Dreifach-Mama: „Ich möchte das Gedankenkarussell anhalten“

Dreifach-Mama

Ihr Lieben, Andrea ist nicht nur eine liebe Bloggerkollegin, sondern auch ebenfalls dreifache Mama. In den letzten Jahren haben wir sie zwei Mal interviewt und dabei sehr ehrliche Einblicke in ihr Leben bekommen. Die Herausforderungen als berufstätiges Paar mit drei kleinen Kindern in einer zu kleinen Wohnung in Berlin waren enorm, Andrea wünschte sich mehr Zeit für sich, wusste aber auch nicht genau, wo sie ansetzen sollte.

Seit unserem letzten Interview sind drei Jahre vergangen, wir sind alle durch eine Pandemie gegangen – und wir wollten wissen, wie es Andrea heute geht. Danke für dieses ehrliche Update:

Liebe Andrea, unser letztes Interview ist drei Jahre her, da war dein jüngstes Kind gerade ein paar Monate alt und ihr als Eltern ganz schön am Anschlag. Wie hat sich eure Situation verändert, rein dadurch, dass die Kinder älter geworden sind?

Ehrlich gesagt hat sich an unserer Situation irgendwie alles und nichts geändert. Natürlich sind die Kinder heute alle älter, inzwischen sind sie 8, 6 und 4 Jahre alt. Auch die Belastungen sind heute andere. Damals stand das Thema Schreibaby extrem im Fokus, ich habe ja 2021 auch ein Buch dazu veröffentlicht, was diese Zeit mit Eltern macht. Die Babyzeit liegt also hinter uns, die Sorgen sind andere, teilweise größer. Und doch sind die Kinder noch zu klein, um wirklich unabhängig zu sein oder zu sagen: So, ich nehme mir jetzt mal eine Auszeit nur für mich.

Wir haben zum Beispiel mit der Einschulung des Mittleren für alle die Schul- und Kitasituation verändert. Das war wichtig für unseren Familienfrieden, bringt gleichzeitig aber sehr viel Unruhe rein, weil wir Eltern aktuell drei bis vier Stunden am Tag mit Pendeln verbringen müssen. Das wird sich auf absehbare Zeit ändern, aber gerade im Moment sind wir sehr am Limit. 

Dein großes Ziel war es, mehr Zeit für dich selbst zu haben. Hast du das erreicht?

Die ernüchternde Antwort: Nein.  Das so zuzugeben ist hart aber nein, ich habe keine Zeit für mich. Natürlich, mal, treffe ich mich mit Freundinnen oder gehe zum Yoga. Aber der Moment wo ich sage: Jetzt hast du wirklich Zeit für dich und hast nicht eigentlich im Hinterkopf, was es noch alles zu tun gäbe, die habe ich tatsächlich nicht.

Ich glaube, dass Corona an diesem Ziel mehr Zeit für mich zu haben aber auch sehr gerüttelt hat. Wenn man monatelang auf sehr engem Raum zu fünft lebt und sich nicht aus dem Weg gehen kann, dann sind Rückzug und kurze Momente der Ruhe irgendwann wichtiger als der diffuse Wunsch nach „Zeit für mich“. Was ich mir heute wünsche: Nicht mehr in jedem Moment überlegen, was noch ansteht, sondern wirklich einfach im Moment sein. Das klappt nicht immer, aber manchmal und dann tut mir das sehr gut. 

Rückblickend auf die richtig krasse Corona-Zeit: Hast du das verarbeitet oder einfach alles verdrängt?

Zum Verarbeiten habe ich bisher keine Zeit gehabt. Es geht ja immer weiter und weiter, es kommen neue Sorgen, neue Herausforderungen. Und wenn es keinen Moment des Innehaltens gibt, dann kann Verarbeitung ja auch nicht passieren. 

Ich denke oft an 2020 und versuche mir zu verzeihen, was ich damals aus heutiger Sicht vielleicht alles falsch gemacht habe. Die Kinder waren im März 2020 ja noch kleiner, 5, 3 und 1 Jahr alt und ich habe einfach weitergemacht wie immer. Homeoffice mit Kindern war ich tageweise schon immer gewohnt, das bringt das Arbeiten als freie Journalistin so mit sich. Ich fand diese Flexibilität immer toll. Aber monatelang diese Situation leben, noch dazu mit einem Mann, der gefühlt unendliche Calls hatte und die alle im Kinderzimmer erledigte? Das war neu. 

Ich habe im ersten Jahr der Pandemie überhaupt nicht innegehalten. Mein erstes Buch über die Wackelzahnpubertät ist erschienen, ich saß am zweiten und dazu kamen all diese Anfragen, ob ich nicht übers Homeoffice mit Kind, mütende Eltern oder die fehlende Unterstützung für Eltern in der Pandemie schreiben könnte. Alles kein Problem dachte ich, die Themen sind wichtig, ich arbeite als Familienjournalistin, da muss ich jetzt auch ran. Was ich dabei übersehen habe: Auf meine Kinder, auf mich, auf meine Familie zu schauen. 

Was hat diese Zeit mit euch als Familie gemacht?

Die Zeit hat uns alle zusammengeschweißt, aber rückblickend betrachtet hätten meine Kinder sich sicher mehr über eine entspanntere Mutter gefreut, als über die Tatsache, dass wir dank dieser Aufträge erstmal keine finanziellen Sorgen hatten. 

Mit dem gefühlt ewig dauernden Lockdown ab Dezember 2020 änderte sich die Situation dann noch mal, da war meine Tochter ja dann schon ein Schulkind und uns wurde klar: Unsere Idee von Arbeiten im Homeoffice plus Homeschooling plus Kinderbetreuung ist so nicht tragfähig. Wir haben versucht kleine Anpassungen vorzunehmen, mehr Pläne zu machen, wer wann zuständig ist. Meine Kinder hätten in die Notbetreuung gehen können, aber das haben wir nicht in Anspruch genommen, weil ich immer dachte: Andere brauchen das vielleicht noch dringender. 

Jetzt steuern wir auf den dritten Coronawinter zu und ich würde gern behaupten, ich hätte den Bogen raus, aber nein, ich fürchte auch dieses Jahr wird es wieder herausfordernd. Aber inzwischen weiß ich: Im Zweifelsfall nehme ich dann einen Auftrag nicht an, denn meine Familie und meine Gesundheit geht vor. Dass diese Erkenntnis nicht früher kam, das bereue ich. 

Über welche Ratschläge und Reaktionen von außen hast du dich damals am meisten geärgert?

Die immergleiche Leier von „haha, endlich merken Eltern mal wie anstrengend die eigenen Kinder sind“, das hat mich sehr beschäftigt. Denn nicht die Kinder waren das Problem, die fehlende Unterstützung von außen war und ist es. Es wurde ja erwartet, dass alles ganz normal weiterläuft, dass Eltern Familie und Beruf nun einfach mal so vereinen und ALLES gleichzeitig wuppen. Als wäre das möglich! Das, was die Situation (und nicht die Kinder!) anstrengend machte, waren die Erwartungen von anderen, wir könnten diese übermenschlichen Ideale erfüllen. Was für ein Druck da auf uns Eltern lastete! Und den habe ich gespürt, obwohl ich ja in der vergleichsweise komfortablen Situation war, im Homeoffice arbeiten zu können. Wie herausfordernd war die Zeit bitte für all diejenigen, die das nicht konnten?

Überhaupt ist ja jede Familiensituation eine andere, dass da in den Medien anfänglich immer nur die Menschen gezeigt wurden, die super mit der Situation zurechtkamen oder die, die total überfordert waren, das hat unser Bild sehr geprägt. Jede Familie struggelt anders und das hätte von Anfang an sichtbarer gemacht werden müssen. Was mich wirklich betroffen gemacht hat, war auch, wie viele Familien in denen Gewalt ein Thema ist, plötzlich unsichtbar wurden. Bei dem Gedanken was die Frauen und Kinder hier haben ertragen müssen, ohne Unterstützung von außen, da werde ich unglaublich wütend und hilflos. 

Meine Kinder haben bei so vielen Interviews daneben gesessen, Zwischenfragen gestellt oder sich im Hintergrund gezofft, ich habe da relativ schnell die Furcht verloren, dass das jetzt fürs Gegenüber unprofessionell wirken könnte. Stattdessen gab es wirklich schöne Situationen, ich denke gern daran zurück, wie sich ein Kindheitsexperte mit meinem Jüngsten, der zu dem Zeitpunkt noch gar nicht sprechen konnte, minutenlang „unterhalten“ hat, wie erleichtert viele waren, dass sie ihre eigenen Kinder in den Gesprächen nicht verstecken mussten. Da war ganz viel Sympathie und Verständnis, und das ist auch bis heute so geblieben. 

Gibt es etwas, heute besser läuft als noch vor zwei Jahren?

Für mich persönlich kann die Antwort hier leider nur lauten: Wenig. Ich sehe keine Pläne, wie dieser Winter anders laufen wird als die letzten zwei Jahre. 

Das Thema Wohnraum war auch ein Problem, denn eigentlich ist eure Wohnung für fünf Menschen zu klein. Gibt es da Überlegungen etwas zu ändern?

Ich war 2021 bei „Hart aber fair“ zu Gast und da ging es am Anfang der Sendung ganz kurz um unseren Wohnraum. Im Anschluss beschimpften mich Menschen, wieso ich denn Kinder bekommen hätte, wenn ich um meine Wohnsituation wissen würde. Wie irre das ist, oder? Dass man Fremden schreibt, sie beschimpft und ihnen erklärt was IHR Fehler ist, dass ich besser verhüten solle, statt drei Kinder in beengten Wohnverhältnissen großzuziehen. Dass Wohnraummangel kein Problem ist, was nur meine Familie betrifft, sollte eigentlich klar sein. Und auch, dass es in Berlin, wie auch in vielen anderen Orten nahezu unmöglich ist, bezahlbaren Wohnraum für Familien zu finden. 

Rausziehen ist für uns kein Thema auch wenn ich mir nach wie vor auch ein Leben in einem anderen Land vorstellen könnte. Meinen Job kann ich von überall auf der Welt ausführen, mein Mann ist da viel stärker gebunden. 

Wie hat dich und euch die ganze Corona-Pandemie verändert?

Ich hab die Kinder gefragt, sie sagen ich habe weniger Geduld. Das stimmt leider, sie haben recht. Ich kann inzwischen auch schlechter mit Stress umgehen. Ich war noch nie super entspannt, aber inzwischen können mich Kleinigkeiten sehr unter Stress setzen und das fühlt sich nicht gut an.

Meine Migräne hat sich seit Corona auch verschlechtert, um mal etwas ganz Körperliches und sehr Einschränkendes zu nennen. Auch das war vorher schon eine Herausforderung, während der Lockdowns fehlte allerdings die Möglichkeit sich komplett zurückziehen zu können und das ist bis heute so geblieben. An diesen Tagen leidet unser Familienleben dann sehr, denn ich weiß, dass ich bestimmte Dinge wie diese Pendelsituationen auch mit Migräne leisten muss, auch wenn ich dazu eigentlich nicht in der Lage bin. Hier sind die Kinder eine gute Hilfe, weil sie sich inzwischen recht gut mit den Bus- und S-Bahnstationen auskennen, so dass wir immer wieder zuhause ankommen. 

Auf der anderen Seite sind wir mehr in der Natur, wir haben wie so viele den Wald für uns entdeckt und merken, dass diese Ausflüge extrem wertvoll sind. Und wir reden noch mehr als sowieso schon miteinander und sind vielleicht auch großzügiger mit uns. Das ist immer wieder beruhigend zu beobachten, dass am Ende des Tages alle in der Familie zusammenhalten und ich weiß: Mit denen schaffe ich alles. 

Was nimmst du dir für das zweite Halbjahr 22 vor?

Ich möchte mein drittes Buch beenden. Tatsächlich sollte und wollte ich das schon Ende 2021 tun aber ich musste den Verlag um Geduld bitten. Das war nicht leicht, aber ich habe gemerkt, dass meine Ressourcen endlich sind. Und nein, das Buch ist immer noch nicht fertig, aber das ist der Plan fürs zweite Halbjahr. 

Außerdem will ich versuchen eben nicht immer auch in entspannten Situationen noch darüber nachzudenken, was noch zu tun wäre. Dieses Gedankenkarussell wenigstens zeitweise anzuhalten, das ist ein echt großer Wunsch von mir. 


Wer mehr von Andrea lesen möchte, kann dies auf ihrem Blog machen.

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10 comments

  1. Liebe Andrea, ich denke, es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass Du ein schönes Leben führst – Du hast einen Mann, drei gesunde Kinder, einen interessanten und kreativen Job, welcher Dir zudem Freiraum lässt, lebst in einer spannenden Stadt, in der viel los ist, hast Zeit und Möglichkeit Dich mit Freundinnen zu treffen und zum Yoga zu gehen ( das ist doch auch Zeit für Dich und beides eine schöne Art die freie Zeit zu verbringen). Die Konzentration auf das Positive ist meiner Meinung nach das Einzige, was helfen könnte, das Gedankenkarussel langsamer werden zu lassen und die Sorgen und Ängste nicht zu nah an Dich ranzulassen. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich in vielem aus deinem Post wieder erkenne und es mir leider sehr oft nicht gelingt die Ängste und Sorgen auszublenden, mich stattdessen aufs Positive in meinem Leben zu konzentrieren, oder auch meine Akkus nach der Corona-Zeit vollständig aufzuladen und gelassener zu werden. Deswegen ist das oben Geschriebene auch eine Botschaft von mir an mich selbst 🙂 Es ist nicht einfach, aber ich arbeite auch daran 😉 Liebe Grüße nach Berlin und alles Gute für Dich, Svitlana

  2. Viel Kraft und sorge gut für Dich selbst! Allerdings weiß ich vorher, dass ein Leben mit jüngeren ( mehreren) Kindern erstmal arbeitsintensiv und fordernd ist. Und ich entweder meine beruflichen Pläne erstmal zurück stelle ( und die Kinderzeit auch genieße sind ja nur paar Jahre) oder anders den Partner mit einspanne oder vielleicht doch weniger Kinder anzuschaffen. Wenn ich die Arbeit nicht reduzieren kann oder will. Kinder schaffe ich mir ja nicht an um dann extra meine 60 Stunden Woche durch zu ziehen? Ich will doch für meine Kinder auch da sein?

    1. Das klingt wieder so als wäre Frau selber schuld. Wenn man Kinder möchte soll man in der Arbeit zurück stecken (spoiler: eine Karriere kann man manchmal nicht aufschieben oder später einfach weiter machen). Frau soll ja schließlich auch möglichst viel Zeit mit den Kindern verbringen wollen. Und wenn sie doch arbeiten will (ein Mann ist keine Altersvorsorge!), womöglich um sich selbst zu verwirklichen oder so was, dann muss sie halt ihren Mann dazu bringen ihr unter die Arme zu greifen. Und wenn sie das alles nicht schafft darf sie nicht rumjammern, schließlich weiss man vorher das Kinder Geld kosten, die Zeit anstrengend ist und es in Deutschland viele strukturelle Schwierigkeiten und Ungleichheiten gibt. Deal with it. Dass man vorher nie genau sagen kann wie etwas zukünftig wird, dass sich Partnerschaften und Absprachen vielleicht ändern, der Arbeitgeber oder der Vermieter doch nicht so kinderfreundlich sind – egal. Als Frau weiss man automatisch und haargenau wie Geburt und Kinder groß ziehen sein und sich anfühlen wird. Deshalb darf man nicht jammern. So. Ironie aus.

      1. Kinder „anschaffen“? Was für eine unschöne Definition. Wir besitzen keine Kinder, sondern haben großes Glück und Verantwortung, diese kleinen Wesen zu begleiten.

  3. Danke für dieses ehrliche Interview (und auch das erste, habe es gerade nochmal gelesen :)), wir haben auch drei Kinder und ich habe mich in vielen Gedanken wiedergefunden. Danke für so viel Ehrlichkeit! Alles alles Gute für eure Familie, starke Nerven und viele sonnige Momente!

  4. Hallo Andrea,
    ich kann eure Situation gut nachempfinden. Zwar ist der akute Druck aus dem Lockdown weg, trotzdem werden die Akkus nicht mehr voll. Und mit halb leeren Akku vor neuen Herrausforderungen zu stehen macht mir ziemliche Sorgen. Mir stellt sich die Frage wie können wir ohne(mit wenig) Hilfe von außen weiterhin bestehen und ein gutes Familienleben leben?

    Ihr leistet enormes!

    1. Liebe Nita, du sprichst einen wichtigen Punkt an. Es ist bewusst geworden, wie wenig Unterstützung von Außen da ist. Ich finde deine Frage so berechtigt und kann dir leider auch keine Antwort geben…
      Liebe Grüße

  5. Danke für den ehrlichen Beitrag! Das Gedankenkarusell dreht sich auch bei mir permanent aber ich versuche, es langsam etwas zu stoppen. Meine Kinder sind 12, 9 und 6, also kann ich Dir etwas Hoffnung machen, dass es doch in gewisser Weise leichter wird. Dennoch ist es an DIR, Dir die Zeit für Dich auch zu nehmen. Zumindest aus meiner Erfahrung ist es so, sobald ein Kind mal nicht schreit, zwickt man wieder eine Arbeit mehr mit ein -sei es Haushalt oder Job. Und genau da muss man dann auch mal sagen: stopp, das reicht jetzt! Jetzt bin ICH mal dran!
    Wünsch Dir viel Kraft dazu!

  6. Danke Andrea! Das spricht sehr aus meinen Erfahrungen und meinem Herzen. Keine Zeit zum Verarbeiten, wie kann man seine Geduld wieder bekommen? Üben den Moment zu Genießen und das Gedanken Karussell anhalten. Auch hier fing das an, als man in den Lockdowns mit Aufgaben überfrachtet wurde und keine Chance auf Pause in Sicht war. Ich wünschte mir mein altes Vertrauen zurück. Yoga, Mini-Pausen, Atmen in stürmischen Momenten… ich will zuversichtlich bleiben, dass man die Überforderungen so Schritt für Schritt verarbeitet, während immer wieder neue Abenteuer warten… Ich finde es toll, dass du deinen Visionen und deiner beruflichen Verwirklichung hohe Priorität einräumst. Und ich bin dir und den Menschen aus dem Verlag dankbar, dass ihr Familien Themen sichtbar macht!!!

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