Vermissen oder genießen? Eine alleinerziehende Mutter über die kinderfreien Wochenenden

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„Als ich den Facebook-Post zu dem Thema „Wochenende alleine“ gelesen habe, fühlte ich mich sofort angesprochen. Weil es ein Thema ist, das mich auf so vielen Ebenen erreicht und besonders zwei Gefühle in mir auslöst: Ambivalenz und Wut!

Vorab möchte ich sagen, dass wir seit der Trennung das „klassische Modell“ leben. Die Kinder leben bei mir, sind alle 14 Tage an den Wochenenden bei Papa, sowie die Hälfte der Feiertage und Ferien. Mittwochs gehen die Kinder wegen meines langen Arbeitstages nachmittags zur Oma und schlafen dann auch öfter dort oder bei Papa.

Zunächst einmal möchte ich beschreiben, warum diese Frage Ambivalenzen in mir auslöst: Ich schwanke fast nonstop zwischen vermissen und genießen. Und dabei macht es kaum Unterschied, ob die Kinder bei mir oder beim Papa sind. Auch wenn sie bei mir sind, fühlt es sich manchmal unvollständig ab. Denn die Idee vom Familienleben war ja eigentlich eine andere. 

Gemeinsam Dinge mit den Kindern erleben, alles miteinander besprechen, uns austauschen, gemeinsam Entscheidungen treffen, füreinander da sein und sich gleichermaßen verantwortlich fühlen. Dass das nicht so ist, vermisse ich manchmal. 

Doch dann gibt es auch immer wieder Situationen und Momente, in denen ich sehr genieße, keine Kompromisse mehr eingehen zu müssen und mit Dingen leben zu müssen, die mir nicht entsprechen. Leider stelle ich von außen auch immer wieder fest, dass viele Mütter, die noch in Partnerschaften leben, keine Partnerschaft auf Augenhöhe führen

Ich kann einfach schlecht abschalten

Sind meine Kinder nicht da, fehlen sie mir doch oft und und ich denke, ich sollte die Zeit ohne sie mehr genießen. Einfach tun, worauf ich Lust habe und Verpflichtungen auf Morgen vertagen. Doch das gelingt mir viel weniger häufig als ich es mir wünsche. 

Es scheint eine Mischung aus „nicht abschalten zu können“ (Ich fühle mich dann so, so als wenn man mit Vollgas auf der Überholspur eine Vollbremsung hinlegt) und Vermissung. Von durchgetaktet zu vogelfrei, ständig unter Strom zu Nulllinie. Diese Extreme fordern mich heraus und ich brauche oft Zeit, bis ich entschleunige und guten Gewissens etwas für mich tun kann. Kaum bin ich in diesem Modus, sind die Kinder dann schon wieder da. 

Ich schrieb oben, dass das Thema auch Wut bei mir hervorruft. Warum? Ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen, wenn ich in meiner freien Zeit Serien gucke, in die Saune gehe oder bummeln – anstatt den Haushalt zu machen. Ich frage mich dann, warum ich dieses schlechte Gewissen nicht abstellen kann. Ich weiß doch, dass ich im Alltag genug leiste. Dass ich so viel Verantwortung auf meinen Schultern habe, meine Kinder begleite, Taxifahrerin bin, Handwerkerin, Krankenschwester, dass ich alle wichtigen Termine im Kopf habe – und trotzdem dieses schlechte Gewissen. Ich weiß, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin. Vielen Frauen geht es so. 

Muss eine Mutter ihre Kinder immer vermissen?

Aber warum bloß? Ich glaube, das liegt daran, wie unsere Gesellschaft Mutterschaft sieht. Eine Mutter muss ihre Kinder vermissen, wenn sie nicht bei ihr sind. Sonst ist sie keine liebende Mutter. Ich bin überzeugt, dass jede Mutter diese Frage schon gestellt bekommen hat: „OH, vermisst du die Kinder gar nicht?“ Und dabei spielt es keine Rolle, ob die Mutter in einer Partnerschaft lebt und sich mal ein Wochenende alleine gönnt – oder ob die Kinder nach einer Trennung eben mal beim Vater sind. 

Und genau da kommt meine Wut ins Spiel: Würde man diese Frage eigentlich auch Vätern stellen, wenn sie ein kinderfreies Wochenende haben, nachdem sie sich sonst 24/7 um ihre Kinder kümmern (neben Job und Haushalt versteht sich)? Ich denke nicht. Sie könnten vermutlich gar nicht mehr aufrecht laufen, weil ihr Umfeld ihnen so viele Orden verliehen hätte. Und jeder würde ihn dazu anhalten, die wenige freie Zeit unbedingt zu genießen.

Ich habe diesen Satz schon oft gehört: „Wow, jedes zweite Wochenende kinderfrei?! Was für ein Luxus.“ Meist fällt dieser Satz mit einem schwer greifbaren, aber irgendwie abschätzigen Unterton. Für mich klingt das so, als dürfte man sich als Mutter sowas nicht rausnehmen. Pausen? Paah, das ist doch ne Frechheit sowas überhaupt in Erwägung zu ziehen. Wenn Du dein Kind liebst, ist das doch alles keine Arbeit, sondern man macht es gerne. Mit Liebe und Hingabe. 

Kinder bedeuten Arbeit!

Von wegen! Natürlich ist Kindererziehung Arbeit! (ich würde am liebsten noch 80 Trillionen Ausrufezeichen mehr dahinter packen) Zumindest, wenn man den Job ernst nimmt. Und das tun die meisten Mütter, die ich kenne. Sie wollen nah an den Bedürfnissen und Gefühlen ihrer Kinder sein und ihnen eine wertvolle Kindheit schenken.

Ich will ganz ehrlich sein: ich liebe meine Kinder sehr und würde sie für Nichts in der Welt eintauschen. Kleine Kinder benötigen aber (zu Recht) viel Aufmerksamkeit, Zuwendung und logistische/organisatorische/pflegerische Unterstützung. Da bleibt schlichtweg quantitativ nicht viel übrig für die eigenen Bedürfnisse, von qualitativ rede ich erst garnicht. 

Und um noch mehr Ehrlichkeit reinzubringen: ich bin eben keine Cakepop backende, Osterhasen bastelnde, auf dem Spielplatz Sandburgen bauende Supermama. Das alles mache ich (ok, bei Cakepops ist meine Grenze überschritten) meinen Kindern zuliebe. Und natürlich auch ein bisschen gern, weil ich sehe, wie groß ihre Freude daran ist. Aber von allein würde ich doch im Leben nicht auf solche Ideen kommen. Da esse ich gern Sushi, trinke ein Glas Wein, quatsche mit meinen Freundinnen Blödsinn, schaue Krimis ab mindestens 16 oder gehe in die 90 Grad Sauna. All das geht nicht, wenn meine Kids am Start sind.

Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass solche Sätze oder Fragen öfter von Frauen kommen als von Männern und mich oft gefragt, warum das so ist. Ich denke, es ist eine Art Projektion, weil nicht wenige Mütter unter der Last der völlig romantisierten Mutterrolle zusammenzubrechen drohen und vielleicht auch daran, dass sie statt eines Partners auf Augenhöhe ein zusätzliches Kind am Start haben…

Deshalb kämpfe ich nun immer gegen meinen Kopf an, der mir sagt, es sei schlecht, wenn ich die Kinder nicht vermisse. Ich übe gezielt, loszulassen, den Haushalt liegen zu lassen, nur für mich zu sein. Ich wünsche mir sehr, dass Auszeiten für Mütter – egal ob alleinerziehend oder nicht – endlich zur Normalität werden und quasi als Selbstfürsorge und Prävention selbstverständlich sind.“

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Dieser Beitrag stammt von Sonja, sie ist selbst alleinerziehende Mutter, Psychologin und Familientherapeutin. Ab Herbst arbeitet sie in ihrer eigenen therapeutischen Praxis in Köln, bietet aber auch Online-Termine an. Mehr Infos ab 25.8. unter  www.systemrelevant.me

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6 comments

  1. Hallo.
    Aus eigener Betroffenheit als Vater kann ich nur sagen:
    Ich habe keine Orden. Nicht einen.
    Diese steile These kann ich nicht nachvollziehen.
    Wir haben inzwischen, nachdem wir dafür beide den Job wechselten, das paritätische Wechselmodell am Laufen, seit 3 Monaten.
    Das hat die Gesamtsituation enorm entspannt.
    Musste ich vorher um freie Wochenenden oder Abende bitten, ist jetzt alles geregelt.
    Unsere Kinder kennen die Situation seit sie knapp 4 und 2 Jahre alt waren, es ist jetzt seit fast 5 Jahren ihr Leben. Kommen mit dem Wechsel jede Woche auch sehr gut klar.

  2. Liebe Sonja, ich bin zwar nicht alleinerziehend, aber ich war mal ein Scheidungskind und deswegen möchte ich Dir sagen: ich finde es toll, dass Dein Partner und Du Euch noch so gut versteht, dass ihr so eine Lösung gefunden habt, bei der die Kinder regelmässig Zeit mit dem Papa verbringen und eine Engle Beziehung zu ihm aufbauen können. Das ist leider nicht selbstverständlich und war z. B. bei meinen Eltern nach der Scheidung nicht so. Deswegen: unbedingt die freie Zeit genießen ohne Gewissensbisse! Du hast im Sinne der Kinder entscheiden und rust das Richtige! LG S.

  3. Selbstverständlich genießen, da die Kinder ja nicht im Kinderheim, sondern gut untergebracht, bei Verwandten sind.
    Man hat auch eine Verpflichtung sich selbst gegenüber. Was nützt es, wenn Mama ein Leben führt, dass ausschließlich auf die Kinder fokussiert ist?
    Das führt doch jetzt zu maximaler Unzufriedenheit im Leben und später zu großen Vorwürfen den Kindern gegenüber. Nach dem Motto: „Ach was habe ich geleistet, ach worauf ich alles verzichten musste…., ich war ja so allein mit euch…“
    Wozu also die freie Zeit mit „Selbstzerfleischung“ vergeuden?
    Es ist sehr gut, dass Kinder sehen, dass ihre Eltern, unabhängig ob getrennt- oder zusammenlebend, auch Dinge ohne sie unternehmen.
    So lernen sie jetzt schon, dass es richtig ist im Erwachsenenalter, bei allen Verpflichtungen die man so hat, auch an sich zu denken.

    Wir genießen die Zeit sehr, wenn die Kinder mal woanders sind.
    Ihnen geht es gut, und geht es gut. Es erweitert bei den Kindern auch den Horizont. Sie sehen nicht nur eine Art zu leben, sondern lernen, dass es Unterschiede gibt und diese alle eine Berechtigung haben.

    Wie schnell kommen Phasen, in denen die Kinder krank sind oder die Verwandten sie gerade nicht betreuen können. Dann ist man froh, freie Zeit gehabt zu haben.

    Also viel Spaß beim Ausgehen und Krimi gucken. 🙂

  4. Pausen sind wichtig und das gilt in einer Beziehung, aber natürlich auch für Alleinerziehende.

    Meine Frau (nicht getrennt, sondern glücklich zusammen) und ich haben auch eine Absprache für die Wochenenden. Einer von uns ist Freitag von 19 Uhr bis Samstag ca. um 15 Uhr für die Kinder zuständig. Dann ist der Andere von Samstag 15 Uhr bis Sonntag gegen 11 Uhr zuständig. Ab 11 Uhr beginnt dann der Familiensonntag wo wir alle gemeinsam als Familie etwas unternehmen.
    Klar… die Zeiten sind nicht in Stein gemeißelt, sondern eine grobe Richtschnur für uns beide. Wir sprechen immer situativ darüber, wer diesmal den Freitag und wer den Samstag übernimmt und wann die Übergabe genau stattfinden soll.

    Logisch gibt es da auch Ausnahmen, beispielsweise wenn wir alle gemeinsam über das ganze Wochenende verreisen oder ich mal alleine mit den Kids über das ganze Wochenende zu meiner Mutter oder zum Zelten fahre.

    Aber der Grundsatz bei uns ist: Jeder bekommt einmal die Woche eine Auszeit zum Party machen, Freunde treffen oder um einfach die ganze Nacht irgendein Computergame zu zocken.

    Manche Leute finden es auch komisch, dass ich als Familienvater etwa jedes zweite Wochenende bis zum Morgengrauen feiern gehe. Aber ich sage dann einfach: Das hab ich mir verdient!

  5. Liebe Sonja, ich bin voll bei dir. All diese Gedanken und emotionalen Zwiespalte habe ich auch. Auch weil ich zweifache berufstätige Mutter in Partnerschaft bin, die fast täglich mit der Vereinbarkeit, den gesellschaftlichen Erwartungen und den tradierten Rollenbildern (und somit auch mit meinem Mann) struggelt.
    Ihnen alles Gute für den beruflichen Neustart und Ihre Familie!
    Yvonne

  6. Guten Morgen,
    nein nicht die Gesellschaft, wir selbst setzen uns unter Druck. Wir selbst können keine Selbstfürsorge weil wir uns gleich wieder ängstlich fragen was die „Anderen“ jetzt denken könnten. Lass diese Rechtfertigungen weg! Denk um, Du allein bestimmst wie Du denkst. Und überdenken allzu starre Ansichten wie etwas ( Familie…) zu sein hat. Warum nicht das genießen was ist? Genauso wie es ist? Es gibt eine schöne Aussage ( weiß nicht von wem): wenn du dich fragst was Andere über dich denken oder von dir halten, gehört dein Leben nicht mehr dir.

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