Tabuthema Frühe Fehlgeburt: Wie Christiane nach einem Abgang neue Hoffnung schöpfte

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Liebe Christiane, Du hattest eine frühe Fehlgeburt. Kannst Du uns kurz sagen, wann und wie das passiert ist?
 
In meiner ersten Schwangerschaft habe ich eine Fehlgeburt in der vermutlich 7.-8. SSW erlitten, das war am 2. Januar 2015.
Dass ich nicht genau weiß, wie lang ich schon schwanger war, liegt daran, dass mein Zyklus sehr unregelmäßig war. Wir hatten bereits sieben Monate ohne Verhütung hinter uns, bis dahin ohne Erfolg – und ich dachte eigentlich, dass es erneut nicht geklappt hatte.
Aber es stand Silvester bevor und ich wollte wissen, ob ich ein Gläschen trinken kann oder nicht. Also habe ich einen Test gemacht und der war zu unserer großen, großen Freude positiv. 
Meine Frauenärztin hatte in der Silvesterwoche keine Sprechstunde und da ich keinen Grund sah, zur Vertretung zu gehen, wollte ich bis zum 7. Januar warten.
Am 2. Januar saßen wir bei meiner Schwester beim Kaffee und ich hatte bereits Krämpfe, ähnlich wie Menstruationsstärke – was in meinem Fall nicht die seichte Variante ist. 
Zunächst sagte ich niemandem etwas, aber mir war klar: Die Schwangerschaft ist noch in einem Stadium, in der die "Alles oder nichts"-Regel gilt. Die Krämpfe hielten an und zu Hause ging ich auf die Toilette, diese füllte sich mit Blut. 
Mir war klar, dass es das gewesen war. 
Nach etwa 10 Minuten kam ich raus, mein Mann sah mich und wir fuhren sofort in die Klinik. Dort bestätigten sie meinen Verdacht.  Die Ärztin war sehr nett und einfühlsam, ich fühlte mich sehr gut betreut und beraten.
 
Wie ging es weiter?
 
Da die Schwangerschaft natürlich abgegangen war, worüber ich sehr froh bin, war eine Ausschabung glücklicherweise nicht nötig. Das hätte ich schrecklich gefunden. Freitagabend war der Abgang, am Samstag und Sonntag musste ich zur Kontrolle in die Klinik, anschließend zweimal wöchentlich zur Verlaufskontrolle, damit man sieht, dass der HCG-Wert auch komplett zurückgeht, ansonsten hätte eine Ausschabung noch notwendig werden können.
 
Hast Du Deiner Familie und Deinen Freunden von der Fehlgeburt erzählt?
 
Ich bin in der Familie und im engeren Freundeskreis sehr offen damit umgegangen, da ich es wichtig finde, dass dieses Thema nicht tabuisiert wird und da es alles Menschen sind, die eben ehrlich wissen wollen, was in meinem Leben und in mir vorgeht. Das Vertrauensverhältnis stimmt da einfach.
 
Wie waren die Reaktionen?
 
Alle waren sehr mitfühlend, niemand hat es heruntergespielt. Am herzzerreißendsten war mein Vater, der mit Tränen in den Augen vor mir saß und sagte "Ich glaube langsam, dass es an uns liegt" (Meine Schwester hatte in der ersten Schwangerschaft ebenfalls eine Fehlgeburt, und ihre Blutungen begannen, als sie zu Hause zu Besuch war. Drei Tage später hat sie es zu Hause verloren (11.SSW glaube ich) und das hat uns damals alle sehr getroffen.)
Meine Mutter hat zwar gesagt "Es hat nicht sollen sein", "Wer weiß wofür es gut war", aber sie meinte es tröstend (hat selbst eine nicht so schöne Geschichte hinter sich) und wollte ausdrücken – besser jetzt als ein späterer Abbruch aus schwerwiegend medizinischer Indikation.
 
Wie gehst Du selbst mit dem Verlust um? Versuchst du es zu verdrängen oder trauerst Du ganz bewusst?
 
Der Verlust hat mich damals natürlich sehr getroffen, es tat sehr weh, sein über alles gewünschtes Kind zu verlieren. Ich habe viel geweint und mir Zeit gelassen, das Ganze zu verarbeiten.
Aufgrund meiner vorbelasteten Familiengeschichte hatte ich mich im Kopf bereits sehr viel mit dem Thema auseinandergesetzt. Mir war klar, dass eine frühe Fehlgeburt absolut nichts Ungewöhnliches ist und dass es nichts über spätere Schwangerschaften aussagt. Und ich hab mich oft mit dem Gedanken auseinandergesetzt, dass es mich mit großer Wahrscheinlichkeit auch treffen wird.
In meiner Krankenpflegeausbildung war ich mehrere Wochen im ambulanten OPZentrum, wo ich viele Frauen mit Ausschabung nach Fehlgeburt vor- und nachbetreut habe. All das hat mir, glaube ich, geholfen den Verlust psychisch gut zu verkraften. Nach zwei Monaten und meiner ersten Periode nach der Fehlgeburt hatte ich meinen Frieden damit gemacht.
 
Findest Du, dass frühe Fehlgeburten immer noch ein Tabu-Thema sind?
 
Ich habe das Gefühl, dass es besser wird. Viele, mit denen ich geredet habe, kennen mindestens eine andere Frau mit früher Fehlgeburt/frühen Fehlgeburten, oder vertrauten mir dann an, dass auch sie eine hatten.
Öffentlich wird es oft noch kleingeredet. Da spielt aber auch die Frage "Wann beginnt Leben?" Eine Rolle.
 
Wie ist Dein Partner mit der Situation umgegangen?
 
Mein Mann (zu dem Zeitpunkt noch Verlobter) war auch sehr traurig, er stand mir mit viel Verständnis zur Seite, hat mich getröstet, mit mir geredet, mich abgelenkt. Je nachdem was ich gerade brauchte. Er hat sich sehr hilflos gefühlt, wie es Männern in solchen Situationen eben geht, und alles getan damit es mir irgendwie besser ging. Wie lang er gebraucht hat, um darüber hinwegzukommen, weiß ich gar nicht genau. Etwa so lange wie ich – wenn länger, dann ließ er sich das nicht anmerken um mich nicht zu belasten (jetzt fühl ich mich gerade egoistisch, denn ich hab ihn nie gefragt, ich war zu sehr mit mir beschäftigt)
 
Was würdest Du Dir von der Gesellschaft im Bezug auf dieses Thema wünschen?
 
Toleranz und Respekt. Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch hat eine andere Gefühls- und Gedankenwelt, jeder Mensch hat andere Erfahrungen gemacht, manch einer ist stärker, manch einer schwächer. Das gehört akzeptiert. Wenn eine Frau eine frühe Fehlgeburt hat und sehr darunter leidet, ist das genauso richtig, wie wenn sie es nüchtern akzeptiert und es als geschehen abhakt. Nichts davon ist richtiger oder falscher. Es gibt keine falschen Gefühle. Das sollte erkannt werden.
Das Thema selbst gehört in die Öffentlichkeit, nicht nur in Mamiforen und Sternenkindgruppen. Es gibt bestimmt viele Frauen, denen nicht bewusst ist, wie hoch das Risiko in den ersten 12 Wochen ist, und dass sie nicht ein seltener Fall und alles anderes als allein damit sind. Die Aufklärung ist zwar besser und dank Internet einfacher, aber trotzdem ist es noch ein kleines Randthema, das nicht ernst genug genommen wird. Nicht um Angst, sondern um Mut zu machen.
 
Was wünscht Du Dir für Deine Zukunft?
 
Ich habe inzwischen alles, was ich mir je gewünscht habe. Im Mai 2015 hielt ich erneut einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand, im November wurde mit 8-Monatskugel geheiratet und am 17. Januar 2016 kam mein wunderschöner Sohn Nick zur Welt, gesund und spontan. 
Wenn wir uns irgendwann für Kind Nummer 2 entscheiden, wünsche ich mir, dass es mich nicht noch einmal trifft, dass ich nicht nochmal ein Kind verliere, und wenn doch, dass ich Kraft genug habe es nochmal zu verarbeiten und zu heilen.15086985 1340728255950981 1779493623 n
 
 
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6 comments

  1. Ich hatte leider auch
    Ich hatte leider auch Fehlgeburten. Die ersten beiden Schwangerschaften endeten als Fehlgeburt. Ich war am Boden zerstört. Ich habe viel geweint. Ich konnte mir ein Leben ohne Kinder gar nicht vorstellen. Ich habe mir immer 2 Jungs und 2 Mädchen gewünscht. Ich habe mir mein Leben so vorgestellt, 2 Jungs und Zwillinsgmädchen.
    Die 3. Schwangerschaft konnte ich gar nicht genießen. Ich hatte Angst. Angst, dass es wieder eine Fehlgeburt wird. Aber am 1.10.2008 kam mein erster Sohn zur Welt.
    4. Schwangerschaft: mein zweiter Sohn kam zur Welt am 13.06.2010.
    Drei Jahre später wieder 2 Fehlgeburten hintereinander. Wieder zerbrach die Welt für mich. Wieder bekam ich Angst. Meine Frauenärztin verwieß mich zu einer Humangenetikerin. Da bekam ich endlich den Grund für die Fehlgeburten raus. Ich hatte eine Chromosomenstörung. Die Chancen lagen bei 50%.
    Ich wagte mich nochmal zu einer Schwangerschaft. Und seit dem 11.06.2015 sind wir komplett. Ich bekam meine Mädchen. Zwillinge. Und jetzt bin ich glücklich. ich habe 2 gesunde Jungs und zwei gesunde Mädchen.

  2. Hallo, schön, dass du dieses
    Hallo, schön, dass du dieses Thema ansprichst, es gehört definitiv in die Öffentlichkeit. Ich habe es leider auch hinter mir: september 2012 hatte ich in der 7. Woche einen spontanen Abgang. Verlauf wie bei dir. Icg war am Boden zerstört. Aber Du hast recht, denn es sagt nichts über den Verlauf von weiteren Schwangerschaften aus! Einen Monat später war ich bereits erneut schwanger mit meinem Mädchen, geboren im Juli 2013. Und im Mai 2015 durfte ich das Glück nochmal erfahren: ich war mit meinem Sohn schwanger, Geburtstag lustigerweise:17.01.2016! Ich hoffe das macht allen betroffenen Frauen Mut! Liebe Grüße

  3. Ich selbst hatte 2011 eine
    Ich selbst hatte 2011 eine Fehlgeburt in der 10ten SSW. Unsere Familien und engen Freunde wussten, dass ich schwanger bin und zwei Tage, bevor es passiert ist, hatte ich es sogar in der Firma offiziell gemacht – aufgrund diverser geplanter Umstrukturierungen wollte ich fair sein, mit einer Fehlgeburt hatte ich überhaupt nicht gerechnet…
    Diese Umstände brachten es nun mit sich, dass ich sehr offen damit umgehen musste. Und ich war überrascht, wieviel Zuspruch ich erhalten habe und wieviele Menschen es im meinem Umfeld gibt, denen Ähnliches passiert ist!!! Bis dahin wusste ich von einer Freundin, die eine Fehlgeburt hatte. Jetzt weiß ich, dass es so vielen so geht und dass die meisten trotzdem später gesunde Kinder zur Welt gebracht haben.

    Auch ich habe mittlerweile zwei gesunde Kinder, war aber bei beiden Schwangerschaften sehr ängstlich. Hier hat mich jedoch mein Frauenarzt sehr unterstützt, der meine Ängste sehr ernst genommen hat.

    Ich kann nur jedem raten, offen mit dieser Situation umzugehen. Mir hat es sehr geholfen, mich mit anderen Betroffenen austauschen zu können!

  4. Trauriges Thema
    Es tut mir wirklich für jede Frau leid, der so etwas passiert. Ich selbst kenne leider keinen, bzw. weiß es von keinem. Aber ich kann mir vorstellen, dass es gar nicht soo ein Tabu-Thema ist, wie ihr vielleicht denkt. Es gibt ja auch Frauen, die wollen darüber nicht mit jedem reden. Verständlich, es ist ja irgendwie auch Privatsache und ich würde es selbst glaube ich auch niemandem außer der Familie erzählen. Vielleicht wird es deswegen oft als Tabu-Thema dargstelllt..
    Nur mal so als Anreiz.
    Alles Gute euch weiterhin! Und liebe Grüße

  5. Danke
    Für diesen Artikel. Ich selbst bin nicht beiden betroffen, kenne aber auch viele mit diesem Thema. Uns was du sagst, stimmt (auch in Bezug auf andere Themen): Jeder Mensch ist anders und wie er oder sie damit umgehen, ist auf jeden Fall okay.
    Schön, dass du einen gesunden Sohn hast. Viel Glück in deiner Zukunft!

  6. Habe es auch erlebt
    Ich kann sehr gut verstehen, welche Gefühle da in einem zum Ausbruch kommen. Wir haben 4 Jahre gebraucht für unser erstes Kind. Dabei hatte ich drei frühe Fehlgeburten. Und in Laufe der Zeit zweifelte ich wirklich an der Gerechtigkeit der Welt, um mich herum wurden immer mehr Frauen schwanger, davon natürlich auch ein gewisser Teil, bei denen es „einfach passiert“ ist.
    Und ich habe auch festgestellt, wie wichtig es war, jemanden zu haben, mit dem ich darüber reden konnte.