein freies Zeitfenster zu bekommen. So brauche ich keine Mutter-Kind-Kur. Allen Anderen dennoch viel Spaß dabei und gute Erholung!

  9. Kur JA – aber ohne Kinder!
    Ich hab noch nie eine Kur gemacht. Ich hab Rückenschmerzen, kümmere mich fast um alles alleine, gehe arbeiten und stehe gefühlt kurz vorm Burnout. Mein Mann sagt immer wieder ich soll doch mit unseren beiden Kinder eine Mutter Kind Kur machen. Na schönen Dank. Dann kann ich mich drei Wochen mit den Kindern allein in einer fremden Ungebung rumschlagen. Erfahrungsberichten zur Folge werden sie dort erstmal krank. Und der Mann macht sich drei nette Wochen; geht natürlich arbeiten aber geniesst seinen Feierabend. Wenn die Kur zu Ende ist, brauche ich wahrscheinlich wieder 3 Wochen um die Wohnung wieder bewohnbar zu machen. Ich übertreibe, aber Kur mit Kindern ist keine Kur. Genauso wie Urlaub mit Kindern kein Urlaub ist. Es ist schön, keine Frage, aber erholsam ist es nicht. Die beste Kur für mich wäre also alleine; wobei drei Wochen ohne Kinder ist ebenso grenzwertig. Tja vielleicht sollte der Mann eine Vater Kind Kur machen und ich hätte zu Hause drei Wochen meine Ruhe. Ich würde mal gerne positive und mutmachende Erfahrungen zum Thema Mutter Kind Kur hören. Auch im Zusammenhang mit schulpflichtigem Kind und Fehlzeiten in der Schule.
    Viele Grüße!